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Trump, der Freihandel und die Wertschöpfung

Nachdem Trump offiziell als Kandidat der Republikaner im Rennen um die US-Präsidentschaft gekürt wurde, beginnt nun die heiße Phase des Wahlkampfs. Es bestehen wenig Zweifel, dass Hillary Clinton in der kommenden Woche von den Demokraten aufs Schild gehoben wird. Damit konkurrieren dann zwei Personen um das höchste politische Amt der USA, die sich so geringer Beliebtheit erfreuen wie selten in der Geschichte der USA.


Obama war vor acht Jahren ins Amt gewählt worden. Der erste afroamerikanische Präsident versprach „Change“. Aber er erwies sich wie viele Karriere-Politiker vor ihm als Enttäuschung hochfliegender Versprechungen. Die Euphorie ist längst verflogen, am Ende unterscheidet sich seine Bilanz nicht viel von der seiner Vorgänger. Außenpolitisch weiter im Gewand des Kampfes gegen den Terror in bewaffnete Konflikte verstrickt, das berüchtigte Lager in Guantanamo besteht immer noch, die Bespitzelung im In- und Ausland durch die NSA hat ungeahnte Dimensionen angenommen.

Clinton ist der bekannte Typ Karriere-Politiker/in – immer „politisch korrekt“, immer „fein“ und distinguiert, immer glatt und intellektuell. Trump ist der Gegenentwurf dazu. Inhaltlich ist er auf „law and order“-Linie, stellt sein eigenes Land in den Mittelpunkt, will ans Ausland verloren gegangene Jobs zurückholen, macht ein dickes Fragezeichen hinter der unbedingten Lobpreisung des Freihandels. In nicht wenigen Aspekten decken sich sein Auftreten und seine Inhalte mit denen der Protagonisten der Brexit-Bewegung in Goßbritannien.

Im Brexit, in zunehmenden und erstarkenden isolationistischen, bzw separatistischen Bewegungen, in der Ablehnung ahlglatter, telegener Karriere-Politiker, in der zunehmenden Akzeptanz populistischen Gehabes kommt die Unzufriedenheit breiterer Bevölkerungsschichten mit den herrschenden Verhältnissen zum Ausdruck. Hier steht vor allem der Freihandel im Fokus, der nach bislang noch herrschendem Konsens die entscheidende Voraussetzung für Wohlstands-Maximierung darstellt. Genau dieser Konsens wird aber mittlerweile immer öfter infrage gestellt, nicht zuletzt, weil es mit der Wohlstands-Maximierung eben hapert. Stattdessen geht die Einkommens- und Vermögensschere zwischen arm und reich immer weiter auf.

Die Globalisierung, in der wir leben, wurde Anfang der 1970er Jahre begründet. Bis dahin bestimmte das System von Bretton Woods die Beziehungen im Westen. Es war zwar vordergründig ein Währungssystem, damit es aber funktionieren konnte, war ein hohes Maß an wirtschafts- und finanzpolitischer Abstimmung zwischen den Beteiligten erforderlich. Die „Bedrohung“ seitens des Ostblocks lieferte den äußeren Rahmen und sorgte dafür, dass der soziale Friede und das soziale Wohlergehen besonders hoch im Kurs standen. Diese Maximen galten im Verlaufe der 1960er Jahre immer weniger – nicht zufällig fand auch ein Paradigmenwechsel in der Volkswirtschaftslehre statt vom Keynessianismus zum Monetarismus. Durch die Aufhebung der Dollar-Bindung an Gold, die Freigabe der Wechselkurse und die Freizügigkeit des Kapitalverkehrs wurde die Grundlage für den modernen („globalisierten“) Freihandel gelegt.

Diese Art von Globalisierung und internationaler Arbeitsteilung geht jetzt in die fünfte Dekade ihres Bestehens. Ihre ideologische Basis ist längst nicht mehr unangefochten. Vor mehr als zwei Jahrhunderten hatte David Ricardo postuliert, offene Grenzen für den Warentausch bieten allen Seiten nur Vorteile. Das mag für eine gewisse zeitlang richtig sein, führt aber allzu oft auf lange Sicht in wirtschaftliche (und politische) Abhängigkeit und destabilisiert die einheimische Wirtschaft.

Die Organization for Economic Development (OECD) und die World Trade Organization (WTO) haben vor einiger Zeit gemeinsam einen Versuch unternommen, zu bestimmen wie Länder in ihren Handelsbeziehungen von internationaler Arbeitsteilung profitieren und zum gesamten globalen Produktionsergebnis beitragen. Die beiden Organisationen haben 61 Länder u.a. danach untersucht, welcher Anteil der Wertschöpfung bei exportierten Gütern bei ihnen verbleibt und welcher auf andere Länder entfällt. Bei der Länderliste fehlen die ärmsten der armen etwa in Afrika.

Mit dem verfügbaren Datenmaterial kann man sich im Detail Tag und Nacht beschäftigen. Klar ist, dass zu einem gegebenen Zeitpunkt die Wertschöpfung konstant ist. Daher geht es dann immer nur um die Frage der Verteilung – mit anderen Worten, realisiert ein Land einen hohen Anteil an der Wertschöpfung eines Gutes, kann sein Handelspartner nur einen kleinen Anteil für sich beanspruchen. Er ist aber immer noch deutlich kleiner als der der Handelspartner.

Die folgende Tabelle zeigt die Verhältnisse für zehn Länder jeweils 1995 und 2011. Die Spalte „Ratio“ ist das Verhältnis der in- und der ausländischen Wertschöpfung (VA=’value added’). Ein Wert über eins zeigt damit, dass das betreffende Land einen höheren Anteil der Wertschöfung als der Handelspartner auf sich verbuchen kann. Auffallend ist, dass dieser Wert für die USA im Zeitvergleich nahezu konstant und deutlich positiv ist. Bei Deutschland ist der 2011er Wert unter eins gerutscht, 1995 war er noch klar darüber. Mag sein, dass sich hier die EU/Eurozone bemerkbar macht, auch weil etwa der Wert für Rumänien von 0,82 auf 1,01 gestiegen ist. Der Wert für Großbritannien hat sich wenig verändert und zeigt ein anteilsmäßig ausgeglichenes Bild. Die 2011er Schlusslichter der Tabelle bilden drei ostasiatische Länder, die noch relativ wenig entwickelt sind. China kann zwar seinen Anteil 2011 gegenüber 1995 deutlich verbessern, bleibt mit 0,49 aber immer noch klar in einem Bereich, wo der Wertschöpfungsanteil des Auslands an den exportierten Gütern deutlich überwiegt. Saudi-Arabien fällt mit seiner fast ausschließlich auf Öl ausgerichteten Exportwirtschaft heraus.

 

 

Die ist beileibe keine vollständige Analyse. Aber es wird bestätigt, dass die entwickelten Länder im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung offenbar einen höheren Anteil an der Wertschöpfung auf sich verbuchen können als weniger entwickelte Länder. Damit untermauern diese Zahlen weniger den Segen des Freihandels, wie von den beiden Organisationen beabsichtigt, sondern zeigen eher, wer davon besonders profitiert.

Nur wenn die Wertschöpfung insgesamt größer wird, wächst der zu verteilende Kuchen. Dann besteht die Chance, dass auch nicht so entwickelte Länder daran partizipieren, wenn schon nicht in der Relation zu ihren Handelspartnern, dann zumindest in absoluten Beträgen. Umgekehrt wid auch ein Schuh daraus – insbesondere vor dem Hintergrund eines nachlassenden Wachstumstempos der Weltwirtschaft.

Das Wertschöpfungspotenzial steigt gewöhnlich mit der Komplexität der Güter. Insofern ist China ein gutes Beispiel für ein Land, das sich auf IT-Güter spezialisiert und in der globalen Supply Chain vom hinteren Ende her ein Stuck weit vorgearbeitet hat und so einen steigenden Anteil an der Wertschöpfung bei sich verbuchen kann.

Stichwort „IT-Güter“ – genau hier liegt die Crux! Wenn es stimmt, dass wir uns in der letzten Phase des laufenden, von Elektronik bestimmten Kondratieff-Zyklus befinden, so ist dafür auch typisch, dass hier keine wirklich großen Entwicklungssprünge mehr zu erwarten sind. Stattdessen geht es darum, die Produkte immer breiter einsetzbar zu machen, was bedeutet, dass sie immer billiger, immer effizienter hergestellt und gleichzeitig immer leichter handhabbar werden müssen. Also ist es um die Entwicklung des Wertschöpfungspotenzials nicht allzu üppig bestellt. Der Freihandel wird in einem solchen Umfeld schnell zu einem Kriegsschauplatz, bei dem es um die Verteilung des zumindest nicht größer, wahrscheinlich eher kleiner werdenden Wertschöpfungskuchens geht – zumal beim nachlassenden Wachstumstempo der Weltwirtschaft.

Um damit an den Anfang zurück zu kommen: Wenn bei Trump bisher überhaupt irgendetwas an durchgängiger politischer Linie deutlich geworden ist, dann ist es das Versprechen, Arbeitsplätze ins Land zurückzuholen, um den eigenen Anteil an der globalen Wertschöpfung zu steigern. Freihandel ist für ihn kein Wert an sich mehr.

Der Mann liegt damit genau im Trend – hatten wir bisher schon einen Währungskrieg, den die Zentralbanken angezettelt haben, um die einheimische Realwirtschaft durch Währungs-Bashing zu stützen, sollten wir uns nun allmählich auf die zweite Stufe des Verteilungskampfes einstellen. Selbst wenn Trump nicht zum nächsten US-Präsidenten werden sollte – die Tendenz zu immer offenerer „beggar thy neighbour“-Politik geht weiter. Je mehr sich herauskristallisiert, wie begrenzt die Wirkung von Währungsmanipulationen durch Geldflutung ist, je eher wird zu offeneren Methoden gegriffen, um die einheimische Wirtschaft zu stützen. Zollschranken, Handelshemmnisse und dergleichen sind dann die Mittel der Wahl – Trump hin oder Brexit oder Le Pen her. (Achten Sie in diesem Zusammenhang auf die Sitzung der BoJ in der nächsten Woche!)

Wenn diese Situationsbeschreibung so stimmt, erscheinen Freihandelsabkommen wie TTIP in einem neuen Licht. Man kann sie dann auch als Versuch ansehen, sich gegen die Tendenzen zur Rückabwicklung der in den 1970er Jahren etablierten Freihandels-Globalisierung zu stemmen und den Status quo zu zementieren, bevor es zu spät ist.

 

Trump ist offiziell zum US-Präsidentschaftskandidat der Republikaner gekürt worden. Er steht für eine politische Linie, die letztlich den Freihandel der im Zuge der in den 1970er Jahren etablierten Globalisierung infrage stellt. Er steht damit nicht alleine, die Tendenz kann auch in Europa, etwa im Brexit, festgemacht werden. Die globale Wachtumsschwäche und die untauglichen Mittel der Geldflutung, die die Zentralbanken dagegen setzen, verstärken sie letzten Endes.

 

Ergänzung:
In diesem Zusammenhang ist eine Personalie interessant: Paul Romer soll neuer Chefvolkswirt der Entwicklungsbank werden. Er hat die Theorie des endogenen Wachstums mit begründet, mit der erklärt werden soll, wie Wissen und Innovationen als Hauptwachstumstreiber entstehen. Romer macht sich für sogenannte Charter-Cities stark. Diese sind, nach dem Vorbild Hongkongs, eine extreme Form der Freihandelszone. Entwicklungsländer sollen bestimmte Gebiete an entwickelte Länder verpachten. Als Ausgleich für den Verlust an Souveränität und demokratischer Mitbestimmung verspricht Romer wirtschaftlichen Wohlstand für die verpachteten Regionen und ihre Einwohner, ganz ohne Entwicklungshilfegelder. Gewichtige Stimmen bezeichnen die Idee als „neo-kolonialistisch“. Auch diese Personalie lässt sich einordnen als Reaktion „Freihandel – jetzt erst recht“.

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