Anleihen unter Druck
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Von Heinz Van Saanen
Spritpreisalarm! Das gibt Schlagzeilen, wie der Boulevard sie liebt. Da wird mitgefiebert, ober der Benzinpreis an den Zapfsäulen über 1,50 steigt oder nicht. Die Entwicklung treibt aber nicht nur den Autofahrern Schweißperlen ins Gesicht. Teures Erdöl ist der Hauptpreistreiber schlechthin. Noch mehr als die Autofahrer fiebern die Aktien- und Rohstoffbörsen mit. Das Rauf und Runter der Kurse mutet an wie die Fahrt auf einer Hochschaubahn. Investoren, die diesen Kick und die Volatilität nicht brauchen können, sind über Jahrzehnte mit Staatsanleihen ganz gut gefahren. Die Renditen waren zwar moderat, aber ebenso das Risiko. Zumindest wenn man nicht mit Treasuries aus Failed-States wie Zimbabwe oder Somalia gegambelte. Aber das tun klassische und auf Sicherheit bedachte institutionelle Investoren wie Pensionsfonds ohnehin nicht. Richtig glücklich wurden vorsichtige Investoren mit ihren Staatsanleihen zuletzt aber auch nicht mehr. Die Zäsur lässt sich zeitlich an der Bankenkrise und der darauf folgenden explosiven Zunahme der Staatsverschuldungen festmachen. Richtig üppig waren die Renditen für Treasuries ohnehin nie. Punktgenau mit der Lehman-Pleite setzten sie aber zu einem historischen Tiefflug an. Die Gründe dafür sind leicht paradox. Hauptauslöser für die Bankenkrise war die Politik des billigen Geldes.
Eine imaginäre Wachstumsgeige, auf der vor allem die US-Notenbank FED virtuos gespielt hat. Nach dem Banken-Crash war das Rezept »more of the same«. Zur Vermeidung eines totalen Kollaps wurde noch mehr billiges Geld in die Finanzmärkte gepumpt. Das erinnert ein bisschen an einen Junkie, der sich eine immer höhere Dosis Heroin spritzten muss, um happy zu bleiben. De facto wurde damit nicht nur eine Nullzinspolitik eingeläutet, die kaum mehr Spielräume nach unten eröffnet. Eine Flutung der Geldmärkte birgt inhärent immer auch die Gefahr von Inflation. Zugedeckt wurde
diese Entwicklung durch die »Realwirtschaft«, die nach dem Banken-Crash am Boden lag, jetzt aber wieder zusehends brummt. Ein Brummen auf Pump, das jetzt neben dem Erdölpreis die Inflation noch zusätzlich anheizt. Die Renditen für Staatsanleihen sind ohnehin schon traurig (siehe unten). Rechnet man die Inflation heraus, bleibt selbst für potente institutionelle Investoren bald nur mehr ein Nullsummenspiel. Dazu kommt, dass die amtlichen Preissteigerungen nur wenig mit der »gefühlten« zu tun haben, die möglicherweise näher an der Wirklichkeit liegt. Wirtschaftsprofessor Hans Wolfgang Bachinger bezifferte das Verhältnis jüngst gar auf eins zu vier.
Sondereffekte
Dass Erdöl als Preistreiber ausfällt, ist langfristig gesehen eher unwahrscheinlich. »Wir sehen überwiegend Aufwärtsrisiken«, sagt etwa Ronald-Peter Stöferle, Rohstoffexperte der Erste Bank. Selbst die International Energy Agency IEA spricht erstmals offiziell von einem »Peak Oil«, der 2020 erwartet wird. Das klingt ein bisschen nach ferner Zukunft, ist es aber nicht. Staatsanleihen sind traditionell »Langläufer« über fünf bis zehn Jahre. Eingepreist sind solche langfristigen Entwicklungen noch nicht. Aber wie sollten sie auch? Selbst kurzfristige Entwicklungen finden bislang in den Renditen kaum ihren Niederschlag, wenn die Weltmacht USA beteiligt ist. Die Staaten haben mit ihrer lockeren Geldpolitik nicht nur die Finanz- und Wirtschaftskrise maßgeblich ausgelöst, bislang profitieren sie auch noch davon. US-Treasuries wurden auch nach der Krise gekauft wie warme Semmeln. Außer dem Glauben in den Dollar, in die US-Wirtschaft und den indirekten Druck durch die Militärmaschinerie gab es kaum einen echten Grund dafür. Zumindest Dollar und US-Wirtschaft stehen auf tönernen Füßen, und die USA entwickeln sich immer mehr zum bestimmenden Problembären der globalen Wirtschaft (siehe unten). Zwischen den Renditen und dem Risiko von US-Anleihen klafft mittlerweile ein gewaltiges Loch.
Scheinbar so gewaltig, das selbst der US-basierte globale Anleiheinvestor Pimco kürzlich eine kleine Bombe platzen ließ. Die Kalifornier haben sich Ende Februar von ihren US-Anleihen komplett verabschiedet, weil sie laut eigenen Aussagen einen massiven Wertverlust befürchten. Ähnliche Befürchtungen dürften auch die Chinesen umtreiben. Quasi durch die Hintertüre bastelt die Neoweltmacht an einer zumindest partiellen Dollar-Alternative. Offen sagen darf das China freilich nicht. Sonst rauscht der Wert der chinesischen Investments in US-Treasuries noch schneller in den Keller, als allen Beteiligten lieb sein kann. Als ob die Halter und prospektiven Käufer von Staatsanleihen noch nicht genug geschlagen wären, eröffnet die japanische Tsunami- und Atomkatastrophe eine neue Dimension. Nippons Notenbank pumpt derzeit Milliarden in den Geldmarkt, um die Börsenkurse für die heimischen Unternehmen nicht völlig abstürzen zu lassen. Aber was heißt das für Treasury-Investoren? Japans Zinsen sind ohnehin hart am Null-Niveau. Sie werden steigen. Aber wohin und mit welchem Risiko behaftet? Und welche Renditen wird es dafür geben? Das große Zocken ist freilich längst nicht mehr nur auf Aktienmärkte beschränkt. Staatsanleihen mit hohem Risiko – Griechenland etwa –, die durch Schutzschirme gedeckelt wurden, zahlten viel Rendite für wenig Risiko. Schön für Investoren, die diesen Punkt erwischt hatten. Mit freier Marktwirtschaft und gerechter Risikoverteilung hat das freilich wenig zu tun.
>> Die Problembären:
Warum die einflussreichsten Agenturen die USA immer noch mit einem AAA-Rating bewerten, wissen wohl nur mehr diese selbst. Wie wackelig Finanzanalysten den Fortschritt bei der US-Schuldenkonsolidierung einschätzen, zeigt die Grafik oben. Pimco — ein globaler Anleiheninvestor — sah das ähnlich und ließ erst kürzlich eine Bombe platzen. Pimco hat sich von seinen US-Anleihen verabschiedet. Im Vergleich zu den USA, Irland und England macht selbst Italien fast noch eine »bella figura«, obwohl es zu den großen Wackelkandidaten der EU zählt. Ein neues Sorgenkind wird nach den jüngsten Katastrophen Japan sein. Nippon ist die mit Abstand höchst verschuldete Industrienation der Welt. Jetzt pumpt die Notenbank Milliarden in wirtschaftliche Soforthilfe und die Stabilisierung des Yen. Gegenüber den USA hat Japan einen Vorteil: Das Gros ihrer Staatsanleihen halten die Japaner selbst. Bei einem Schuldenstand von 225 Prozent des BIP ist das zwar nicht der Finanzhimmel — aber es eröffnet Spielräume.