Zukunft Breitband
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Da soll noch einer sagen, die EU sei ein herzloser Moloch. Nein! Sie hilft sogar bei der Resozialisierung gestrauchelter Existenzen. So darf der deutsche Ex-Minister und Ex-Doktor Karl-Theodor zu Guttenberg die EU-Kommissarin Neelie Kroes jetzt als Berater unterstützen. Der Freiherr wirft sich für Internetfreiheit in Bresche. Das ist ungefähr so verquer, als würde Obama einen Taliban zum Sicherheitsbeauftragten Washingtons ernennen. Vielleicht hilft »KTG« aber auch nur beim Umkopieren der diversen IKT-Masterpläne, Agenden und Breitbandoffensiven aus, mit denen sich Brüssel seit gefühlten Ewigkeiten an die Weltspitze beamen will.
Bei den Mühen der Ebene hakt es schon mehr. Erst Ende November gab die Kommission bekannt, dass einheitliche Regeln für Breitband-Universaldienste vorerst nicht zu erwarten sind. Dass man sich in Brüssel nicht auf einen gemeinsamen Nenner einigen konnte, hat gleich eine Reihe von Gründen. Ein allgemein gültiges Muster, nach dem Breitbandmärkte gestrickt sind, lässt sich kaum ausmachen. Bei Penetrations- und Nutzungsraten hinken vor allem Neuzugänge wie die ehemaligen Ostblockstaaten hinterher. Nach Eurostat nützen etwa in Rumänien oder Bulgarien gerade einmal ein Viertel der Haushalte Breitbandverbindungen, in entwickelten Ländern wie Dänemark oder Holland liegt die Rate ziemlich genau dreimal so hoch.
Riesige Unterschiede gibt es auch bei der Geschwindigkeit der Zugänge. So surfen zwar etwa nur vergleichsweise wenige Bulgaren via Breitband, nach Vergleichszahlen des »Communications Committee« dürfen sich die Glücklichen jedoch einem wahren Geschwindigkeitsrausch hingeben, der selbst bei den »schnellen« Finnen, Schweden oder Deutschen Neidgefühle auslösen dürfte. Von der raschen technologischen Entwicklung haben ausgerechnet Länder profitiert, deren Infrastruktur am Boden lag oder überhaupt erst aufgebaut werden musste. Während die alten EU-Staaten noch ihre bestehenden Kupfernetze ins DSL-Zeitalter hievten, wurde auf den »grünen Wiesen« im Osten gleich Glasfaser vergraben. Und schlussendlich sieht selbst in alten EU-Kernstaaten die Verteilung von Zugangstechnologien höchst unterschiedlich auf. Der Anteil der »Kabler« ist etwa in Deutschland oder Frankreich verschwindend gering, dafür wieder in Dänemark rund doppelt so hoch wie im Durchschnitt der EU-27. Und zu allem Überdruss divergieren in den Mitgliedsländern neben Investitionsbedarf noch Preise oder die Vorstellungen von Netzneutralität. Kein Wunder also, dass Brüssel die Entscheidung über Breitbanduniversaldienste vorerst einmal vertagt hat.
>> Kein Geld, keine Musik <<
Immerhin steht Europa im internationalen Vergleich gar nicht so schlecht da . Die EU ist heute weltweit der größte Breitbandmarkt und eine Reihe von Mitgliedsstaaten glänzt mit beachtlichen Penetrationsraten, obwohl »weiße Flecken« auf den Durchschnitt drücken. Aber selbst der Durchschnitt nähert sich den USA an. Schlechter sieht es schon bei High-Speed aus: Nach dem jüngsten »Digital Competitiveness Report« pendelt der Anteil schneller Glasfaserverbindungen europaweit zwischen zwei und fünf Prozent. Das ist zwar ebenfalls nur knapp hinter den USA, aber Lichtjahre von den Spitzenreitern entfernt. Südkorea oder Japan schaffen in der Kategorie High-Speed einen Anteil von rund 50 Prozent.
Zunehmend schwierig gestaltet sich die Finanzierung der neuen Next-Generation-Netzwerke. Natürlich sehen es die Netzbetreiber zuerst einmal gerne, wenn ihre abgeschriebenen Investments ordentlich Geld in die Bilanzen spült. Das ist auch notwendig, denn sonst bleibt die teure Investition in flächendeckende High-Speed-Netze eine schöne Illusion. Dazu kommen ungewisse Gewinnaussichten. Die EU-Kommission nennt die Breitbandmärkte in ihren Reports etwa »stabilisiert« oder »gereift«, während gleichzeitig die Preise sinken.
Das klingt leicht nach Euphemismus und fast so, als ob die große Breitband-Bonanza schon wieder vorbei wäre. Daneben haben die Operatoren nicht nur Bedenken, dass ihnen die Regulatoren zukünftig Prügel zwischen die Beine werfen könnten. Die letzten Jahre waren von der Finanz- und Bankenkrise geprägt – nicht gerade ein idealer Stimulus für überschäumende Investments. Da greift Brüssel schon einmal in die Trickkiste. Im Krisenjahr 2009 wurden die öffentlichen Schatullen für Breitbandausbau mit 469 Mio. Euro weit geöffnet, zusätzlich griff die Europäische Investmentbank den Providern unter die Arme. Diesen Oktober wartete die Kommission mit einem kräftigen Nachschlag auf und will den Ausbau mit über neun Milliarden Euro fördern. Als Hilfe für Marktteilnehmer darf die in Wettbewerbsfragen sonst so gestrenge EU das freilich nicht direkt titulieren. Natürlich muss alles »marktkonform« ablaufen. Im Zweifelsfall verschwurbelt die Kommission das dann etwa so: Es handle sich »eher um einen Zusammenhang mit einer Dienstleistung im öffentlichen Interesse«. Eine Formulierung, die auch Neelie Kroes’ neue Internet-Geheimwaffe Guttenberg erfunden haben könnte, ohne sich einem Plagiatsverdacht auszusetzen.
Ganz stromlinienförmig verläuft auch der Breitbandausbau in Österreich nicht. Probleme und divergierende Interessen, die Brüssel im Ganzen plagen, bilden sich im Mikrokosmos der Alpenrepublik ab.
>> Schneckennetz <<
Wie Brüssel wird auch Wien nicht müde, den gesamtwirtschaftlichen Stellenwert der Informationstechnologien zu betonen. Auf einer Keynote im Oktober sagte etwa Infrastrukturministerin Doris Bures, sie wolle Österreich an die Spitze der IKT-Nationen bringen und betonte als Schlüsselelement den Zugang zu Breitband. Anspruch und Realität klaffen hier doch etwas auseinander. In einzelnen Bereichen ist Österreich tatsächlich Musterland. Bei E-Government – egal ob Ausbau, Einsatz oder der Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingen – gilt Österreich fast schon traditionell als EU-Pionier und ist Seriensieger in den einschlägigen Rankings. Aber gerade bei Breitband sind die Ergebnisse durchwachsen (siehe unten).
Bei einschlägigen Europavergleichen schneidet Österreich nicht schlecht ab, aber auch nicht gut. Laut OECD-Zahlen vom Sommer 2009 lag Österreich bei der Breitbandpenetrationsrate auch etwa im Mittelfeld. Beim »Broadband-Leadership-Ranking« der Unis Oxford und Oviedo landete die Alpenrepublik 2010 nur auf Platz 25 – und büßte gegenüber dem letzten Ranking gleich ganze fünf Plätze ein. Das veranlasste etwa Cisco-General Manager Achim Kaspar zu harscher Kritik. »Diese Entwicklung ist höchst alarmierend. Die Bedeutung von Breitband für den Wirtschaftsstandort wird hierzulande offenbar unterschätzt«, kommentierte Kaspar und forderte steuerliche und regulatorische Impulse, um den Ausbau der schnellen Netze anzukurbeln.
Tatsächlich sieht es bei High-Speed in Österreich wenig berauschend aus. Laut dem »Communications Committee« lag der Anteil der Leitungen mit lediglich bis zu 2 Mbps letztes Jahr bei gut 85 Prozent. Selbst im Vergleich zum Durchschnitt der EU-27 ist das schneckenlahm. Deutlich besser schlägt sich Österreich schon beim Breitbandausbau in ländlichen Gebieten. Trotz höchst ungünstiger Geografie bietet das Alpenland sogar eine bessere Grundversorgung, als sie der EU-Schnitt genießt.
Im absoluten internationalen Spitzenfeld rangiert Österreich hingegen beim mobilen Breitband. Bei Ausbau, Preisen und Speed können weltweit gerade einmal eine Handvoll Länder mithalten. »Innerhalb eines Jahres hat die Smartphone-Penetration rasant um 22 Prozent zugenommen«, sagt Georg Serentschy, Geschäftsführer der RTR-GmbH für den Fachbereich Telekommunikation und Post. »Insgesamt wurden im zweiten Quartal in Österreich rund 4,88 Millionen Breitbandanschlüsse gezählt. 43 Prozent der Anschlüsse werden über Festnetz realisiert, 57 Prozent der Anschlüsse über Mobilnetze«, so Serentschy weiter.
>> Heimische Zukunftsperspektiven <<
Der Regulator rechnet damit, dass der Smartphone-Höhenflug weiter anhalten wird – keine allzu gewagte Prognose für das mobilfunkverliebte Österreich. Der Ausbau von mobilem Breitband ist derart rasant, dass auch Brüssel im Länderbericht diesen Umstand extra erwähnt. Zwar sei der Fortschritt bei ortsgebundenen Leitungen langsam, er werde aber teilweise durch die schnellen Mobilfunknetze kompensiert. Und nicht zuletzt gibt auch der Marktleader ein starkes Commitment ab. »Breitbandausbau ist kein Luxus, sondern wichtige Infrastruktur«, bekräftigt A1- und TA-Group-Boss Hannes Ametsreiter. Bis 2015 sollen zwei Drittel aller Haushalte mit GigaSpeed versorgt sein. Der Startschuss für das »GigaNetz« von A1 fiel 2009 in Villach. Seither werden – mit stetig zunehmender Geschwindigkeit – weitere Städte und Gemeinden angeschlossen.
Das ist auch notwendig. Nach der »Österreichischen Breitbandstrategie« von Infrastrukturministerin Doris Bures sollen »ultraschnelle Breitbandzugänge« bis 2020 für alle Haushalte Realität sein. Ultraschnell sind derzeit schon die »Kabler«. UPC-Boss Thomas Hintze präsentierte im Herbst bei einer Demo satte 1,3 Gbit/s. Laut Hinze werden bereits heute schon 97 Prozent des UPC-Gebietes mit 100 Mbit/s versorgt. Bis auch die Gigabits über alle UPC-Leitungen rauschen, wird es aber noch drei bis fünf Jahre dauern.
>> Licht und Schatten in Österreich:
Bei einschlägigen Europavergleichen schneidet Österreich nicht schlecht ab, aber auch nicht gut.
Laut OECD-Zahlen vom Sommer 2009 lag Österreich bei der Breitbandpenetrationsrate auch ziemlich genau im Mittelfeld. Beim »Broadband-Leadership-Ranking« der Unis Oxford und Oviedo landete die Alpenrepublik 2010 auf Platz 25 – und büßte gegenüber dem letzten Ranking gleich fünf Plätze ein. Der heimische Markt weist einige Besonderheiten auf. Bei den Technologien ist der Anteil von DSL vergleichsweise hoch, jener der »Kabler« hingegen vergleichsweise gering. Wenig berauschend sieht es bei der Geschwindigkeit aus. Laut dem »Communications Committee« lag die Anteil der Leitungen mit lediglich bis zu 2 Mbps letztes Jahr bei gut 85 Prozent. Da bieten selbst Rumänien oder Bulgarien um Größenordnungen mehr. Mit ein Grund dafür: In Ländern mit schwacher Telko-Infrastruktur wurden auf der grünen Wiese gleich Glasfaserleitungen verlegt, anstatt erst Kupfernetze aufzubauen oder nachzurüsten. Im absoluten internationalen Spitzenfeld rangiert Österreich hingegen beim mobilen Breitband. Bei Ausbau, Preisen und Speed können weltweit gerade einmal eine Handvoll Länder mithalten. Lediglich Schweden, Dänemark, USA, Spanien und das kleine Estland schneiden in den Rankings noch besser ab.
Quelle: OECD