Grünes Gewissen
- Written by Redaktion_Report
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Sorgten in den Achtzigerjahren die Tropenholzdebatte und der saure Regen für regelrechte Hypes im Umweltschutz, sah es später für den Planeten wieder düster aus. In den Neunzigern waren Kosteneinsparungen und die Absicherung des Lifestyles gefragt. Die knuddeligen Koalabären und Galapagosschildkröten, tragische Hauptdarsteller der Kampagnen der Umweltschutzorganisationen, hatten das Nachsehen. Mit dem Ende der wirtschaftlichen Rezession nach der Jahrtausendwende und dem Aufflammen der Debatte um die Klimaerwärmung ist nun aber auch die breite Wirtschaft auf den grünen Sonderzug gesprungen. Thomas Katjejowsky, bei World Wide Fund For Nature (WWF) für das beinharte Business mit Firmenkooperationen verantwortlich, sieht den jüngsten Hype um Global Warming als ähnlich exzessiv wie jenen um die Tropenhölzer vor 20 Jahren. Mit einem Unterschied: »Vom globalen Klima ist jeder Einzelne betroffen.« Auch wenn die grüne Lunge weit weg in den fernen Regionen Südamerikas und Südostasiens abgeholzt wird - auch in Europa wird den Menschen am Ende die Luft wegbleiben.
Gewissenhafte Firmen. Auch 2008 reibt man sich beim WWF die Hände, die Firmenkooperationen laufen wie am Schnürchen. Zahlen will Katjejowsky keine nennen, schließlich kann jede Veröffentlichung von Spendenerlösen kontraproduktiv für höher gesteckte Ziele sein. Man kapriziert sich lieber auf Inhaltliches. So geschehen Ende Jänner, als nach dem öko-Vorreiter IKEA weitere namhafte Unternehmen einer Klimaschutzgruppe beigetreten sind. Die Allianz Versicherung will nun ihren CO2-Ausstoß bis 2010 um 20 Prozent reduzieren und Versicherungsprodukte entwickeln, die umweltgerechtes Verhalten der Endkunden belohnen. In Sachen Ressourcenschonung ist die Allianz bereits ein First Mover. Innerhalb von zwei Jahren konnte der Stromverbrauch um 20 Prozent, der Gasverbrauch sogar um 40 Prozent reduziert werden. Ebenso ist das papierlose Büro im Kundenservice der österreicher längst Realität. Auch der Technologiekonzern Fronius ist neues Mitglied der Climate Group des WWF. Durch die Photovoltaikanlage am Standort in Sattledt ist die unternehmensinterne Reduktion der CO2-Emissionen bereits erreicht. Alleine diese Anlage, mit 3.600 Quadratmetern Modulfläche am Dach verhindert 318 Tonnen CO2 pro Jahr. Für den WWF will man nun Projekte im Ausland zur Lebensraumerhaltung von Elefanten und Pandabären unterstützen.
IKEA wiederum will nach etlichen Maßnahmen in der Vergangenheit - jüngst wurden 135.000 Energiesparlampen in mehreren Fußgängerzonen verteilt - nun alle österreichischen Geschäftseinheiten auf erneuerbare Energien umstellen. Auch wenn die Stores künftig sicherlich nicht zu 100 Prozent aus Windkraft und Sonnenenergie versorgt werden können - der Wille zählt, nickt man anerkennend beim WWF. Der schwedische Möbelbauer weiß auch um den Multiplikatoreffekt seiner Umweltschutzmaßnahmen. So soll der Anteil öffentlicher Verkehrsmittel im Anreiseverkehr der Kunden von derzeit sechs auf zwölf Prozent verdoppelt werden. Bei jährlich zwölf Millionen Kundenkontakten kann dies bereits einen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz generieren.
Auch haben die Tier- und Umweltschützer einen weiteren Konzern im Visier: Den Namen will man noch nicht nennen, um die derzeit laufenden Gespräche nicht zu gefährden. Nur so viel: Er ist groß und kommt aus der IT-Branche. Die Kooperation wäre der erste Schulterschluss mit der Informationstechnologie. Mit nahezu allen Brachen hätte man bereits in österreich zusammengearbeitet, so Thomas Katjejowsky. »Aus der IT- und Telekommunikation hat sich bislang noch niemand gefunden.«
Engagement ohne Endkunden. Was treibt Unternehmen dazu, Geld und Ressourcen in grüne Themen zu investieren? Ist es der Imagegewinn beim Konsumenten, seit das Klimaproblem die Medien beherrscht? Eine Studie des WWF birgt überraschendes: Die Kooperationspartner sehen zwar die Verbesserung des Unternehmensbildes als wichtigstes Argument - allerdings intern, in erster Linie für die Belegschaft. Nicht den Endkunden, sondern den eigenen Mitarbeitern soll das Verantwortungsbewusstsein des Arbeitgebers für nachfolgende Generationen vermittelt werden. Kooperationen wie jene mit Lafarge beweisen dies. Endkundengeschäft hat der Zementhersteller keines, im Zuge der Zusammenarbeit werden aber Mitarbeiter und Unternehmenskunden auf Exkursionen in Wasserschutzgebiete eingeladen. Das Umweltschutzengagement als reiner Umsatzbringer kommt bei vielen Firmen erst an zweiter Stelle, so die Studie. Einzige Ausnahme bislang stellt der Lebensmittelmarkt dar, der einfach dort aufspringt, wo die Kunden gerade gedanklich verweilen. Wenn auch dies letztlich positiv ist: Aus welchem Grund unsere Gesundheit, die Tier- und Pflanzenwelt des Planeten gerettet werden, ist eigentlich egal. Hauptsache, es passiert.
Umweltschutz als Goldgrube. Neben den reinen Kosteneinsparungseffekten in der Luftfahrt oder dem Individualverkehr sind es oft auch sehr persönliche Gründe, warum grün gewirtschaftet wird. Franz Gschiegl, Vorstand der Erste-Sparinvest, kurz ESPA, ist einer der aktivsten Proponenten einer neuen, verantwortungsbewussten Wirtschaft. Mit dem WWF legt er zurzeit zwei Fonds auf, die vornehmlich auf Unternehmen aus den Bereichen Umwelttechnik und ökologisch nachhaltiges Wirtschaften setzen. Die beiden Aktienfonds haben sich als Goldgruben für die Anleger erwiesen. »Unser ganzes Team ist sehr naturverbunden. Deshalb ist das Thema nachhaltiges Investment bei uns keine Modeerscheinung, sondern eine Kernkompetenz, die wir erweitern möchten«, sagt Gschiegl. Der Finanzexperte und passionierte Marathonläufer ist selbst am liebsten in den Bergen unterwegs. Und die Umwelttechnik ist mittlerweile zu einem der dynamischsten Wirtschaftszweige weltweit geworden.
Riesenchance für die Hersteller. In den vergangenen Jahren hat sich die Wissenschaft ein sehr genaues Bild von der Erderwärmung verschafft. Wie die Temperaturveränderung im 21. Jahrhundert ausfallen wird, hängt davon ab, wie schnell es gelingt, den globalen Ausstoß an Kohlendioxid zu senken. Richtig gefährlich im Sinne der Definition der Vereinten Nationen wird die Erderwärmung ab einer Temperaturerhöhung von zwei Grad. Ab dieser Schwelle drohen sogenannte irreversible Effekte. Vor dem Erreichen dieser Schwelle warnen auch die europäischen Umweltminister. »Vorsichtig optimistisch« zeigte sich Umweltminister Josef Pröll anlässlich der Veröffentlichung der CO2-Bilanz in österreich Mitte Jänner. Zwar habe man 2006 im Vergleich zu 2005 einen Rückgang der Schadstoffemissionen um 2,2 Mio. Tonnen geschafft, trotzdem sei aber auch »der Handlungsbedarf mit einer Lücke von elf Millionen Tonnen CO2-äquivalent zum Kyotoziel unmissverständlich aufgezeigt«. Bei allem Umweltbewusstsein der Bevölkerung - die Wirtschaft hinkt den globalen Zielen hierzulande stark hinterher. Bis zum Jahr 2020 will die EU den Anteil erneuerbarer Energie am gesamten Verbrauch von 8,5 Prozent im Jahr 2005 auf 20 Prozent steigen. Außerdem soll Energie um 20 Prozent wirksamer genutzt werden.
Die Computerhersteller haben hier bereits ihre Chance erkannt. Auf einem Markt, in dem sich Produkt A nicht mehr von Produkt B unterscheidet - weder preislich noch in der Qualität -, gilt die Suche nach einer neuen Unique Selling Proposition (USP) als gelöst. Frisch aus dem Biogarten gibt es nun »Green IT« - vom energieeffizienten Rechenzentrum bis zum grünen Pickerl für den Bildschirm.
Dem Beratungsunternehmen Gartner zufolge ist die IT-Branche für zwei Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich. Vergleichbar ist dies mit dem Klimaschaden, den die Luftfahrtindustrie verursacht. Bildschirme und Rechner mit großartiger Energieeffizienz, Kampagnen gegen die Standby-Funktion der Geräte und Rechenzentren mit Solarantrieb: Die Welle der Green IT wird den herrschenden Klimawandel zwar nicht radikal beeinflussen können, dennoch ist die Betrachtung des Energieverbrauchs der Hardware lobenswert. Vor allem, wenn die Betrachter Großunternehmen sind. »Kosteneinsparungen bei einzelnen Geräten wie PC oder Bildschirm bleiben unter der Wahrnehmungsgrenze des Verbrauchers. Betreiben Sie dagegen 10.000 bis 20.000 Rechner, sieht die Sache ganz anders aus«, bestätigt Wilfried Pruschak, Geschäftsführer Raiffeisen Informatik. Bei den Rechenzentrumsbetreibern ist der Energieverbrauch seit Jahren fixer Teil der Gesamtkosten einer IT-Lösung. Verständlich - bei Stromrechnungen in Millionenhöhen.
Von der Waschmaschine zum Heimcomputer. Im Endkundengeschäft sind die grünen Produkte jedenfalls ein Renner. Nach Waschmaschine und Kühlschrank werden 2008 nun auch PC und Laptop mit entsprechenden Stromsparpickerln auf den Markt gebracht. Europas letzter großer PC-Hersteller, Fujitsu Siemens, kämpft nicht nur mit Billigproduktionen aus dem Ausland. In den letzten 24 Monaten wurden auch 60 Prozent des Kohlendioxidausstoßes in der Fertigung reduziert. »Fragen Sie doch einmal unsere amerikanischen Mitbewerber, ob sich ihre Produktionsstätten in China auch an diese Gesetzmäßigkeiten halten«, weiß FSC-Chef Wolfgang Horak von einzigartigen Rahmenbedingungen in Europa. Die Hersteller, darunter auch Horak, versuchen gerade, die öffentliche Hand zur Aufnahme von Stromverbrauchskriterien in den Ausschreibungen zu gewinnen. Noch werde der Umstand völlig unter den Teppich gekehrt, dass etwa Server bei nur zwanzig Prozent weniger Stromverbrauch und einer Einsatzdauer von mehreren Jahren einen Preisvorteil von rund 15 Prozent einfahren. Aufträge werden noch rein nach dem Anschaffungspreis vergeben. »Stimmt, es gibt diesen Hype und die Firmen wollen Geschäft machen«, gibt Horak unumwunden zu. »Doch wir würden das Kind mit dem Bade ausschütten, wenn wir deshalb nicht weiter in diese Richtung gehen.« Im Moment hätte der IT-Markt nur aus Umsatzsteigerungen heraus reagiert. »Wo es aber anfängt, ist egal.«