Griechenland verkommt unter dem Spardiktat der Troika zur Kolonie, die Griechen werden die Neger der Eurozone. Daran wird auch das nächste Hilfspaket im Volumen von 130 Mrd. Euro nichts ändern. Das jetzt kommende Sperrkonto, auf das Mittel zum Schuldendienst abgezweigt werden, zeigt worum es geht: Die Gläubiger sollen gerettet werden. Schließlich ist das Land auch nach dem nun wohl ebenfalls kommenden Schuldenschnitt keineswegs schuldenfrei – fast 270 Mrd. Euro bleiben.
Das Land verfügt weder über einen im klassischen (westlichen) Sinne funktionierenden Staatsapparat, noch über eine auch nur im Ansatz wettbewerbsfähige Wirtschaft. Es ist auf der Stufe eines Entwicklungslandes.
Die herrschende EU-Politik sieht bisher vor, das Land in der Eurozone zu halten. Da der Wechselkurs als Instrument zur Angleichung wegfällt, bleibt nur die deflationäre Anpassung. Das gilt in gleicher Form für alle PIIGS. Im Falle Griechenlands müssten die Preise um 31% fallen, hat der Leiter des ifo-Instituts, Sinn, ausgerechnet.
Entsprechend müssten die Löhne sinken – eine der Bedingungen, die Griechenland von der EU aufoktroiert bekommt, ist eine Senkung der Mindestlöhne um 25%, bei jüngeren Arbeitnehmern um noch mehr. Selbst wenn dies umgesetzt würde – die starken griechischen Gewerkschaften sind auch noch da. Abgesehen davon würde es nichts nutzen. Das Land hat keine nennenswerte Exportindustrie, die davon profitieren würde und dem Land einen Wachstumsimpuls geben könnte. Die übrigen Industriezweige kommen durch eine solche Deflation nur noch weiter unter Druck. Und mit ihnen das Wirtschaftswachstum. Gleichzeitig bleiben die privaten Schulden erhalten. Das sorgt dafür, dass immer mehr Unternehmen pleite gehen, die Deflationsspirale geht weiter.
Das griechische Leistungsbilanzdefizit liegt gegenwärtig bei 10%. Es wird quasi automatisch über Target2 finanziert, 27% davon trägt Deutschland. Alles nur Kredit? Ja, erst mal schon. Später dann wird es zum Geschenk. Und wie es so ist mit solchen Geschenken, der Beschenkte will immer mehr. Die Erfahrungen der Entwicklungshilfe zeigen, nur Hilfe zur Selbsthilfe bringt ein Land weiter.
Damit Griechenland überhaupt geholfen werden kann, muss das Land aus dem einheitlichen Euro-Währungsraum ausscheiden. Wenn es die Drachme wieder einführt, kann es gleichzeitig bestimmen, dass die Staatsschulden künftig auf Drachme lauten (Lex Monetae), wie Sinn erklärt (siehe auch hier). Die Situation im Land ändert sich relativ gesehen nicht – Vermögen und Schulden werten im gleichem Maßstab ab.
Danach fängt die Arbeit an. Einige der zu treffenden Maßnahmen unterscheiden sich nicht von einzelnen Punkten im Spardiktat der Troika, sie haben aber mit der Drachme jetzt konstruktive Effekte. Die Bürokratie muss schlanker und effizient werden, Regeln müssen vereinfacht und vereinheitlicht werden. Regulierungen bei bestimmten Berufszweigen müssen zum großen Teil fallen. Der Arbeitsmarkt muss flexibilisiert werden. Das alles sind auch Voraussetzungen dafür, dass ausländische Investoren wieder Interesse an dem Land finden können.
Vassilis Antoniades und Camille Egloff von der Boston Consulting Group haben sich mit dem Thema befasst. Zwischen 2004 und 2010 betrugen die ausländischen Direktinvestitionen in Griechenland im Durchschnitt ein Prozent, viel weniger als bei den Nachbarländern (siehe Chart von BCG).
Aktuell dürfte sich der geringe Zufluss wegen der Krise in einen Abfluss verwandelt haben. Die Autoren stellen heraus, dass Griechenland im Vergleich zu seinen Nachbarn über eine gute Infrastruktur verfügt (irgendwo müssen sich die Strukturfonds der EU ja auswirken). So könnte das Land zur südlichen Transportdrehscheibe Europas im internationalen Handel werden. Der Tourismus dürfte auf der anderen Seite stark profitieren, weil Ausländer das Land wegen seines niedrigen Wechselkurses attraktiv finden.
Mit der eigenen, abgewerteten Währung und entsprechenden Reformen wird das Land schnell für ausländische Direktinvestitionen interessant. Neben Transport-, und Tourismussektor dürfte auch der Landwirtschaftssektor Kapital anziehen.
Der Austritt Griechenlands aus der Eurozone ist „alternativlos“, um mal ein arg strapaziertes Wort zu benutzen.
Ob dann die Einrichtung einer Süd-Euro-Zone folgen sollte, in die neben Griechenland auch Italien, Spanien und Portugal kommen? Italien, Spanien und Portugal stehen unter demselben Deflationsdruck, deren Preisniveau hat bisher ebenfalls kaum reagiert. Auch hier findet munter Eurobond-ähnliche Finanzierung in Form von Taget2 statt. Die Bundesbank hat hieraus mittlerweile Forderungen von über 500 Mrd. Euro. Zu einem Prozent Zinsen. Und ohne die Möglichkeit, diese Kredite jemals zu kündigen.
Nach Sinn beträgt die deutsche Haftung für die Krisenländer aus den diversen Brüsseler Rettungsmaßnahmen mittlerweile 643 Mrd. Euro. Plus Zinsen für die Kredite. Die Bundesregierung behauptet immer noch, es seien lediglich 211 Mrd. Euro. Wenn die Länder-Rettung a la Griechenland so weiter geht, erreichen wir bald die Billionen-Grenze. Dass es bei der bloßen Haftung bleibt, glaubt sowieso schon niemand mehr.
Die 500 Mrd. Euro an Taget2-Krediten, die „einfach so“ ohne jede parlamentarische Mitwirkung zustande kamen, engen den Manövrierspielraum von Deutschland ein: Im Interesse der Rettung der alten Kredite könnte Deutschland immer eher bereit sein, neuen Rettungsaktionen zuzustimmen. Falls nicht, steigt der Target2-Saldo eben immer schneller.
Währenddessen müssen Italien, Spanien und Portugal erst einmal anfangen, zu deflationieren. Insbesondere Italien kann mit diesem Druck aufgrund der relativ hohen Produktivität der Wirtschaft zwar besser umgehen als z.B. Griechenland. Aber wahrscheinlich wird die Politik nach einer kurzen Phase der Konsolidierung wieder den einfacheren Weg einer Transfer-Union beschreiten. Mag sein, dass dann wieder ein paar Wahlen gewonnen werden, die strukturellen Probleme werden aber nicht gelöst.
Wenn nicht schon vorher alles auseinanderfliegt, zahlt am Ende die „Nord-Euro-Gruppe“, bevor alles auseinanderfliegt…
Oder man bekommt rechtzeitig die Kurve zu einem „Süd-Euro“.
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