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»Die Anbieter werden kämpfen«

Wieder einmal wurde der heimische IT-Markt unter die Lupe genommen. Die Marktforscher von IDC analysieren in der dem Report vorliegenden Studie »Austria IT Services 2006-2010 Forecast and 2005 Vendor Shares« den Marktauftritt der IT-Dienstleister in österreich. Pointiert werden die Veränderungen, Chancen und Gefahren, die die einzelnen Branchenplayer betreffen, beschrieben. Auch wenn von einer Marktsättigung und beinharten Preiskämpfen um eine sinkende Zahl an Ausschreibungen die Rede ist - dem Markt geht es nicht so schlecht. Bis 2010, so weit trauen sich die Analysten mit der Wetterprognose, rechnet man mit einem Wachsen des IT-Dienstleistungsmarktes um satte 3,9 Prozent. Vor wenigen Jahren noch hätten Investoren ob dieser konservativen Aussichten noch gelangweilt abgewinkt. Die Welt hat sich jedoch weiter gedreht: Heute ist jede Steigerung über zwei Prozent mehr als willkommen.

Als größten Umsatzbringer bei den IT-Services lokalisiert IDC den Outsourcingbereich mit 36 Prozent Anteil von insgesamt 3,26 Mrd. Dollar (nachfrageseitig bereinigt). Die Auslagerungsdienste sind damit weiterhin Liebkind der Branche, wenn auch der Sprössling in letzter Zeit für lange Gesichter sorgt. Im Vorjahr ist die Outsourcingsparte lediglich um 0,7 Prozent gewachsen. IDC-Analyst Rainer Kaltenbrunner führt dies vor allem auf den Einbruch des Geschäftsbereiches »Information Systems Outsourcing« zurück. Das heißt: Das Auslagern kompletter IT-Infrastrukturen stagniert. Licht ins Dunkel bringen dann wieder sexy Geschäftsfelder wie »Application Management« und »Network & Desktop Outsourcing«, die Steigerungen im zweistelligen Prozentbereich verzeichnen. Der Add-on-Gedanke spezialisierter IT-Dienstleistungen (statt Megaaufträgen für einen einzigen Dienstleister) ist auch im Jahr 2005 bereits Programm gewesen. Der Multi-Vendor-Gedanke hat nicht nur den Hardwaremarkt, sondern nun auch das Dienstleistungsgeschäft erfasst. Die Experten nennen diesen Paradigmenwechsel »Multisourcing«. »Die Auslagerung von Dienstleistungen an verschiedene Anbieter reduziert die Kundenabhängigkeit«, beschreibt Kaltenbrunner ein Geschäft mit großer Zukunft.

Das große Ranking. Gelistet nach IT-Services-Umsätzen führt ebenso wie im Vorjahr der Leitwolf Siemens Business Services das Rudel der größten IT-Dienstleister in österreich an (siehe Tabelle). In den Top-10 folgend: eine gestärkte Position zwei von Raiffeisen Informatik, der Rechenzentrumsbetreiber iT-Austria überholt IBM. Das Bundesrechenzentrum steigt ebenso wie HP eine Stufe im Ranking auf. Der Grund ist T-Systems: Die Deutsche-Telekom-Tochter hat Anfang 2005 die Wartungs- und Vertriebsgesellschaft DSS an S&T verkauft und damit im Jahresvergleich ihren Serviceumsatz um mehr als ein Viertel verringert. Nach CSC (Platz acht, gleichbleibend wie 2004) und Accenture, das auch von einigen Abstiegen profitiert (EDS und ai informatics fielen 2005 im Vergleich zum Jahr davor in Umsätzen zurück), findet sich plötzlich die Telekom Austria auf Platz zehn. Der Telco hat es erstmals unter die ganz Großen in österreich geschafft - als Dienstleister möchte man in Zukunft verstärkt wahrgenommen werden. Freilich ist die IDC-Liste nicht der Weisheit letzter Schluss: Eine Rangordnung ist jenseits der acht größten IT-Dienstleister wenig aussagekräftig. Die Umsatzgrößen vom neuntgrößten IT-Dienstleister Accenture und der Nummer 25, dem WIFI, unterscheiden sich gerade mal um dreißig Mio. Dollar. Das Wirtschaftsförderungsinstitut ist dazu noch der größte Exot unter den IT-Services-Anbieter. Sein Asset ist die relativ starke Position am Markt der IT-Trainings und der IT-Education - eine der nach IDC vielen verschiedenen Sparten der IT-Services-Szene. Der zweitgrößte IT-Trainer, SAP (7,2 Prozent Spartenanteil gegenüber 18,8 Prozent des WIFI), profitiert wiederum von den Aktivitäten der SAP Business School Vienna.

Die Player eingeschätzt. Den größten IT-Dienstleister, Siemens Business Services, schätzt IDC aufgrund seines breiten Portfolios als relativ potent ein. Besonders gut ist SBS in den vertikalen Märkten »Erzeugende Industrie« und »Government« aufgestellt. Kunden wie die Sozialversicherungen (Stichwort e-card), das Finanzministerium, Innenministerium und ein groß angelegtes Full-IT-Outsourcing-Projekt für den Mobilfunker One haben sich bezahlt gemacht. Einen besonderen Vorteil können die Siemensianer aus ihrem Brand erzielen. IDC sieht Siemens als Traditionsmarke, mit der Qualität und Verlässlichkeit assoziiert werden. Die Stärke in den beiden genannten Vertikalmärkten wird gleichzeitig auch als Schwäche gesehen: »Transportation«, »Telecommunications«, »Banking« und »Retail« sind Kundengruppen, die jeweils nur unter fünf Prozent des Gesamtumsatz bei SBS generieren. Doch gibt es Hoffnung - trotz der unseligen Gerüchte, die Nummer eins könnte aus strategischen Gründen der Konzernmutter in Deutschland jederzeit von einem Konkurrenten übernommen werden: SBS expandiert weiter in der CEE-Region und könnte die günstigeren Kostenstrukturen im Osten noch besser für Nearshore-Aktivitäten innerhalb des Konzerns nutzen. Die Rolle von Fujitsu-Siemens, die wohl in der nächsten IDC-Dienstleistungsstatistik schlagend wird, ist eng mit dem Aktivitäten der SBS verknüpft: Mit April 2006 hat SBS das produktnahe Wartungsgeschäft »Product Related Services (PRS)« an Fujitsu Siemens Computers verkauft. In österreich bedeutet dies den Verschub von gut sechzig Mio. Euro an die FuSi-Kollegen.

»Alte« Nummer zwei. Raiffeisen Informatik hat sich im Vorjahr auf dem zweiten Rang gut verstärkt. Nicht nur konnte der Abstand zum Marktführer verringert, sondern vor allem der Vorsprung auf IBM vergrößert werden. ähnlich wie SBS hat Raiffeisen Informatik besondere Schwerpunkte, hier ist es der Banken- und Versicherungsbereich. Die einschlägigen Verträge aus dem Bankenumfeld sind auch für den fetten Outsourcinganteil von 78 Prozent am Jahresumsatz beim IT-Dienstleister verantwortlich. Der Deal mit der Strabag, für die länderübergreifend Telefonieservices bereitgestellt werden, zeugt aber von einem wachsenden Systemintegrationsgedanken bei den Informatikern. Das Gute und Schlechte liegen auch hier sehr nahe: Den Schwachpunkt schlechthin sieht IDC im Banken-Image, mit dem Raiffeisen Informatik noch immer untrennbar verbunden scheint. Dem Anbieter werde dadurch zwar die Abwicklung größter Volumina zugetraut - allerdings fürchte man fehlendes Know-how in finanzfremden Branchen. Als mögliches Potenzial erweisen sich auch bei der Nummer zwei die jungen EU-Länder: Dort boomt es, die Großkunden können unkompliziert in den Osten begleitet werden.

Nach iT-Austria hatte IBM den vierten Platz 2005 inne. Knapp ein Drittel des Umsatzes in österreich wurde mit IT-Services generiert. Systemintegration und Outsourcing halten sich bei IBM die Waage, Big Blue ist ebenso wie SBS stark im Governmentbereich und kann mit der Wiener Städtischen, Magna Steyr und der Wirtschaftskammer österreich einige starke Kunden in den Vertikalmärkten aufweisen. IDC sieht auch die Marke IBM als große Stärke, die auf eine Heerschar an im Feld installierter Hardware bauen kann. Vom Hardwaregeschäft hat man sich großteils getrennt, doch sei es immer noch Eintrittskarte für das Software- und Dienstleistungsportfolio. Die Schwäche der IBMler ist der Fokus auf Großprojekte, von denen es in österreich zwangsweise eine nur überschaubare Zahl gibt. Obwohl mit eigenen Units der Angriff auf den KMU-Markt geblasen wurde, schätzen die Analysten die zugehörigen Marketingkampagnen als ineffektiv ein. Als Bedrohung für den Erfinder des PCs werden stärker spezialisierte und flexiblere Unternehmen wie SBS, T-Systems - und sogar HP - gesehen.

Zwei Kaiser... HP, das hierzulande als Vertriebs- und Marketingbetrieb für den weltweiten Konzern aufgestellt ist, hat im abgelaufenen Jahr insgesamt 689 Mio. Dollar Umsatz erzielt, auf IT-Services entfallen 172 Mio. Dollar. Die Sparte »Vertrieb & Support« ist bei HP von allen Top-10-Dienstleistern relativ gesehen am größten. Fast jeder zweite Dollar oder Euro der Dienstleistungssparte kommt aus der Hardwareecke. Entsprechend gleichmäßig aufgeteilt sind des Vertriebskaisers IT-Dienstleistungen in allen vertikalen Branchen zu finden - vom Medien- und Verlagsbereich bis zum Handel. Auch hier essenziell: die Marke, von der man sich über das Endkundengeschäft Bekanntheitsgrad bei den Business Solutions erhofft. Freilich limitiert der vorherrschende Schwerpunkt auf den Gerätevertrieb die Avancen ins Integrationsgeschäft. IDC sieht HP überhaupt nur mit 16 Prozent Umsatzanteil bei Outsourcing-Services. Und die Erweiterung auf die KMU-Kundschaft wird als kostspieliges Unterfangen gesehen, das die Gewinne massiv schmälern könnte. Derzeit würden die kleineren und mittleren Unternehmen HPs Serviceangebote als teuer und unflexibel sehen, so IDC. Ein überdenken der Preispolitik scheint notwendig.

T-Systems wiederum wird von den IDC-Experten als Konvergenzkaiser gesehen, man billigt der Deutsche-Telekom-Tochter ein hohes Maß an Netzwerkmanagement- und IKT-Know-how zu. Mit Kunden wie der Landesklinik St. Pölten und dem Land Niederösterreich drängt das Unternehmen mit seinen IT-Services kräftig in den Gesundheitssektor. Diese Avancen werden neben Business-Process-Outsourcing als Hoffnungsträger für den Dienstleister gesehen. Schwächen bemerkt IDC lediglich anlässlich des Verkaufs der DSS-Vertriebsgesellschaft. Manch Kunde könnte dadurch verunsichert sein, sagen die Experten. Die Bedrohungsfelder für T-Systems finden sich laut Studie bei SBS und IBM. Der Grund: Die Konkurrenten setzten haargenau auf die gleichen Outsourcing- und Integrationsfelder.

...und ein Prinz. Zum Abschluss der im Vorjahr neuerdings zehntgrößte IT-Dienstleister in österreich: Telekom Austria. Mit den frisch geformten Lösungssparten ackert der Telco nun auf den Schauplätzen »Stability«, »Productivity« und »Marketing Solutions«. Outsourcing machte knapp die Hälfte der IT-Dienstleistungsumsätze aus, gefolgt von der Systemintegration mit 29 Prozent Services-Anteil. Der dominierende Zielmarkt war die Industrie, die nun für die dringend notwendigen Referenzgeschichten sorgt. Als Schwäche und Gefahr für die TA wird aber die Schwierigkeit gesehen, sich als Großkonzern praktisch neu erfinden zu müssen. Der Neo-Dienstleister kommt aus dem TK-Geschäft, hat dadurch zwar ein großes Kundenpotenzial, gilt mitunter aber als unflexibel. Immerhin: Bei der Verknüpfung von IT- und Telekommunikation hält IDC den Incumbent für besonders fähig.

Dass es nicht leicht sein wird, die Bekanntheit am Markt in bare Münze im Dienstleistungsgeschäft umzuwandeln, bezeugt das prophetische Statement von IDC-Analyst Rainer Kaltenbrunner am Schluss der Studie: »Schon 2005 ist der IT-Services-Markt in österreich mangels neuer Projekte nur moderat gewachsen. Auch in den kommenden Jahren wird der Wettbewerb auf dem gesättigten Markt intensiv bleiben. Die Anbieter werden um jedes einzelne Projekt kämpfen.«

Prognose 2006-2010
Die Großkunden sind abgegrast, die Experten rechnen für die nächsten Jahre mit der notwendigen Neuausrichtung der IT-Dienstleister auf KMU und den künftigen Umsatztreiber »öffentlicher Dienst«. Der Government-Bereich gilt als Motor für den IT-Services-Markt, hier findet das stärkste Wachstum statt. Bei den Klein- und Mittelbetrieben sind ebenfalls Branchenwissen, vor allem aber Flexibilität gefragt. Gefordert sind nun maßgeschneiderte Angebote für die KMU-Szene. Kein leichtes Unterfangen, wie IDCs SWOT-Analysen (Bewertung der Stärken (Strenghts), Schwächen (Weaknesses), Potenzial (Opportunities) und Bedrohungen (Threats)) der Anbieter zeigen: Den großen Dienstleistern werden durch die Bank schmerzhaft fehlende Portfolios für Kundengrößen am KMU-Level diagnostiziert.
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