Weiche Ware hartes Business
- Written by Redaktion_Report
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Software? Wie Hollywood und Junkfood ein Begriff, der untrennbar mit den USA verbunden ist. Vorherbestimmt war das nicht. Der Deutsche Gottlob Frege hat schon im 19. Jahrhundert die Grundlagen für die Aussagenkalküle gelegt, ein Grundbaustein der Informatik. Bertrand Russell, von unserem Wissenschaftsminister Johannes »Gio« Hahn in seiner Dissertation notorisch falsch geschrieben, war ein Genius der Axiomatik - und Engländer. Russells Mitstreiter Giuseppe Peano? Ein Italiener. Die umgekehrte polnische Notation, Grundlage jeder Programmierung, ist nach dem Polen Jan ukasiewicz benannt. Das US-Urgestein IBM: ohne den deutschstämmigen Gründer Herman Hollerith nicht denkbar. Die erste historische Hardware-Implementation eines »modernen« Computers dürfte dem Deutschen Konrad Zuse gelungen sein. Zumindest wenn man den spanischen Wissenschaftler Torres y Quevedo außer Acht lässt, der schon um 1900 eine mechanische Schachmaschine entwickelte, die das Turmendspiel perfekt beherrscht und heute noch funktionstüchtig ist. Der Nächste, dem das Kunststück gut 40 Jahre später auf elektronischer Basis glückte? Allen Turing. Ein Brite, der Torres’ Erfindung in Software nachbildete und das theoretische Rüstzeug der Informatik formulierte, das bis heute Gültigkeit hat. Und nebenbei den als unknackbar geltenden Enigma-Code der Deutschen Wehrmacht entschlüsselte. Die Liste europäischer Grundlagendenker ließe sich beliebig fortsetzen. Aber statt sich zu entwickeln und zu prosperieren, taumelte der Kontinent in die finsterste Barbarbei. Kein nahrhafter Boden für Spitzenforscher. Wer 1945 nicht tot war, war vertrieben, belastet oder desillusioniert.Die USA, bis dahin nicht gerade ein Hort der Wissenschaften, nutzten die Gunst der Stunde und beförderten den einsetzenden gigantischen Brain Drain nach Kräften. Die europäischen Forscher hatten ihr neues Mekka gefunden. Boston statt Berlin, Chicago statt Paris. Eine der Folgen: Die IKT-Branche ist heute so amerikanisch wie Coca-Cola oder Paris Hilton. Eine Sonderrolle spielt seit jeher IBM, quasi die Mutter aller IT-Konzerne. Der Storage-Riese EMC und SAP sind wie viele andere Gründungen aus dem IBM-Umfeld. Selbst im Scheitern ist Big Blue großartig: Die Fehleinschätzung des PC-Marktes bescherte uns Microsoft. Aber nicht nur Cleverness und innovatorische Schubkraft befördern die US-Softwareindustrie. Wie in einem guten Hollywood-Plot gibt es auch Helden und Mythen. Apples Steve Jobs kann man mögen oder nicht, als Fleisch gewordener Guru diktiert er seit Jahrzehnten die Trends. Microsofts Bill Gates ist etwas weniger charismatisch. Aber er spielt sowieso in einer anderen Liga, die nur ein einziges Mitglied hat: Bill Gates. Oracles Larry Ellison schießt auf anderer Ebene den Vogel ab. Zu seinen persönlichen Spielzeugen zählt ein umgebauter Kampfjet, den er sich mangels US-Genehmigung angeblich aus ausländischen Militärbeständen besorgen musste. Dass er sich dann kolportierterweise noch im offenen Cabrio mit einer Dame vergnügte, schadet nicht einmal im prüden Amerika. Was kann SAP-Chef Henning Kagermann dem noch entgegensetzen? Keine Frage: Bildung und Ausbildung, Management-Know-how und Manieren. Aber reicht das schon zur Begründung eines Mythos?