Das US-BIP ist in der ersten Schätzung um annualisiert real 0,7% gewachsen, erwartet wurden +1,2%. Im Vorquartal lag der Zuwachs bei 2,1%. Die Konsumausgaben sind kaum angestiegen – das reale verfügbare Haushaltseinkommen hat gegenüber dem Vorquartal kaum zugenommen, die Sparquote stieg leicht an.
Der Lagerabbau belastete das Wachstum mit –0,9%. Die Geschäftsinvestitionen leisteten hingegen mit +1,6% einen positiven Beitrag, übrigens der höchste seit Q1/2012. Der Außenhandel verbesserte sich merklich, sein Beitrag ist jetzt neutral nach –1,9% im Vorquartal.
Die die Lagerbestände ausschließenden “Real Final Sales” stiegen in Q1 um +1,6%, fast ein Prozent stärker als der gemeldete BIP-Zuwachs; im Vorquartal wurden hier lediglich +1,1% ausgewiesen.
Der annualisierte PCE-Deflator kommt auf fast 2,3% und liegt damit deutlich höher als die über die ersten drei Monaten gemittelte CPI-U-Inflation (gut 1,5%). Werden die nominalen Zahlen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung für das erste Quartal mit dieser niedrigeren Inflationsrate bereinigt, läge das Wachstum bei annualisiert 1,4% (Chartquelle).
Damit ist das BIP-Ergebnis im Detail besser als die “Headline”-Wachstumsrate vermuten lässt. Insbesondere die Entwicklung der Investitionen in Betriebs- und Geschäftsausstattung ist positiv zu vermerken, weil sie einen in die Zukunft reichenden Effekt hat. Der Lagerabbau lässt vermuten, dass die Unternehmen offenbar ein stärkeres Wachstum des Konsums erwartet hatten. Diese „Enttäuschung“ könnte sich in den nächsten Stimmungsindices der Industrie niederschlagen.
Dafür, dass die Dynamik der US-Wirtschaft noch nicht auf dem Nullpunkt angekommen ist, spricht auch: Der Baubeginn neuer Häuser (Housing Starts) liegt per März weiter über 1,2 Millionen und damit über dem Niveau von 2008. Gleichzeitig steigt der Hauspreisindex weiter. Und schließlich steigt der „Freight Transportation Services Index“ mit zuletzt jährlich 4%, sein Wachstum war in 2016 über weite Strecken neutral bis negativ.
So weit, so gut. Das alles ändert nichts daran, dass das Wachstum seit 2009 alles andere als überschäumend ist. Während bis 1980 das reale BIP-Wachstum grob gemittelt bis 7,5% p.a. ging, wurden bis 2000 nur noch 5% erreicht. Seit 2009 bewegen wir uns um, bzw. unter 3% (Chartquelle). Das zurückliegende Quartal hat keine Trendwende gebracht – es bestätigt die strukturelle Wachstumsschwäche.
Lance Roberts hat ausgerechnet, dass seit 2008 über diverse Bailouts, sonstige Subventionen und Hilfen, sowie durch die verschiedenen QE-Programme 33 Bill. Dollar aufgewendet wurden. Setzt man diese Interventionen von Regierung und Fed in Beziehung zum BIP-Wachstum, so ergibt sich, dass pro 33,56 Dollar lediglich ein Dollar Wirtschaftswachstum erreicht wurde.
Lance Roberts hat auch gezeigt, dass seit 2009 lediglich 13% der berichteten Gewinne pro Aktie von Umsatzwachstum stammen. Anders herum: 87% kommen durch veränderte Vorschriften bei der Rechnungslegung, durch Aktienrückkäufe, Abschreibungen, Buchhaltungstricks oder schlicht durch Betrug zustande.
Demgegenüber feiern die Aktienkurse ein Hoch nach dem anderen. Die Marktkapitalisierung im S&P 500 liegt im Verhältnis zum Umsatz der im Index enthaltenen Unternehmen aktuell bei 1,83 und damit noch etwas unter der historischen Spitze aus 2000 bei rund 2. Mit anderen Worten, die Unternehmenswerte liegen nahezu doppelt so hoch wie der Umsatz, den sie schaffen (Chartquelle).
Die „Earnings Yield“, das inverse KGV, zeigt die Rentabilität einer Investition in ein Unternehmen, indem es den von ihm erwirtschafteten Gewinn in Beziehung zum Anteilspreis setzt. Der Wert liegt aktuell bei knapp 4% und damit historisch niedrig. Zuletzt war diese Rendite nur zwischen 1998 und 2002, sowie 2009 noch niedriger (Chartquelle).
Damit wird deutlich: Die Unternehmen in den USA sind im historischen Maßstab sehr hoch bewertet – bis zu einem neuen Rekord fehlt nicht mehr viel. Hinzu kommt erschwerend, dass es mit der Qualität der Unternehmensgewinne schlecht bestellt ist und die US-Wirtschaft nur mit einem enormen finanziellen Aufwand nach 2008 auf einen bestenfalls mittelprächtigen Wachstumskurs zurückgeführt werden konnte. Wirtschaftswachstum ist die hauptsächliche Quelle für (solide) Unternehmensgewinne und diese wiederum sind die hauptschliche Triebkraft für die Bewertung von Unternehmen und damit der Aktienkurse. Das sind insgesamt sehr tönerne Füße, auf denen der 2009 losgetretene Bull-Run steht.
Nun ist aber auch klar, dass solche Argumente lange Zeit nicht besonders zugkräftig sind – insbesondere in einer Phase des spekulativen Überschwangs, in der hauptsächlich die Frage zählt, was denn wohl die anderen Marktteilnehmer tun. Dieser Herdentrieb blendet die Sicht auf die Realität aus, entscheidend sind Gerüchte, Erwartungen, Hoffnungen. In aktuellen Fall sind es hauptsächlich (immer noch) die vermuteten Segnungen der Trumponomics.
Aber irgendwann lässt sich die Realität nicht länger ausblenden. Dazu bedarf es eines wichtigen Anlasses. Der kann von überall her kommen, auch ein exogener Schock kann bei bei genügendem Ausmaß ein solcher sein. Die grundlegende Wende an den Aktienmärkten wird dann durch das Verhalten großer Marktteilnehmer eingeleitet, die sich zum Börsenausgang schleichen. Das bleibt nicht lange unbemerkt und plötzlich gewinnen Medienberichte die Oberhand, die der Realität der Verhältnisse unter der Decke hoher Aktienkurse wieder etwas näher kommen.
So weit scheint es noch nicht zu sein. Schaut man sich den Verlauf etwa des TED-Spread an, so lässt sich der Schluss ziehen, dass liquiditätsseitig alles auf grün steht. Der Ted-Spread (Differenz zwischen dem Dreimonats-Libor und der Rendite für 13-wöchige US-TBills (IRX)) ist ein Mass für Liquiditätsbewegungen. Mit zunehmender Liquidität der Banken steigt das Angebot am Geldmarkt, der Spread sinkt. Umgekehrt führt ein Rückgang der Liquidität zu einem steigenden Spread; wenn Banken der weiteren Entwicklung im Bankensystem misstrauen, verkaufen sie Assets und schichten in “risikolose” 13-wöchige TBills (“Parkplatz”) um. Der auch als Maß für Risiko von Unternehmens-Krediten interpretierbare TED-Spread steigt zwar seit Mitte 2014 an, sinkt zurzeit aber wieder unterhalb von 0,5% (aktuell 0,38%). Er reflektiert auch die zunehmende Inflation. Einen kritischen Pegel sehe ich bis 2008 bei einem Prozent, seitdem in Zusammenhang mit der Geldflut der zurückliegenden Jahre eher tiefer, bei rund 0,75%. Bis dahin ist noch ein gutes Stück.
Eine ähnliche Aussage lässt sich vom „BofA Merrill Lynch US High Yield Option-Adjusted Spread“ ableiten, der im wesentlichen den Aufschlag für High-Yield-Anleihen gegenüber der Rendite zehnjähriger TNotes anzeigt. Der Wert kommt aktuell auf 3,78% und ist damit dem Tief seit 2009 aus Mitte 2014 nahe. Je geringer der Spread je mehr greifen Bond-Investoren zu riskanteren Anleihen, was als Maß für Risikobereitschaft zu sehen ist. Bei rund fünf Prozent Spread würde ich einen Warnpegel sehen, bei rund sieben Prozent sehe ich „Alarm“ wie zuletzt etwa im Februar 2016.
Die geringer werdende Rendite bei Aktien („Earnings Yield“) dürfte nur so lange noch tragfähig sein, so lange etwa Bonds weiterhin deutlich weniger Rendite abwerfen. Zehnjährige TNotes rentieren gegenwärtig mit 2,3%, 30-jährige TBonds mit knapp 3%. Mit aktuell knapp 4% rentieren Aktien im Vergleich höher. So lange weiterhin genügend billige Liquidität vorhanden ist (siehe TED-Spread), ist die Aktienanlage trotz Überbewertung noch im Vorteil. Wehe, wenn nicht mehr…
Quelle: http://www.timepatternanalysis.de/Blog/2017/04/29/wenig-wachstum-und-uberbewertete-aktien/
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