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Spannung am Bau

\"DieDie Bauindustrie ist ein Konjunkturmotor und mit etwas Verzögerung ein Indikator für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. In welcher Ampelphase befindet sich dieser Indikator derzeit – grün, orange, rot oder in einer Umschaltphase?

Von Karin Legat.

Wenn Staatshaushalte konsolidiert werden – das findet derzeit europaweit statt –, gibt es Budgetdruck auf allen Ebenen. Bund, Länder, Gemeinden. Wirtschaftsunternehmen mit kurzfris­tiger Auftragslage leiden darunter ebenso wie die Bauindustrie mit ihrem hohen Anteil an öffentlichen Tiefbau-Aufträgen. Diese ist zudem mit einem Branchenmalus behaftet. »Das hat auch damit zu tun, dass Bilanzen von Bauunternehmen schwerer lesbar und interpretierbar sind, zumal sich laufende Projekte noch im Schwebezustand befinden«, erklärt Michael Steibl, Geschäftsführer der Vereinigung industrieller Bauunternehmungen, VIBÖ. Dieser Bewertungsspielraum lässt Banken zögern. »Wir haben das bei den Ratings von Bauunternehmen gemerkt. Bauunternehmen steigen bereits mit einem Malus in den Ring.« Zuletzt haben die zögernde Haltung der Banken und in der Folge schlechte und ausgesetzte Bonitätsbewertungen Alpine Bau schwer unter Druck gesetzt.

Zwei Fronten

Grundsätzlich hat die heimische Bauindustrie mit nationalen und internationalen Herausforderungen im Hoch- und Tiefbau zu kämpfen. Die Finanz- und Wirtschaftskrise erschwert die Finanzierbarkeit der Infrastrukturprojekte maßgeblich. Das trifft vor allem größere Unternehmen, die sich in den besonders betroffenen Ländern in den letzten Jahren stark engagiert haben.
Am heimischen Markt gibt es Hürden im Tiefbau, der von der öffentlichen Hand dominiert ist. »Zunächst haben wir hier Impulse durch Konjunkturpakete gespürt, durch den nunmehrigen Paradigmenwechsel weg von Konjunkturbelebung hin zu Einsparungen und Budgetsanierung sinkt die Auftragszahl im Tiefbau jedoch drastisch«, stellt Michael Steibl fest. Im Gegensatz zum Hochbau gibt es in diesem Bereich keine Kompensation durch Private, Tunnel und Straßen bleiben öffentlich. Besonders von den rückläufigen öffentlichen Investitionen betroffen ist hier unter anderem die tiefbaulastige Habau Unternehmensgruppe. »Der private Bereich hat speziell im Hochbau jedoch einen Ausgleich geschaffen«, berichtet Karl Steinmayr, kaufmännischer Geschäftsführer bei Habau. Bekannt ist diese Taktik, auf mehrere Bereiche gleichzeitig zu setzen, auch unter dem von Hans Peter Haselsteiner geprägten Begriff Tausendfüßlerstrategie. Neben der Ausweichstrategie, mit der Unternehmen ihren Heimmarkt erweitern und zwischen auftretenden Konjunkturzyklen wechseln können, bietet sich den Unternehmen auch die Möglichkeit der Anpassungsstrategie. Hier werden keine fixen Organisationseinheiten gebildet, um rasch auf die Entwicklung am Markt reagieren zu können.

Abkühlung nutzen

»Großvolumige Bauprojekte sind mit langen Planungs- und Vorlaufzeiten verbunden«, so Andrea Kunnert, Expertin für Strukturwandel und Regionalentwicklung beim WIFO. »Nach unserer Beobachtung ist die Bauwirtschaft nicht rückläufig, wir stellen nur ein gebremstes Wachstum fest. Im vergangenen Jahr ist die Bauwirtschaft mit 4,4 Prozent deutlich besser gewachsen als die Gesamtwirtschaft mit 2,7 Prozent.« Für 2012 rechnet Kunnert weiter mit einem Wachstum, wenn auch mit 1,1 Prozent etwas verhaltener. 2013 sinkt das Plus auf 0,6 Prozent. »Wenn Budgetkonsolidierung das absolute Prioritätsthema stellt, ist nicht mehr zu erwarten«, so Steibl. Die heimische Bauindustrie rechnet 2013 ebenfalls mit einem flauen Geschäft auf eher niedrigem Niveau. Diese Abkühlung der Konjunktur nutzen einige Bauunternehmen, um an sich Gesundenuntersuchungen vorzunehmen, wie es die Strabag formuliert. »Um auch künftig erfolgreich am Markt zu agieren, ist es wesentlich, den Markt laufend zu analysieren und das Unternehmen vorausschauend darauf auszurichten. Daher haben wir vor kurzem die Task Force Strabag 2013ff gegründet, die die Möglichkeiten zur künftigen organisatorischen und strategischen Aufstellung des Strabag-Konzerns evaluiert«, berichtet CEO Hans Peter Haselsteiner.

Himmelwärts

Im jüngsten WIFO-Konjunkturtest hat die Bauindustrie jedoch eine positive Einschätzung für die nächste Zeit abgegeben. »Die Auftragsbestände entwickeln sich positiv«, berichtet Kunnert. Auch das Bauunternehmen Porr sieht die Situation am Bau positiv. »Der österreichische Baumarkt ist wie auch der deutsche und der Schweizer Markt im Vergleich zur gesamteuropäischen Entwicklung durchwegs stabil. Wir gehen in den kommenden Jahren von leichten Zuwächsen aus, während insgesamt der europäische Baumarkt immer noch schrumpft bzw. stagniert. In Osteuropa geht es Polen und Tschechien deutlich besser als den anderen Märkten. Tief in der Krise stecken etwa Ungarn, die Slowakei, Slowenien und Kroatien«, wertet Porr-Generaldirektor Karl-Heinz Strauss die aktuelle Situation. Die Strabag sieht dagegen eine rückläufige Auftragslage im Vergleich zu den vergangenen Wachstumsjahren, wobei zusätzlich regionale Unterschiede festzustellen sind. Der Hochbau, vielfach von privaten Investoren getragen, die sich antizyklisch und langfristig verhalten und nicht die unmittelbare Situation in den Vordergrund rücken, ist nach den Jahren der Krise wieder im Steigen. Die Investitionen nehmen hier wieder zu. Strauss berichtet von zahlreichen erfolgreichen Akquisitionen im laufenden Jahr, wodurch der Auftragsbestand im dritten Quartal um 17,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden konnte. Alpine Bau blickt nach den finanziellen Turbulenzen des abgelaufenen Jahres wieder mit frischem Mut in die Zukunft. »Die Auftragsbücher für 2013 sind teilweise schon gut gefüllt. Der Rückgang von öffentlichen Aufträgen kann vielfach durch private kompensiert werden«, zeigt sich Unternehmenssprecher Johannes Gfrerer optimistisch.

Not zur Tugend machen

Die langen Projekt- und Planungszeiten, mit denen die Bauindustrie konfrontiert ist, sind ein zweischneidiges Schwert. Sie bieten den Vorteil, dass nicht unmittelbar auf Änderungen in der Konjunktur reagiert werden muss. Sie haben aber auch einen Nachteil: Als Folge der Finanzkrise scheuen Banken langfristige Finanzierungen. »Langfristige Fremdmittel zu erhalten, ist heute ungleich schwieriger, selbst bei Projekten mit guter Rentabilität«, weiß Steibl. UBM-CEO Karl Bier bestätigt die unsichere Finanzierungswelt. »Die Banken zeigen Zurückhaltung. Projekte über 50 Millionen Euro bedürfen wegen der zumeist notwendigen Finanzierung im Konsortium besonders langer Vorbereitung, weil in der Finanzbranche gegenseitiges Misstrauen vorherrscht.« Große Unternehmen nutzen daher verstärkt den Corporate-Bond-Markt. »Anleihenfinanzierungen bilden eine bedeutende Perspektive für die Bauindustrie, wobei die Renditen durchaus unterschiedlich sind und Anleihen im Vergleich zur Kreditfinanzierung nicht immer das billigste Finanzierungsmedium sind«, zeigt Steibl auf. »Aber mit Anleihen bleiben Unternehmen unabhängig.« Zuletzt hat die Alpine mit 5,25 und 6,00 % Papieren auf Corporate Bonds zurückgegriffen, daneben die Strabag mit 4,25 % und 4,75%, Swietelsky mit 4,625 % und Porr mit 6,25 %. Kleinen Entwicklern oder Newcomern ist diese Finanzierungsform laut Karl Bier nur schwer möglich. Durch die Bank sind Bauunternehmen derzeit auf Stabilität bedacht. Gerade in der schwachen Konjunktur gilt es unnötige Risiken zu vermeiden, ist aus der Branche zu hören. »Unsere Kreditpolitik beschränkt sich rein auf kurzfristige Mittel im Rahmen der Vorfinanzierungszeit von Bauaufträgen«, berichtet Karl Steinmayr von Habau, einem Unternehmen mit einer Eigenkapitalquote von 30 Prozent. Auch die Strabag verweist auf ihre hohe Eigenkapitalquote von knapp 30 Prozent. »Damit sind wir sehr solide aufgestellt. Der hohe Polster an freier Liquidität gibt uns einen Wettbewerbsvorteil etwa bei Public-Private-Partnerships«, so Haselsteiner. Auch Porr spricht von einer soliden Finanzlage. Alpine Bau, zuletzt durch hohe Verschuldung ins Visier von Banken und Versicherungen geraten, beschwichtigt mit dem Hinweis auf langjährige Kundenpartnerschaften und den laufenden Restrukturierungsprozess des Unternehmens.

 

> Neue Herausforderungen:

Auf welche Veränderungen sich technische Dienstleister bei der Zusammenarbeit mit der Bauindustrie einstellen müssen, wo die Sichtweisen übereinstimmen und wo Spannungsfelder entstehen – darüber diskutierten auf Einladung des Verband der Ziviltechniker- und Ingenieurbetriebe VZI Porr-Generaldirektor Karl-Heinz Strauss, Strabag-Vorstand Siegfried Wanker und VZI-Vizepräsident Wilhelm Reismann.
Ausgangspunkt der Diskussion war, dass traditionelle Planungsschritte immer weniger den Anforderungen der heutigen Zeit entsprechen. Das klassische Dreieck aus  Auftraggeber, Planer und Ausführenden hat sich zunehmend verändert. Strauss kritisierte, dass die leeren Kassen bei Bund, Ländern und Gemeinden einen hohen Druck beim Ausführenden hinterlassen würden. Dies führe zu mangelnder Glaubwürdigkeit der Planer und den letztendlich leidtragenden Baufirmen, die die Schuld für verpfuschte Projekte ernten. Wanker kritisierte eine fehlende »Kultur des Bestellens«, was dazu führt, dass sich Bauingenieure immer schlechter mit Bauunternehmen verstehen. Dort, wo früher das Wort gegolten hat, sieht man sich heute mit Vertragskonvoluten konfrontiert, die oft kurz vor der Vertragsunterzeichnung noch ergänzt werden, was wiederum nur die Anwälte erfreut. Und auch VZI-Vizepräsident Reismann ortete eine Krise in der Bauorganisation: Zu viele Beteiligte seien zuständig und die Juristen dominieren zunehmend das Geschehen. In der Praxis erlebt Reismann immer häufiger, dass durch schlechte Vorbereitung viele Projekte bereits im Vorfeld zum Scheitern verurteilt sind.
Laut Strauss beginnt die Wurzel des Übels bereits bei der Planung, denn bei der Vergabe sei hauptsächlich nur der Preis entscheidend und nicht etwa die Qualität und die Erfahrung bei ähnlichen Projekten.
Reismann schlug vor, die Öffentlichkeit und vor allem auch die öffentlichen Auftraggeber auf die Situation drastisch aufmerksam zu machen. Ein Weg wäre, aktuelle negative Fallbeispiele öffentlich darzustellen, bzw. über eine Plattform Probleme bei Ausschreibungen aufzuzeigen. Ob das eine VZI-Initiative sein könnte, z.B. in Kooperation mit der VIBÖ, muss noch diskutiert werden.

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