Kohorten auf dem Blumenfeld
- Written by Redaktion_Report
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Manfred Matzka: Die Gründe liegen in unseren gezielten Aktivitäten und der Konzentration auf einzelne, in den vergangenen Jahren noch offene Felder. Wenn man ganz vorne, ganz nahe an den hundert Prozent der erreichbaren Punkte ist, kann und darf man nicht mehr zurückfallen. Wir haben diesen Spitzenplatz und es ist positiv, dass wir in diesem Wettbewerb nun gejagt werden. Und dies sogar von Kooperationspartnern, von denen man dies eigentlich nicht erwartet hatte: Slowenien und Estland. Mit Estland beispielsweise kooperieren wir intensiv im Rahmen eines EU-Projekts zu E-Government-Entwicklungen am Westbalkan. Und wir spielen mit dem Gedanken, gemeinsam mit Slowenien europaweit Vorbildliches zu realisieren - etwa in der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie.
(+) plus: Was sind die großen, offenen Felder an denen weitergearbeitet werden muss?
Matzka: Dieses Ranking des Vergleichs von Basisangeboten im E-Government der EU-Länder ist an seinem Ende angelangt. Das Benchmarking zu jenen 25 ausgewählten und beobachteten Leistungen hatte erzieherische Funktionen. Mehr als 100 Prozent dieser Leistungen umzusetzen, geht nun nicht mehr. In europäischen Vergleichsstudien muss nun eine neue Qualität erreicht werden. Diese Qualität wird mit der Interoperabilität der Anwendungen und des Datenverkehrs zu tun haben. Aus österreichischer Sicht wird auch die grenzüberschreitende Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie vorrangig umzusetzen sein.
(+) plus: Könnte ein nächster Schwerpunkt in einer vergleichenden Studie nicht nur die Umsetzung, sondern auch die tatsächliche Nutzung von E-Government-Diensten sein?
Matzka: Durchaus - wir geraten aber bei der Frage der tatsächlichen Nutzung in große Vergleichsschwierigkeiten. Ein Beispiel: In Portugal wurden zuletzt 60 Prozent der Gewerbeanmeldungen online abgewickelt, während österreich bei weitem keine derartige hohe Zahl im direkten Kontakt der Unternehmer zur Gewerbebehörde aufbieten kann. Dies aber aus einem einfachen Grund: Hierzulande wird vieles über die Wirtschaftskammern abgewickelt. Dennoch freuen uns über neue kompetitive Benchmarks. Je praktisch sinnvoller diese sind, desto besser. Very higly sophisticated special technical criteria sollten dabei weniger wichtig als die bürgernahe Sichtweise der Dienste sein.
(+) plus: Sind Jungunternehmer und auch Jungfamilien die größte wachsende Zielgruppe von E-Government-Services?
Matzka: Der Zugang und die Affinität zum Internet sind hier sehr groß und auch der Nutzen ist leicht begründet. Ein Großkonzern mit 80.000 Beschäftigten bedarf ja nicht unbedingt noch zusätzlicher Hilfe in Verwaltungsfragen. Bei einer Neugründung eines Unternehmens dagegen gehören Schnelligkeit, Flexibilität und Internetpräsenz zum Geschäftskonzept. Im E-Government treffen sich dann genau diese Interessen: Wir wollen ebenfalls, dass die Unternehmen wendig und schnell sind.Und Familien haben ohnedies Sorgen und Mühen genug und sehen den Vorteil des One-Stop-Shops E-Government. Etwa mit einem Mal ein Kind mit allen nötigen Dokumenten anzumelden.Wir stehen weiters in der Internetdurchdringung und Internetnutzung vor einem großen Schub. Die ältere Generation - mich eingeschlossen - wird auch in der Pension gut mit elektronischen Services umgehen können. Jedes Jahr kommt eine Kohorte von Nutzern hinzu, die elektronische Wege und Prozesse aus ihrem Berufsleben kennt. Dies ist nicht nur eine beträchtlicher Prozentsatz der Bevölkerung, sondern auch jener Teil der Menschen, der die neuen flexiblen Dienste intensiv nutzen wird. ältere sind oft in ihrer Mobilität eingeschränkt und werden in einigen Jahren fast nur noch elektronisch mit der Verwaltung kommunizieren.
(+) plus: Der ELAK ist das größte Projekt des Bundes im Bereich E-Government und ist weitgehend abgeschlossen. Wo liegen noch die Zukunftsperspektiven des elektronischen Akts?
Matzka: Ich sehe hier zwei Dimensionen. Zum einen tut es mir leid, ihnen widersprechen zu müssen: Wir haben den ELAK erst in einem Segment umgesetzt - der zentralen Bundesverwaltung. Die Nutzung und Verfügbarkeit des ELAK muss nun aber auch vertikal nach unten verbreitert werden. Die Komplexität und volle Funktionalität des ELAK muss dabei aber nicht bei allen Behörden und Gebietskörperschaften - Länder und Gemeinden - verfügbar gemacht werden. Teilweise gibt dort bereits entsprechende Aktensysteme mit geeigneten Schnittstellen, ebenso wie inkompatible Lösungen. Auf der anderen Seite sehen wir die Herausforderung, aus dem Workflow- und Dokumentenmanagementsystem ELAK einen einheitlichen Amtsarbeitsplatz zu machen. Da wir bislang gute Erfahrungen mit der Gleichförmigkeit und Einheitlichkeit des ELAK-Systems gemacht haben, sollten nun die restlichen Leistungen am Bildschirm - etwa E-Mail - ebenfalls standardisiert werden.
(+) plus: Oft genug wird es auch eine Herausforderung sein, die unterschiedlichen Systeme in den Ländern auf einen Nenner zu bringen. Zumal sich diese Gebietskörperschaften auch auf ihre Unabhängigkeit vom Bund berufen.
Matzka: Ja, dies ist eine große Herausforderung. Erfreulicherweise sind die elektronischen Aktensysteme untereinander aber nicht so verschieden, dass Schnittstellen auf keinen Fall möglich wären. Im intensiven Verkehr der Verwaltungen zueinander sind ja die Vorteile solcher Lösungen immanent.
Alle haben das Bestreben, One-Stop-Lösungen anzubieten. Und bei der Kompetenzzersplitterung in diesem Land gibt es viele Bereiche, in denen eine Landesagenda und eine Bundesagenda verknüpft werden müssen - etwa bei Baubewilligungen, Betriebsanlagengenehmigungen und Gewerberecht. Dieser Umstand schreit geradezu nach einem einheitlichen Aktensystem oder zumindest Lösungen, die im Hintergrund miteinander arbeiten können. Außerdem wird bei der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie die Vereinheitlichung absolut notwendig sein. Sie zwingt uns ja dazu, Fremde, die hierzulande ihre Dienste anbieten, elektronisch mit einem Single Point of Contact zu servicieren. Wenn wir dies dem bulgarischen Rauchfangkehrer anbieten, werden wir gut daran tun, seinem österreichischen Kollegen dasselbe zu bieten.
In der Zusammenarbeit zwischen Ländern und Bund haben sich auch bereits kooperative Strukturen entwickelt. Diktionen aus Wien zu technischen Systemen hat es nicht gegeben und wird es auch nie geben. Zudem sind wir hier in einem Feld, wo vieles moderner, europäischer gesehen und behandelt wird. Eine weitere Sache spielt hier noch mit: Wenn wir uns die österreichische Landschaft ansehen, finden wir unglaublich viele tolle Erfindungen. E-Government-Wettbewerbe und Awards zeigen ein buntes Feld von schönen Blumen. Ich bin bis jetzt aber noch nicht dahinter gekommen, warum man die besten Lösungen, die es an einer Stelle gibt, nicht auch an allen anderen Stellen einsetzt. Dies ist oft eine sehr emotionale Frage. Wir versuchen aber, Best Practices auch in anderen Bereichen zur Anwendung kommen zu lassen.