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Der Brüssel-Insider

Brüssel-Insider Gilbert Rukschcio versorgt in seiner Kolumne „Nachricht aus Brüssel“ die Leserinnen und Leser des Report mit Hintergrundinfos zu europäischen Fragen.
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Das Ende der Geschichte as we know it.

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Die Europäische Union galt jahrzehntelang als die Antwort auf Krieg und Leid.
 Das Friedensprojekt Europa hat unwidersprochen die Völker zusammengebracht und Wohlstand vermehrt. Doch seit geraumer Zeit brechen just dort die Gräben auf, wo bis dato die EU als der Kitt gesehen wurde. Wie konnte das passieren und ist das nun das Ende der Geschichte?

Der britische Journalist und Autor David Goodhart beschreibt in seinem Versuch, das Brexit-Referendum zu erklären, vom gro­ßen Konflikt der »Anywheres« und »Somewheres« – also jener Personen, die aufgrund ihrer Herkunft, Bildung und finanzieller Ressourcen überall in Europa bzw. der Welt sich heimisch fühlen und reüssieren können. Und jener, die sich als »zurückgeblieben« empfinden, irgendwo in der Peripherie leben, wo Bildung, Jobs und soziale Einbettung immer weniger werden.

Wer gegen wen

Das Spannungsverhältnis Zentrum vs. Peripherie ist in der Tat eines, das uns als moderne Gesellschaft beschäftigt. Legt man das Abstimmungsverhältnis beim Brexit-Referendum über eine Landkarte Großbritanniens, so sieht man, dass ländliche Gebiete überwiegend pro Brexit und urbane Gebiete überwiegend pro Remain gestimmt hatten.

Doch es gibt noch eine weitere Trennscheibe, wenn man genauer hinschaut. Eine Trennscheibe, die auch die »Somewheres« und »Anywheres« wieder neu sortiert. So haben Personen über 60 Jahre mit überwiegender Zahl pro Leave gestimmt, selbst in urbanen Gebieten, und Personen unter 40 überwiegend pro Remain gestimmt, selbst in ländlichen Gebieten.

Anderes Thema, gleiches Bild: Laut einer jüngst veröffentlichten Umfrage erachtet ein Viertel der Österreicher und Österreicherinnen das Europäische Parlament für überflüssig. Diese Aussage findet bei älteren Personen eine besonders hohe Zustimmung, während Jüngere das Parlament in Brüssel in seiner Relevanz über jenes auf nationaler Ebene stellen.

Gibt es also einen Generationenkonflikt in Europa? Auch das stimmt nicht bzw. die Problematik auf das Alter alleine zu reduzieren, wäre zu plump. Vielmehr geben drei Fragen den Ausschlag, die über Wohl und Wehe eines Systems entscheiden, wie mir ein kluger Kopf einmal einleuchtend sagte: Schützt es mich vor Willkür von oben? Kann ich mir und meiner Familie mit meiner Arbeit ein gutes Leben ermöglichen? Und: Haben es meine Kinder einmal besser als ich? Kann ich alle drei Fragen mit »Ja« beantworten, werde ich das System nicht infrage stellen. Umgekehrt, je mehr »Nein«, desto mehr zweifle ich am System, in dem ich lebe.

Fragen des Lebens

Die Willkür ist in Europa mehr oder weniger ausgemerzt, der Rechtsstaat funktioniert in den meisten Staaten sehr gut, auch wenn Einzelne versuchen, diesen ein Stück zu schwächen, siehe Ungarn oder Polen. Die Frage nach dem guten Auskommen zu Lebzeiten ist schon diffiziler, denn der Faktor Arbeit ist in den europäischen Wohlfahrtstaaten fast durchwegs obszön hoch versteuert. Löhne steigen nur moderat, aber nicht weil, die »bösen Unternehmer« so schlecht zahlen, sondern weil jeglicher Zuwachs steuerlich »bestraft« wird.

Die dritte Frage ist die Gretchenfrage. Diese wird zunehmend mit einem sehr lauten »Nein« beantwortet. Eine digitale Revolution, die unsere Jobs gefährdet; ein China, das mit seinem wirtschaftlichen Aufstieg unseren Wohlstand gefährdet; und eine unkontrollierte Einwanderung, die unsere Kultur gefährdet:  Die Farben, in denen die Zukunft Europas gemalt wird, sind im öffentlichen Diskurs primär dunkle und düstere. Dieser Farbton dominiert deshalb, weil »das System« offensichtlich nicht in der Lage ist, Sinn zu stiften und die zentralen Fragen zu beantworten, siehe oben. Doch Angst ist kein guter Ratgeber und auch kein guter Wegfinder in eine helle Zukunft.
 

Was ist die G’schicht?

Der 2019 herandräuende Europawahlkampf wird viel an Pathos, Halbwahrheiten und sogar dreisten Lügen in die Diskussion spülen, warum die EU nun zu hassen oder zu lieben sei. Knapp acht Wochen Wahlkampf und gesteigertes Medieninteresse werden aber nicht wettmachen können, was in all den Jahren nicht passiert ist: ein Einbinden der Bürgerinnen und Bürger in das Erarbeiten und Erzählens einer neuen »Geschichte«, warum es dieses Europa geben soll und was passieren muss, damit die drei Fragen des Lebens von einer großen Mehrheit mit einem kräftigen »Ja« beantwortet werden.

Geschichte passiert nicht, sie wird gemacht. Und Europa braucht eine neue Geschichte, um nicht selbst Geschichte zu werden. Fangen wir damit an.

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Wie in der Steinzeit

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