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Sechs Merkmale einer überschuldeten Wirtschaft

Über mehr als zweitausend Jahre Wirtschaftsgeschichte hat sich klar gezeigt, dass Überschuldung und zurückgehende wirtschaftliche Aktivität in einem engen Zusammenhang stehen. David Hume hatte schon 1752 die Schuldenprobleme Mesopotamiens und Roms und ihre Auswirkungen zutreffend beschrieben.

Das McKinsey Global Institute (MGI) hat in einer Studie zwischen 1920 und 2010 32 Fälle von extremer Überschuldung identifiziert, 24 davon waren in der jeweiligen Zeit entwickelte Volkswirtschaften. Diese Länder waren im Einzelnen sehr unterschiedlich, aber in einem waren sie alle gleich: Ein hoher Verschuldungsgrad lähmte zunehmend ihre wirtschaftlichen Aktivitäten. Die USA haben vier Phasen übergroßer Schulden erlebt – von 1830 bis 1840, von 1860 bis 1870, von 1920 bis 1930 und seit Mitte der 1990er Jahre, heißt es im jüngsten Quartalsbericht von Hoisington Investment.

Bei einem hohen Schuldenstand schälen sich trotz aller Unterschiede sechs gemeinsame Merkmale heraus, die sich auch heutzutage in den USA, der Eurozone und Japan ausprägen:
1. Kurzzeitige Aufschwünge in Wirtschaftswachstum, Inflation und Renditen sind nicht nachhaltig, ökonomische Aktivitäten werden ausbremst.
2. Wegen schwacher Gesamtnachfrage sind diese Volkswirtschaften auch ohne die typischen zyklischen Belastungsfaktoren einem strukturellen Abschwung ausgesetzt.
3. Die Abnahme der Produktivität wirkt nicht inflationär.
4. Die Geldpolitik ist ineffektiv, wenn nicht sogar kontraproduktiv.
5. Die Inflationsrate fällt, das Risiko von Deflation steigt.
6. Die Renditen von Staatsanleihen fallen auf extrem tiefes Niveau.

Zu 1.: Das nominale US-BIP, der verlässlichste aller Wirtschaftsindikatoren, zeigte auch für die zurückliegenden Quartale keine wirkliche Belebung. Mit zuletzt 3,7% erreichte der Zuwachs kaum den Einstiegspunkt aller Rezessionen seit 1948.

 

 

Die nominale BIP-Entwicklung kann in zwei Teile zerlegt werden. Das reale BIP misst Veränderungen der Gütermenge, der implizite Preis-Deflator misst Preisänderungen. Dessen jährliche Änderung hat sich nach 2008 zwar zeitweilig beschleuningt, aber selbst der Peak blieb unter den zyklischen Hochs aller Expansionen seit 1930.

 

 

In den zurückliegenden 15 Jahren ist das reale pro-Kopf-BIP nur um jährlich ein Prozent angewachsen. Davon wurde in der Zeit seit 1940 im Mittel 2,5% erreicht. Der Grund für die zuletzt schwache Entwicklung liegt in der Überschuldung, wie zahlreiche Studien gezeigt haben. Als Schwelle für die Gesamtverschuldung wird grob 275% des BIP angesetzt, diese wurde in den späten 1990er Jahren überschritten.
Auch in dieser Phase langsamen Wachstums und niedriger Inflation gabe es Perioden mit deutlichen Anstiegen bei den langfristigen Zinsen von Staatsanleihen. Das wird mit zeitweilig wirksamen psychologischen Faktoren in Zusammenhang gebracht. Auf Dauer war die Wirtschaft aber zu schwach, um höheren Zinsen widerstehen zu können und so gehen die Zinsen im übergeordneten Kontext immer weiter zurück. Lagen sie 1990 noch bei 8,5%, so notieren sie jetzt nahe 2,5%.

 

Zu 2.: Vielfach wird angenommen, Volkswirtschaften könnten nur kontrahieren, wenn es zu zyklischem Druck, etwa von Seiten steigender Zinsen oder Preise, fiskalischer Friktionen, zu hoher Lagerbestände oder Über-Investitionen kommt. Das stimmt allerdings nur für den Fall normaler Verschuldungsgrade. Große Teile Europas kontrahierten in 2014 zum dritten Mal in den zurückliegenden vier Jahren, die japanische Wirtschaft kontrahierte in den zurückliegende 20 Jahren niedriger Zinsen einige Male, so dass sich das nominale BIP in Japan in dieser Zeit kaum von der Stelle bewegt hat. In allen Fällen gab es keinen zyklischen Auslöser.

 

Auch wenn das Bild in den USA weniger trist ist: Die Inflationsrate (jährliche Änderung des Consumer Price Index (CPI)) hat nach 2008 zwar versucht, nach oben auszubrechen und erreichte im Herbst 2011 nahezu 4%, doch seitdem geht es bergab. Aktuell liegt sie bei Null. In einer von zyklischen Faktoren getriebenen Wirtschaft wäre die Teuerungsrate nicht so gedrückt wie momentan.

 

Zu 3.: Wenn die Schuldenpegel überhöht sind, führt sinkende Produktivität nicht zu einer beschleunigten Inflation (so wie steigende Produktivität cet. par. zu Druck auf die Preise führt). Die Produktivität wird von zahlreichen zyklischen und strukturellen Faktoren beeinflusst. Sie sinkt in Rezessionen, besonders stark dann, wenn die wirtschaftliche Kontrajtion besonders heftig ausfällt. Die US-amerikanische “nonfarm business productivity” ist seit Beginn der Datenreihe 1952 um durchschnittlich 2,5% pro Jahr gestiegen, sie stieg in Aufschwüngen über diese Schwelle und notierte in Abschwüngen darunter. In den zurückliegenden vier Jahren hat sich der Wert abgesehen von der schweren Rezession Anfang der 1980er Jahre zum tiefsten Niveau seit 1952 hin bewegt.

 

 

Zu 4.: Die Geldpolitik beeinflusst die Gesamtwirtschaft über Preis- und Mengen-Effekte. Heutzutage scheiden Preis-Effekte weitgehen aus – die Leitzinsen sind bereits nahe Null. Über QE-Maßnahmen und den daraus folgenden Druck auf die Zinsen wurde versucht, die überschuldete Wirtschaft durch noch mehr Schulden zu stimulieren, was den Verschuldungsgrad nur weiter gesteigert hat.
Auch Mengen-Effekte funktionieren bei zu hoher Verschuldung nicht mehr. Zentralbanken können dann zwar die monetäre Basis immer weiter ausdehnen, aber das hat nur noch wenig Wirkung auf die Entwicklung der Geldmenge. Gleichzeitig sinkt die Umlaufgewindigkeit des Geldes, wenn es zu viele unproduktive Schulden gibt. Das war in den 1920er Jahren zu sehen, danach wieder ab 1997 und das geht bis heute so weiter.

 

 

Wenn auch die “traditionellen” Transmissionsmechanismen der Geldpolitik an Wirkung verlieren, so kann sie doch eingesetzt werden, um die eigene Währung abzuwerten und damit zeitweilig Wettbewerbsvorteile herauszuschlagen. Siehe dazu weiter unten!

 

Zu 5.: Extreme Schuldenstände steigern das Risiko einer Deflation. In einer auf Papiergeld und damit in steigendem Umfang auf Verschuldung basierenden Wirtschaft besteht normalerweise eine Tendenz zu Inflation, die die Schuldner entlastet. Deflation führt umgekehrt zu einer Belastung der Schuldner, sie transferiert Einkommen und Vermögen von den Schuldnern zu den Kreditgebern. Ein Deflationsrisiko besteht gegenwärtig in den USA und anderen wichtigen Volkswirtschaften der Erde. Mit Inflationsraten nahe Null in den USA und in der Eurozone würde schon eine milde Rezession rasch dazu führen, dass die Inflationsrate unter Null und damit in Deflation rutscht.

 

Zu 6.: In überschuldeten Volkswirtschaften können die Zinsen für Staatsanleihen für lange Zeit auf außergewöhnlich tiefe Pegel sinken. Die Inflationserwartungen mögen sich vielleicht nur langsam an die Realität anpassen, aber alle historische Erfahrung zeigt, dass daran kein Weg vorbeiführt.

 

Die umgestellte Fisher-Gleichung zeigt, dass die reale Rendite gleich der nominalen Rendite minus der (erwarteten) Inflation ist. In einer deflationären Situation rechnet der Bond-Anleger damit, dass sich seine Geldanlage nicht nur verzinst, sondern die Rückzahlung des Nennbetrags mit zwischenzeitlich gestiegener Kaufkraft erfolgt. Das könnte sich als gutes Geschäft erweisen, weil das die Aktienkursentwicklung wesentlich bestimmende Wachstum der Unternehmensgewinne in Deflation problematisch wird. Unternehmen müssen dann nämlich ihre Ausgaben schneller stutzen als die Preise fallen. Zudem haben sie wenig Erfahrungen mit einem solchen Umfeld, deflationären Phasen wurde ja stets entgegengesteuert, so dass sie bisher recht selten und vergleichsweise kurz waren.

 

Über die sechs genannten, für eine überschuldete Wirtschaft charaktistischen Punkte hinaus, gibt es heute weitere belastende Umstände. So wird kein Land in der Lage sein, als Wachstumslokomotive zu fungieren, wenn sich alle größeren Volkswirtschaften in derselben Situation sehen. Auch China, auf dem lange große Hoffnungen ruhten, ist diesem „Club“ mittlerweile beigetreten. Die Situation heute entspricht der in den 1920er und 1930er Jahren.

 

Währungsabwertungen sind in solchen Situationen ein gerne benutztes Mittel, weil die Geldpolitik ineffektiv ist. Zeitweilig kann das dem entsprechenden Land Vorteile verschaffen, aber der positive Effekt ist kurzlebig (wie z.B. aktuell im Japan der Abenomics zu beobachten) und destabilisiert die Bedingungen in anderen Ländern. Das führt dann zu entsprechenden Gegenmaßnahmen in den betroffenen Ländern, von Abwertung der eigenen Währung bis hin zu Handelsrestriktionen. Am Ende finden sich alle in der gleichen verschlechterten Situation wider.

 

Historisch konnten entwickelte Volkswirtschaften ihre Überschuldung nur dadurch überwinden, dass die Sparquote über zahlreiche Jahre anstieg oder durch eigen-initiierte oder von außen aufgewungene Austerität.

 

[Mit Material aus "Quarterly Review and Outlook, First Quarter 2015" von Hoisington Investment Management]

 

Der Start von realwirtschaftlich dauerhaft bestenfalls wirkungslosen QE-Maßnahmen durch die EZB und die Lockerung der Austeritätsmaßnahmen durch das Brüsseler Politbüro lässt die Eurozone mit den USA und Japan gleich ziehen.

Die Zentralbanken leisten mit ihren zentralplanerischen Aktivitäten ganze Arbeit bei der Verzerrung der makroökonomischen Bedingungen. Sie setzen volkswirtschaftliche Zusammenhänge zeitweilig außer Kraft und zwingen damit Anleger, sich in ihrem Anlageverhalten “in unbekanntem Gelände” immer mehr (sklavisch) an deren Politik zu orientieren. Bis zu dem Tag, an dem sich zeigt, dass auch die Zentralbanken nicht länger nach Belieben manipulieren können…

 

 

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