»Der Arbeitsmarkt ist leer«
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Klaus Lercher, Geschäftsführer der Trenkwalder Personaldienste, im Interview.
Er spricht über seinen Karrierestart als Zeitarbeiter, das Tor zum Osten und neue Standbeine.
(+) plus: Im Mai 2011 wurde der österreichische Arbeitsmarkt für die osteuropäischen EU-Staaten geöffnet. Wie sieht Ihre Bilanz heute aus?
Klaus Lercher: Vor der Öffnung hatte man Angst vor dem großen »Run«. Aber es ist genau das Gegenteil passiert: Es ist sehr schwierig, Mitarbeiter zu bekommen. Wenn man sich an die Kollektivverträge und Richtlinien hält, ist ein Mitarbeiter aus dem Osten teurer als einer aus Österreich. Es kommen Zulagen und die Nächtigung dazu, auch die sprachliche Barriere ist nicht zu unterschätzen. Nicht alle Firmen sind bereit, diese Zusatzkosten zu tragen. Natürlich haben wir aber Kunden, die im Umkreis von 50 Kilometern kaum noch Personal finden, weil der Markt leer ist. In der Region Scheibbs, wo die Arbeitslosenquote bei 2,5 bis 3 % liegt, können wir Stellen in Produktionsbetrieben nur mit Hilfskräften aus dem Osten besetzen. Wir stellen Quartiere zur Verfügung und mieten teilweise ganze Häuser dafür an. Wir haben auch Techniker aus der Slowakei und Ungarn im Einsatz, vor allem Kunststofftechniker sind in Österreich nicht verfügbar.
(+) plus: Österreich hat die Öffnung so lange wie möglich hinausgezögert. Sind die besser qualifizierten Arbeitskräfte schon in andere Länder ausgewandert?
Lercher: Spitzenfacharbeiter hat man auf Antrag auch schon früher hereinholen können. Das war aber auch nicht der Mega-Run. Der Entschluss wegzugehen, ist nicht so leicht. Vor einigen Jahren haben wir Leute aus Ostdeutschland zu uns geholt. Das hat lang gedauert, bis wir die überzeugen konnten. Wir haben sogar Kurzvideos über Österreich gedreht und auf Jobmessen gezeigt. Genauso läuft es jetzt mit dem Osten: Es ist ja nicht so, dass man eine Tür aufmacht und alle stürmen herein. Wir betreuen die neuen Mitarbeiter von Beginn an – bringen sie ins Quartier, zeigen ihnen die Ortschaft und stellen sie in der Firma vor, um ihnen einen guten Start zu ermöglichen.
(+) plus: In welchen Branchen bzw. Berufen herrscht ein Mangel an Fachkräften?
Lercher: In Österreich ist es innerhalb von 48 Stunden möglich, einen Facharbeiter unterzubringen. Egal ob Schlosser, Schweißer, Tischler, Elektriker – quer durchs Beet. 80 % unserer gesamten Belegschaft in Österreich werden nach dem Arbeiterkollektivvertrag entlohnt, 20 % sind dem Angestelltenbereich zuzurechnen. Dieser Anteil ist steigend, weil inzwischen beispielsweise auch Assistentinnen in der Babypause über Zeitarbeit ersetzt werden. Früher wäre das undenkbar gewesen – Zeitarbeiter auf der Baustelle ja, aber im Büro nicht. Da hat sich ein Wandel vollzogen.
(+) plus: Zeitarbeiter sind in Österreich rechtlich gut abgesichert. Warum lässt das Image dennoch zu wünschen übrig?
Lercher: Die Absicherung ist in Europa eine der besten. Speziell in der Industrie ist ein Zeitarbeiter aufgrund der Referenzzuschläge ab dem ersten Tag teilweise besser gestellt als ein fix Beschäftigter. Der Haken dabei: Eigentlich wollte die Gewerkschaft, dass die Mitarbeiter ins Stammpersonal übernommen werden können. Nur wer lässt sich gerne übernehmen, wenn er dann weniger verdient? Pro Jahr werden im Schnitt rund 25 % der Zeitarbeiter übernommen: im Facharbeiterbereich nach einer Beschäftigungsdauer von etwa einem Jahr, Hilfsarbeiter meist nach sechs Monaten.
Wir bemühen uns sehr um ein positives Image, aber bei den ersten Anzeichen einer Wirtschaftskrise steht in den Zeitungen immer ganz plakativ »Tausende Zeitarbeiter werden arbeitslos». Und wenn man‘s ganz böse meint, sagt man Leiharbeiter. Recht schnell hat man eine Branche gefunden, auf die man hinhauen kann. Dabei ist das ja das Businessmodell: Flexibilisierung nach oben und nach unten, das macht uns im internationalen Vergleich konkurrenzfähig. In Ländern, in denen Zeitarbeit gut funktioniert, ist die Beschäftigungsrate sehr hoch.
(+) plus: Welche Maßnahmen haben Sie gesetzt?
Lercher: Wir beschäftigen drei Juristinnen im Haus und haben unser EDV-System angepasst, damit jeder Zeitarbeiter immer korrekt und fair entlohnt wird. Das ist eine eigene Wissenschaft: 350 verschiedene Kollektivverträge müssen berücksichtigt werden, außerdem das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz sowie das Günstigkeitsprinzip, ein typisch österreichisches Konstrukt, das vorsieht, dass wir überall, wo ein fixer Mitarbeiter besser gestellt ist, die Rosinen rauspicken müssen. Momentan liegen wir bei Rückzahlungen aufgrund von Interventionen der Arbeiterkammer bei einer Fehlerquote von einem Promille.
(+) plus: Warum gibt es noch immer schwarze Schafe in der Branche?
Lercher: Wir sind ein Vorreiter der Branche. Mir ist die Ausbildung für das interne Personal sehr wichtig. Denn je besser die Leute qualifiziert sind, desto höhere Qualitätsansprüche kann ich vertreten. Wir haben eine eigene Trenkwalder-Akademie, die mit einer Diplomprüfung abschließt. Es gibt inzwischen einen eigenen Lehrberuf für die Branche und an der Donauuniversität Krems eine akademische Ausbildung für Personaldienstleister. Damit ist gewährleistet, dass es einheitliche Qualitätsstandards in der Personaldienstleistungsbranche gibt.
(+) plus: Sie haben bei Trenkwalder selbst als Zeitarbeiter begonnen. Ein typischer Karriereverlauf ist das aber wohl nicht?
Lercher: Ich habe eine Doppellehre Spengler-Installateur absolviert und bald danach den Bau einer Kirche in Graz, die vom Künstler Ernst Fuchs gestaltet wurde, koordiniert. Mit 24 war ich in diesem Beruf praktisch am Höhepunkt angelangt. Ich bin dann in den Vertrieb von Finanzdienstleistungen umgeschwenkt und habe in mehreren Bundesländern Niederlassungen aufgebaut. Irgendwann hat mich das nicht mehr interessiert. Zur Überbrückung habe ich wieder ein paar Großbaustellen übernommen und bin so zu Trenkwalder gekommen. Die wollten in Amstetten gerade eine Filiale eröffnen – es gab nicht einmal Tische dort, eigentlich habe ich bei Null begonnen. Dann übernahm ich die Gebietsleitung für Niederösterreich, 2007 bin ich schon in die Geschäftsleitung für Österreich gekommen. Damals hatte das Unternehmen erst einige hundert Mitarbeiter. Ich hatte sehr viel Freiraum und konnte viel ausprobieren. Diesen Pioniergeist haben wir uns in gewisser Weise bis heute erhalten.
(+) plus: Seit August 2011 ist die Droege-Gruppe neuer Eigentümer von Trenkwalder. Was hat sich im Konzern dadurch geändert?
Lercher: Wir waren ein klassisches Familienunternehmen, das rasch zu einem Konzern herangewachsen ist. Aber nicht alle Strukturen sind so professionell mitgewachsen, wie es gehört. Droege zieht das jetzt nach: Alles läuft straffer, organisierter, die Prozesse sind definiert und dokumentiert. Früher ging man zum Herrn Trenkwalder und erzählte ihm von einer Idee. Wer gut mit dem Senior konnte, hat mehr Sachen durchgebracht, andere weniger. Das war als Führungskraft manchmal schwierig, weil jeder seinen eigenen Weg gesucht hat. Jetzt gibt es klare Organigramme und eine Kommunikationsstruktur, die einzuhalten ist. Das erleichtert auch meinen Arbeitsalltag wesentlich.
(+) plus: Planen Sie Ihr Produktportfolio zu erweitern?
Lercher: Vor einigen Jahren noch war Trenkwalder stark am Bausektor vertreten, das ist heute nur noch eine Randerscheinung. Auch im Hilfsarbeiterbereich sind wir in der untersten Lohngruppe kaum noch präsent, sondern eher in den höher qualifizierten Bereichen. Über 50 % aller Trenkwalder-Mitarbeiter sind Facharbeiter. Das hat uns auch die Krise gelehrt: Zurückgestellt wurden in den meisten Fällen ungelernte Hilfsarbeiter. Facharbeiter findet man schwer, deshalb haben die Unternehmen sie behalten. Wir beliefern pro Jahr ca. 3.650 Kunden. Wenn ich heute einen Tischler zurückbekomme, ist der nach zwei bis drei Telefonaten wieder platziert.
Der Angestelltenbereich war in der Krise kaum betroffen. Mit über 2.000 Angestellten sind wir auch Marktführer im Angestelltenbereich. Wir sind sehr gut aufgestellt und wollen jetzt noch stärker in Richtung Beratung und Coaching gehen. Dazu haben wir ein neues Produkt entwickelt, das anhand bestimmter Parameter die Kompetenzen eines Bewerbers auslotet und die Stellen zielgenau besetzt. Dieses Instrument kann auch für die Personalentwicklung eingesetzt werden, beispielsweise lassen sich Schulungsmaßnahmen darauf abstimmen. Die ersten Projekte laufen bereits sehr viel versprechend.
(+) plus: Die Konjunkturprognosen sind recht verhalten. Was heißt das für die Zeitarbeitsbranche?
Lercher: Unsere Prognosen sind ebenso verhalten. Trenkwalder steht sehr stabil da. Unsere Außendienstmitarbeiter sind täglich mit den Firmen in Kontakt und merken keine Anzeichen für eine bevorstehende Krise. 2009 war das schon anders. Unser Ziel für nächstes Jahr lautet: gleiche Performance wie heuer. Zusätzliches Wachstum werden die neuen Produkte bringen, da steht uns ein großer Markt offen.