Die EZB lässt den Leitzins unverändert – damit war im Vorfeld mehrheitlich gerechnet worden. Der Euro reagiert zum Zeitpunkt der Bekanntgabe gestern um 13:45 kaum. Zu Beginn der Pressekonferenz der EZB um 14:30 allerdings beginnt eine Achterbahnfahrt.
Zunächst schnellte die Gemeinschaftswährung gegen Dollar auf nahezu 1,40 hoch, markierte ein Zweieinhalbjahreshoch und sackte anschließend bis auf 1,3850 ab (Chartquelle). Die Schwäche setzt sich heute im frühen Handel fort.
EZB-Chef Draghi bezeichnete den hohen Außenwert des Euro als Risiko, dass die Inflation in nächster Zeit noch weiter nachgeben könnte. Daher werde die EZB die geopolitischen Risiken, aber auch die Entwicklung der Wechselkurse genau beobachten. Damit nährte Draghi Erwartungen, die EZB könnte bei der nächsten Ratssitzung am 5. Juni Maßnahmen zur Lockerung ihrer Geldpolitik ergreifen. Zu diesem Zeitpunkt sind mit der Veröffentlichung der Stabsprojektionen der EZB weitere Informationen hinsichtlich Inflationsentwicklung verfügbar.
Unlängst hatte der neue Ministerpräsident Frankreichs, Valls, die EZB aufgefordert, gegen den aus seiner Sicht zu starken Euro vorzugehen. Die unter Reformdruck stehende französische Regierung erhofft sich durch stärkere Exporte einen Konjunkturschub. Auch die OECD hatte vor einigen Tagen Maßnahmen angemahnt.
Draghi hat solchen Forderungen nach einer gezielten Schwächung des Euro eine Absage erteilt. Sie könnten als Bedrohung für die Unabhängigkeit der Notenbank angesehen werden und die Glaubwürdigkeit der EZB beeinträchtigen, sagte er.
Draghi führte weiter aus: „Der EZB-Rat ist uneingeschränkt bereit, im Kampf gegen eine zu lange Phase niedriger Inflation auch unkonventionelle Instrumente einzusetzen“. Denkbar seien etwa umfangreiche Käufe von Staats- und Unternehmensanleihen. Zudem sollen die Leitzinsen für eine längere Zeit auf dem aktuellen Niveau von 0,25% oder sogar nochmals sinken. Draghi rechnet aber nicht damit, dass die Inflationsrate noch tiefer fällt, sie soll sich bis spätestens Ende 2016 wieder der EZB-Zielmarke von knapp 2% angenähert haben.
Die Aussagen der Notenbanken und die Meinungen in den Finanzmärkten scheinen klar: Demnach nimmt die Fed den Fuß von Gas. Sie reduziert ihre Anleihen-Käufe, sie hat auch schon vage erste Termine in den Raum gestellt, an denen die Zinsen zu steigen beginnen könnten. Die EZB hingegen verkauft ihre Geldpolitik als expansiv und stellt weitere Lockerungen in Aussicht.
In den Bilanzen der Notenbanken sieht das ganz anders aus – genau umgekehrt. Seit Herbst 2012 schrumpft die Bilanz der EZB, während die der Fed immer länger wird.
Des Rätsels Lösung liegt nicht in Unklarheiten der Politik, sondern in der Anwendung verschiedener Instrumente zur Liquiditätsbereitstellung, schreibt Dr. Martin Hüfner von Assenagon.
Die Fed kauft Anleihen und andere Papiere am offenen Markt, die Verkäufer erhalten dafür direkt Geld. Die EZB hingegen gewährt den Geschäftsbanken Kredite. Der große Schub kam in der Eurozone Ende 2011 und im Frühjahr 2012, als insgesamt etwa eine Bill. Euro zusätzlich über zwei LTRO-Aktionen mit einer Laufzeit von drei Jahren ausgeliehen wurden. Seit Herbst 2012 sinkt die Bilanzsumme der EZB, weil Banken v.a. in den Kernländern der Eurozone diese LTRO-Kredite vorzeitig zurückzahlen. Ende Juli 2012 hatte Draghi gesagt, die EZB werde alles tun, um den Euro zu retten und im September wurde das OMT-Programm aufgelegt.
Die Methode der Fed ist die mit der direkteren Wirkung. Ihre Politik richtet sich an alle Wertpapierbesitzer, sie ist nicht darauf angewiesen, dass die Banken ihre Politik mittragen und etwa die zusätzliche Liquidität zur Ausweitung ihrer Kredittätigkeit nutzen. Allerdings wirkt auch die Rückabwicklung einer solchen QE-Politik direkter, wenn sie also die Papiere in ihrer Bilanz wieder verkauft. Wann das beginnen wird, darüber schweigt die Fed bis jetzt. Fed-Chefin Yellen sagte gestern bei einer Anhörung im US-Kongress lediglich, dass das mehrere Jahre (etwa fünf?) dauern würde.
Die EZB-Methode wirkt indirekt, sie ist davon abhängig, dass die Banken mitspielen und ihre bessere Liquiditätsausstattung in mehr Kredit für Unternehmen und Konsumenten umsetzen (Transmissionsmechanismen der Geldpolitik). Das haben die Banken jedoch nicht oder nur unzureichend getan, wie sich an der Kreditentwicklung in der Eurozone ablesen lässt. Stattdessen haben v.a. südeuropäische Banken kräftig in heimische Staatsanleihen investiert. Die Rückabwicklung der EZB-Maßnahmen ist einfacher, die EZB braucht die Kredite an die Geschäftsbanken einfach nicht mehr zu verlängern, die Auswirkungen sind ebenfalls indirekter und auch schwerer durch die EZB steuerbar.
Die EZB erwägt nun ein QE-Programm nach US-Vorbild. Sie ist sich aber selbst nicht sicher, ob solche Maßnahmen tatsächlich zu steigender Inflationsrate führen. Die Probleme beim Ausstieg stehen damit einer möglicherweise geringen Effizienz gegenüber.
Von der Liquiditätsausstattung der Finanzmärkte hängt es wesentlich ab, wie sich z.B. die Aktienkurse weiterentwickeln. Der TED-Spread (Differenz zwischen dem Dreimonats-Libor und der Rendite für 13-wöchige US-TBills (IRX)) zeigt Liquiditätsbewegungen. Mit zunehmender Liquidität der Banken steigt das Angebot am Geldmarkt, der Spread sinkt. Der große Liquiditätsschub startete zum Jahreswechsel 2011/2012, als der TED-Spread deutlich zu sinken begann. Sein aktuelles Niveau liegt etwa so wie Anfang 2013.
Ein Rückgang der Liquidität führt umgekehrt zu einem steigenden Spread; wenn Banken der weiteren Entwicklung im Bankensystem misstrauen, verkaufen sie Assets und schichten in TBills (“Parkplatz”) um. In der Regel steigt der TED Spread auch bei einer Zunahme der Inflation, umgekehrt sinkt er mit nachlassendem Preisauftrieb.
Nach TED-Spread (siehe rote interpolierende Geradenstücke) geht die Liquiditätsvermehrung aktuell noch mit geringer Dynamik weiter. Hier spiegelt sich die weiterhin expansive Geldpolitik der Fed wider. Ein Teil dieser zusätzlichen Liquidität suchte bislang Anlage im Euroraum, das bewirkte u.a. den Aufwertungsdruck auf die Gemeinschaftswährung.
Zurück zum Euro: Beobachter erwarten nach einer Reuters-Umfrage mehrheitlich, dass sich die EZB ab 1,42 gegen Dollar zum Handeln veranlasst sieht (der Pegel ist im langfristigen Chart-Bild (siehe unten) “nicht unplausibel”). Die Gemeinschaftswährung ist zuletzt über eine langfristige Abwärtslinie ausgebrochen, bewegt sich aber in einem aufwärts gerichteten Keil. Wird diese Formation “regelgerecht” abgearbeitet, dürfte Euro gegen Dollar zumindest zunächst eher noch schwächer tendieren und die Ausbruchslinie aus Mitte 2008 (“grün”) erneut testen.
Vermutlich ist eine langfristige Entscheidung immer noch nicht gefallen.
Harvard-Professor Martin Feldstein schrieb in der zurückliegenden Woche, die meisten Probleme der Eurozone ließen sich „ganz einfach“ mit einer Abwertung der Gemeinschaftswährung um 15% lösen. Dadurch würden Inflationsrate und Exporte steigen. Und wenn die Eurozone auf diese Art und Weise mehr Wachstum produziert, würden auch die Importe zulegen, und das würde z.B. der US-Wirtschaft nutzen. Die EZB soll demzufolge also am Devisenmarkt intervenieren, d.h. Euro verkaufen, andere Währungen kaufen. Es ist immer wieder frappierend zu sehen, wie mit einem Achselzucken empfohlen wird, massiv in Märkte einzugreifen, ohne sich über die Konsequenzen Gedanken zu machen. Wenn es ein anderes Mal passt, wird von denselben “Ratgebern” die Ideologie der “freien Märkte” hoch gehalten.
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