2016 wird in vielerlei Hinsicht ein entscheidendes Jahr. Nicht überraschend beschäftigt uns das Flüchtlingsthema auch auf europäischer Ebene noch immer – und noch immer sind keine klaren Antworten absehbar. In Kombination mit einer innerdeutschen Führungskrise, antieuropäischen Kräften in vielen Mitgliedstaaten und der Volksabstimmung in Großbritannien ergibt dies eine gefährliche Mischung.
Man kennt es üblicherweise von Kindern, die dem 24. Dezember ungeduldig entgegenfiebern. Denn dann kommt das Christkind oder der Weihnachtsmann, je nach Weltanschauung und Brauch. Dieses Jahr konnten auch die erwachsenen Politiker Europas die Ankunft des Winters kaum erwarten. Denn mit den tiefen Temperaturen erhoffte man ein Versiegen des Flüchtlingsstroms und ein automatisches Erledigen der damit verbundenen politischen Herausforderungen. Doch das stellte sich als frommer Wunsch ans Christkind heraus, der prompt nicht in Erfüllung ging. Nicht nur, dass der Flüchtlingsstrom nicht versiegte, auch in der Aufnahme und Beheimatung von über einer Million neuer Bewohner zeigen der Kontinent und seine Bevölkerung sich von der Aufgabe überfordert.
Die EU als Teil des Problems?
Beim Flüchtlingsthema gibt es keine Winterpause und es wird auch keine schnelle Lösung geben. An dieser Stelle gehört ein ehrliches Eingeständnis her: Europa ist mit seinem ersten Versuch, Antworten zu finden, gescheitert. Weder der Deal mit der Türkei noch die »Hot Spots« zeigen eine positive oder wie erhofft kurzfristige Wirkung. Im Gegenteil: Die Spaltung in Europa nimmt zu. Innerhalb der Staaten, zwischen den Staaten, in Büros, Familien, Stammtischen. Zum ersten Mal teile ich die Sorgen einiger Beobachter, dass Europa an einer neuen Herausforderung scheitern könnte. Nämlich insofern, dass die Europäische Union als Teil des Problems und nicht als Teil der Lösung gesehen wird. Führende EU-Politiker wirken zunehmend rat- und in weiterer Folge tatenlos.
Wie resilient ist die Union?
Was bereits zu beobachten ist: Die Dominanz Deutschlands wackelt. Einer Zangenbewegung gleich formieren sich antieuropäische Kräfte an der Peripherie, Großbritannien auf der einen, Polen, Ungarn auf der anderen Seite, und treiben eine »Enteuropäisierung« voran. Die Schwäche Deutschlands geht dabei Hand in Hand mit der persönlichen Führungskrise, mit der Kanzlerin Angela Merkel zunehmend in Deutschland selbst konfrontiert sein wird. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob sich die innerdeutsche Debatte beruhigen oder das Ende der Über-Kanzlerin einläuten wird.
Nun könnte man meinen, das passiert immer wieder und daran ist noch keine Europäische Union zugrunde gegangen, dass ein Land oder ein Politiker an Einfluss verliert. Politiker kommen, Politiker gehen. Doch einerseits ist Merkel jene Politikerin, die wie niemand sonst in Europa Leadership und Macht besitzt. Und andererseits ergibt sich in diesem Jahr eine gefährliche Mischung: offensichtliches politisches Vakuum im Umgang mit der Flüchtlingsthematik; Spaltung und damit Lähmung Europas; eine ideologische Gegenbewegung in vornehmend östlichen Staaten unter dem Banner der »illiberalen Demokratie«; und nicht zuletzt: ein Referendum in Großbritannien über den Verbleib in der EU. Sagen wir so: 2016 testen wir die Resilienz der Europäischen Union. n
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