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Aktien – Bullen tot? (Teil 3 von 3)

Im dritten Teil der Artikelserie zur weiteren Entwicklung bei Aktien untersuche ich einige Aspekte aus dem Umfeld der Bond-Märkte. Letztlich wird hier angesichts der Dimension der Schuldenblase der Takt geschlagen und die Risikoneigung großer Player an den Finanzmärkten deutlich. Der erste Teil der Artikelserie befasst sich mit technischen Aspekten im Aktienmarkt, der zweite mit dem makroökonomischen Umfeld.

Die 13-wöchigen US-TBills (Kürzel IRX) geben gute Hinweise auf kurzfristige Kapitalbewegungen. Steigt IRX, bedeutet das ein Abfluss von Kapital vom „Parkplatz“. Umgekehrt zeigt ein sinkender IRX an, dass Kapital hier kurzfristig Anlage sucht, also cet. par. aus anderen Anlagen abgezogen wird. Im Verlauf des IRX fällt auf, dass er zeitgleich mit dem Versuch, Ende Juli das ATH im S&P 500 erneut zu attackieren, nach oben ausbrach und dann wieder deutlich kontrahierte, als am 19. August der Kollaps im S&P 500 begann. Dies deutet meiner Meinung darauf hin, dass große Adressen (letztlich vergeblich) versucht haben, den Aktienindex entweder massiv zu stützen oder ihn auf neue Höhen zu treiben. Das wird noch unterstrichen dadurch, dass zur selben Zeit die Volumenverteilung an der NYSE zeitweilig in Akkumulation kippte.

 

 

 

Der TED-Spread (Differenz zwischen dem Dreimonats-Libor und der Rendite für 13-wöchige US-TBills (IRX)) zeigt ebenfalls Liquiditätsbewegungen an. Mit zunehmender Liquidität der Banken steigt das Angebot am Geldmarkt, der Spread sinkt. Umgekehrt führt ein Rückgang der Liquidität zu einem steigenden Spread: Wenn Banken der weiteren Entwicklung im Bankensystem misstrauen, verkaufen sie Assets und schichten in TBills um. (Der TED-Spread steigt in der Regel auch bei einer Zunahme der Inflation, dieser Effekt kann aber aktuell vernachlässigt werden.)

 

Der große Liquiditätsschub begann zum Jahreswechsel 2011/2012 und reichte phasenweise bis in 2013 hinein. Seit März 2014 und insbesondere seit Jahresbeginn 2015 lässt sich eine klare Aufwärtstendenz ausmachen, die Liquidität nimmt ab (insbesondere im Kontext niedriger Inflation). Mitte Juli 2015 begann ein Sinkflug (IRX mit Steigflug – s.o.), am 10. August wurde im TED-Spread ein Tief erreicht. Darauf folgte ein wildes hin und her, in diesem Zusammenhang gab auch die effektive FFR kurzzeitig deutlich nach (Hinweis auf zusätzliche Fed-Liquidität). Aktuell notiert der TED-Spread bei 0,27 und damit so hoch wie zuletzt im September und Dezember 2012. Seine Botschaft ist einstweilen die: Die Liquidität befindet sich zwar auf dem Rückzug, die Dynamik, mit der das geschieht, ist jedoch bis jetzt gering.

 

 

Zur Entwicklung der US-Liquidität ist auch der folgende Chart interessant. Die Geldbasis (M0) setzt sich zusammen aus Bargeld und Einlagen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank (z. B. Mindestreserven). Sie dient der Zentralbank als Instrument zur Steuerung der Geldmenge. Die Geschäftsbanken können je nach Mindestreservesatz aus Zentralbankgeld ein Vielfaches an Giralgeld schöpfen. Damit ist letztlich das gesamte Geldangebot einer Volkswirtschaft von der Geldbasis abhängig. In normalen Zeiten geht man davon aus, dass es sechs bis neun Monate braucht, bis Änderungen der Geldbasis voll wirksam werden. Im Verlauf der Zeitreihe ist klar zu erkennen, dass M0 seit einem Jahr nicht mehr weiter steigt, im August nahm das Geldmengenaggregat im Jahresvergleich sogar um 2,24% ab. Seit März 2015 entwickelt sich die Zeitreihe unter dem Trend („Trend lo“ im Chart). Dies war zuvor schon zwischen Mai 2012 und April 2013, sowie zwischen November 2010 und März 2011 der Fall. Im Chart ist auch gut zu erkennen, wie sich die einzelnen QE-Programme der Fed niederschlagen. (In dieser Arbeit wird der Zusammenhang zwischen QE-Programmen, Aktienkursen und Entwicklung von Euro/Dollar anschaulich dargestellt.)

 

 

Ein weiterer wichtiger Indikator aus der Zinslandschaft ist der „BofA Merrill Lynch US High Yield Master II Option-Adjusted Spread“. Ein steigender Spread (Hi-yield-Anleihen zu 10yr TNotes) zeigt zunehmende Risikoaversion. Der Index ist seit Ende Juni 2014 von 3,35% per Mitte Dezember 2014 auf rund 5,7% angestiegen. Bis Anfang Juni 2015 sank er auf 4,5% zurück. Von dort aus startete eine Aufwärtsbewegung, die am 24. August auf 6,14% führte. Aktuell notiert der Index bei 5,7%. Eine kritische Schwelle sehe ich bei ungefähr 5,0 (als Warnstufe), Alarmstufe “rot” wäre oberhalb von 6,5%, bzw. 7,0%.

 

 

Ein für die Eurozone wichtiger Nebenaspekt bei der Einschätzung der Risikoausrichtung wird im folgenden Chart gezeigt. Hier wird der Kursverlauf eines ETF dargestellt, der invers zum Markit iBoxx EUR Sovereigns Eurozone Yield Plus Index konstruiert ist. Er gibt damit die Performance eines Portfolios invers wider, das aus den fünf Staatsanleihen der Eurozone mit der besten Kursentwicklung besteht. Hier wird deutlich, dass die Renditen der Eurozone zwischen März und Juni einen Boden ausgebildet haben. Seitdem steigen sie und haben zuletzt einige Male die Oberseite des seit Dezember 2011 bestehenden Abwärtskanals attackiert. Auch hier verlangen Investoren nun also höhere Renditen, was ebenfalls auf eine abnehmende Risikoneigung hindeutet.

 

 

Setzt man die invertierte Rendite von 10yr TNotes, nach Fed-Modell das sogenannte faire KGV („fair PER“), in Beziehung zum Verlauf des S&P 500, so zeigt sich, dass die beiden standardisierten Zeitreihen vor April 2015 steigende und seitdem sinkende Schnittpunkte ausbilden (türkise Linien). Das weist darauf hin, dass eine faire Bewertung von Aktien bei steigenden Renditen (=sinkende Bond-Kurse) jetzt früher erreicht wird als zuvor. Damit hat das Aktiensegment im Vergleich zur Anlage-Alternative Bond-Segment in der längerfristigen Tendenz weniger Potenzial als bis April (mit noch steigender Verbindung der Schnittpunkte). Das Status-Signal dieser Auswertung hat am 12. August seinen bullischen Zustand revidiert und gibt seit 27. August eine bärische Indikation.

 

 

Also: Der „Treibstoff“ für Aktien ist nicht mehr so billig verfügbar wie noch zu Jahresbeginn. Gleichzeitig verlangen die Marktteilnehmer für Hi-Yield-Bonds eine höhere Rendite, was auf abnehmende Risikoneigung hindeutet. Perspektivisch wird zudem bei sinkenden Bond-Kursen nun schon bei niedrigeren Ständen des S&P 500 ein Bewertungsgleichgewicht zwischen den beiden Anlagealternativen Bonds und Aktien erreicht. (Nicht ausgeschlossen, dass dies auch dazu verleitet, auf der Suche nach höherer Rendite nun wieder die jahrelang verprügelten Rohstoffe als weitere Anlagealternative verstärkt ins Visier zu nehmen.)

 

Die Bond-Märkte legen damit insgesamt nahe, dass Aktien künftig generell mit stärkerem Gegenwind zu kämpfen haben. Allerdings sind hier noch keine wirklich kritischen Zustände erreicht.

 

Und damit das Resümee dieser dreiteiligen Artikelserie: Aus der makroökonomischen Perspektive ergeben sich gegenwärtig keine Anzeichen auf eine unmittelbar bevorstehende Rezession in den USA (und damit dann sinkender Unternehmensgewinne). Allerdings zeigen sich in verschiedenen Indikatoren seit Jahresanfang auch in den USA Tempoverluste. China gilt als das derzeit wichtigste Barometer hinsichtlich Wachstum der Weltwirtschaft. Ein nachlassendes Wachstum hier ist zunächst ganz normal, aber die Frage treibt die Beobachter um, wo denn genau die Scheidelinie zwischen Normalisierung und Absturz liegt.

Wenn erstens die Erwartungen hinsichtlich Wachstum der Weltwirtschaft nicht deutlich nach unten revidiert werden und es zweitens, damit zusammenhängend, aber wichtiger, in der Ecke Liquidität und Renditeentwicklung/Risikoneigung zu einer Beruhigung kommt, so besteht eine gute Chance, dass das Kurs-Potenzial bei Aktien ausgeschöpft wird, so wie es hier skizziert wurde.

Abgesehen davon ist angesichts der in diesem ungewöhnlich langen Bull-Run bei den großen Playern aufgehäuften Menge an Aktien die Notwendigkeit groß, die Aktienkurse nochmals “hochzuleiern”, um sich mit möglichst hohen Gewinnen zu verabschieden, bevor die Wachstumsschwäche der Weltwirtschaft nicht länger übersehen werden kann. Wichtiger noch als das: Die Wachstumsschwäche offenbart die Unfähigkeit der Zentralbanken, das per Geldflut zu ändern. Und das verstärkt Zweifel an der Stabilität dieses Fiat-Geld-Systems insgesamt.

 

Artikelserie “Aktien – Bullen tot?”

  • Teil 1: Marktpotenzial nach technischer Lage
  • Teil 2: Makroökonomische Rahmenbedingungen
  • Teil 3: Liquidität und Bondmärkte; Resümee

 

Ergänzung:
Der Präsident von Appaloosa Management und Betreiber eines Hedge-Fonds David Tepper sieht sich nicht so bullisch, wie er sein könnte. Er hat Probleme mit dem Wachstum der Unternehmensgewinne und den erreichten KGV-Bewertungen. Die Gewinnschätzungen für das kommende Jahr dürften zu hoch sein, sagt er. Das Wachstum der Weltwirtschaft schwäche sich ab in einer Zeit in der die Fed bereit zu sein scheint, die Zinsen anzuheben, während die meisten anderen Zentralbanken für geldpolitische Erleichterungen sorgen. Aus all diesen Gründen kann er sich nicht selbst als kurzfristigen Bullen sehen.
Tepper hatte im September 2010 in einer TV-Sendung gesagt, das QE-Programm der Fed garantiere förmlich Stärke bei Aktien.

 

Der legendäre Markttechniker und Markt-Historiker Ralph Acampora von Altaira Investments sieht mit Blick auf den gegenwärtigen Zustand der US-Aktienmärkte ein Tief erreicht. Sie sollten nun eine sehr temperamentvolle Rally vor sich haben, die den S&P 500 bis auf 2040 bis 2060 führen dürfte. Danach erwartet er gegen Ende Oktober jedoch ein Retest der jüngsten Tiefs. Ein solcher Test sei aber nötig, das Tief sollte halten.
Klassischerweise sind die Gruppen und Sektoren, die im Selloff am wenigsten verloren haben, die kommenden Anführer. Rotation von einem in den anderen Sektor sei die Lebensader jedes langfristigen Bull-Marktes. Für Langzeit-Investoren könnte jetzt die Zeit für Bluechips mit guter Dividendenrendite gekommen sein.
Acampora sieht sich als “secular bull”, einen neuen Bär-Markt sieht er nicht heraufziehen.
 

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