Kürzlich hat Fed-Chefin Yellen verkündet, die US-Wirtschaft sei nun auf einem soliden Wachstumspfad. Das sollte zu denken geben. Denn auch Vorgänger von ihr haben insbesondere immer dann das goldene Zeitalter ausgerufen, wenn der Konjunkturzyklus ein Topp markiert hat. Im Gedächtnis ist noch Bernanke, Vorgänger von Yellen, der sich zum Jahreswechsel 2006/2007 ähnlich geäußert hatte. Im Sommer 2006 hatte der CSXR-Hauspreisindex sein Topp markiert, aber Bernanke glaubte öffentlich, dass die Immobilienpreise noch lange weiter steigen würden.
Yellen hat den Arbeitsmarkt im Fokus. Die Arbeitslosenquote von 5,7% im Januar (nach 5,6% im Dezember) dient ihr als Beleg dafür, dass die US-Wirtschaft auf einem guten Weg ist. Zahlreiche Notenbanken auf der Welt haben in diesem Jahr schon Leitzinsen gesenkt, zuletzt die kanadische und die australische. Die EZB hat ein QE-Programm aufgelegt, die Zinsen sind schon bei Null. Üblicherweise geschieht das alles nicht, wenn die Wirtschaft brummt. Dass sich die USA von einem schwachen weltweiten Umfeld werden abkoppeln können, ist mehr als unwahrscheinlich.
Was die Arbeitslosenquote angeht, so hat Gallup-Chef Jim Clifton die als eine große Lüge bezeichnet. Die New York Post nannte daraufhin Yellen umgehend eine Lügnerin, die ihres Amtes enthoben werden müsste. Aber sie befindet sich in guter Gesellschaft, schreibt Clifton: Die Medien lieben die Geschichte vom Comeback der US-Wirtschaft, das Weiße Haus will Punkte sammeln für die Geschichtsbücher und Wall Street möchte den einfachen Aktienanleger im Markt halten – schließlich gilt es, noch eine Menge Material abzugeben, vornehm „Distribution“ genannt.
Die Gründe, warum die Arbeitslosenquote viel zu niedrig ist, liegen auf der Hand. Wer in den zurückliegenden vier Wochen offiziell nicht nach Arbeit gesucht hat, gilt nicht mehr als arbeitslos. Auch wer nur eine Stunde in der Woche arbeitet und dabei einen Mindestbetrag verdient, wird nicht als arbeitslos gezählt. Das gilt insgesamt für alle, die nur Teilzeit arbeiten können, obwohl sie Vollzeit arbeiten wollen. Usw. – siehe den Artikel von Clifton!
Mal abgesehen davon, dass neue Jobs v.a. im Niedriglohnsektor entstehen, wie hier schon mehrfach dargestellt – 30 Millionen Amerikaner sind entweder arbeitslos oder gravierend unterbeschäftigt, schreibt Clifton. Sie feiern die niedrige Arbeitslosenquote sicher genauso wie in den “Roaring Twenties”, als es hieß: „Ain’t We Got Fun“. Ein guter Job ist wichtig für das eigene Selbstwertgefühl, er bestimmt, wo man in der Gesellschaft steht.
Nicht nur die Arbeitslosenquote ist “geschönt”. Auch an der offiziell gemeldeten Entwicklung der Arbeitsplätze gibt es Zweifel. Denn: Zuletzt sind jährlich 400.000 Firmen neu entstanden, aber 470.000 verschwunden. Dies ist neu – zuvor waren stets mehr Firmen neu entstanden als kaputt gegangen sind. Auch das untermauert, dass die Beschäftigung nach offizieller Statistik des BLS signifikant bessere Zahlen ausweist als der Realität entspricht. Lance Roberts hat ausgerechnet, dass die Zahl neuer Jobs in den zurückliegenden sechs Jahren um jährlich mehr als 600.000 zu hoch ausgewiesen wurde. Der folgende Chart zeigt den Zusammenhang.
Betrachtet man man diejenigen Amerikaner zwischen 16 und 54 Jahren, die einen Job haben, so zeigt sich ein wesentlicher Teil der Misere auf dem US-Arbeitsmarkt. Ihr Anteil an der entsprechenden Bevölkerungsgruppe liegt gegenwärtig bei 46%, 2000 kam er noch auf über 56%. Aktuell liegt er so niedrig wie seit 1976 nicht. Und es ist vor allem die Mittelklasse, die unter die Räder kommt.
Selbst wenn man die Zahlen über die Entwicklung neuer Jobs so nimmt, wie sie gemeldet werden, zeigt sich deutlich, wie stark sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt eingetrübt hat (siehe den folgenden Chart!). Der langfristige Trend vor 2008 (rot) wurde bereits im Herbst 2002 nach unten gebrochen. Es gelang zwar gerade noch, bis zum Sommer 2006 die Steigerungen (blau gestrichelte Linien) beim Job-Aufbau innerhalb eines Konjunkturzyklus zu halten, wie sie vor 2000 üblich waren. Aber nach 2008 blieb die Entwicklung dauerhaft darunter. Vor 2000 war in der Spitze ein jährlicher Job-Zuwachs von bis zu 3,5% festzustellen, nach 2000 war der Wert aber bei 2% gedeckelt. Erst mit den jüngsten Zahlen wird 2,3% erreicht – ich vermute, das ist ein Strohfeuer ohne nachhaltigen Bestand. Wie gesagt, die Zahlen sind unkorrigiert, müssten aber, um der Realität näher zu kommen, um die Faktoren wie oben von Roberts beschrieben, korrigiert werden. Dadurch würde das Bild noch deutlich schlechter ausfallen.
Man kann weitere Makroindikatoren hinzunehmen – es zeigt sich überall ein ähnliches Bild: Die Wachstumsdynamik der Realwirtschaft hat seit der Jahrtausendwende deutlich nachgelassen.
Wegen der Zentralbanken-Exzesse hinsichtlich Geldflut werden die Ergebnisse statistischer Analysen und historischer Vergleiche in den zurückliegenden Jahren zunehmend oft ausgehebelt. Trotzdem sei ein Blick auf das schon mehrfach erwähnte Regressions-Gummiband gewagt, um das herum die Aktienkurse oszillieren. Wir betrachten im folgenden Chart den langfristigen Zusammenhang seit 1870. Dargestellt werden die Abweichungen des inflationsbereinigten S&P 500 von seiner langfristigen Regressionsgeraden. Aktuell ergibt sich, dass der Index 91% über seinem “Gummiband” liegt. Nur 2000 wurde mit 147% ein höherer Wert erreicht. Selbst 1929 waren es „lediglich“ 81%. Vor „Lehman“ wurden in der Spitze 86% erreicht. Der Korrekturboden 2009 lag mit –13% weit höher als, das was an bedeutenden Korrekturniveaus in früheren Zeiten erreicht wurde (jeweils mehr als –50%).
Was sollten wir daraus ableiten? Sicher das: Die Entkopplung zwischen Aktienpreisen und der Realwirtschaft nimmt immer krassere Formen an. Und sicher auch das: Die Luft für die Entwicklung der Aktienkurse wird dünn.
By accepting you will be accessing a service provided by a third-party external to https://archiv.report.at/