Virtualisierte Welten
- Written by Redaktion_Report
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Als Buzzword hat Virtualisierung gerade Hochkonjunktur, doch die Technologie ist ein alter Hut und stammt aus dem IT-Pleistozän. Die IBM datiert die Geburtsstunde mit dem Erscheinen der altehrwürdigen S360 - der Prototyp des modernen Servers der schon vor rund 45 Jahren gelauncht wurde. Dass die Technik abseits der breiteren Wahrnehmung auf Mainframes zur ersten Blüte gebracht wurde, hat praktische Auswirkungen. Die junge Webgeneration der Programmierer, Systemmanager und CTOs tut sich mit dem Zugang bisweilen etwas schwer. \"Bei Symposien oder Präsentationen haben vor allem Senioren, die kurz vor der Pensionierung stehen, das beste Verständnis“, erzählt Martin Balaz von der IBM-Servergroup aus der Praxis. Wird also nur alter Wein in neuen Schläuchen verkauft, hübsch garniert als neuer Hype?
Vom Hype zur Realität. Der Hype rollt an, aber er hat handfeste Ursachen. \"Wir reden von keinem Buzzword. Wir reden davon, wie man vorhandene IT-Ressourcen effizienter nutzt“, sagt IBM-Mann Balaz. Was zähle sei weniger die mirakulöse Technologie, sondern deren handfeste Kostenvorteile Die Botschaft ist auch bei den Finanzern schon angekommen. \"Virtualisierung ist für unsere Kunden ein ziemlich heißes Thema. Wir werden oft aktiv darauf angesprochen“, so Balaz. In dieselbe Kerbe schlägt Martin Lauer: \"Man macht Virtualisierung sicher nicht, weil es schick ist. Es geht schlicht um das Accounting und die Kosten“, so der DACH-Vize der Softwarefirma Computer Associates (CA). Dass sich CA in diesem Markt tummelt, ist kein Zufall. Die Wurzeln des Infrastrukturmanagement-Spezialisten liegen ebenso wie die von IBM in der Mainframe-Welt. Hinter Big Blue besetzen der Serverspezialist Sun und Hewlett Packard den Hardwaremarkt, das deutsch-japanische Joint Venture Fujitsu-Siemens will diese Führungstroika durcheinanderwirbeln. \"Wir wollen die Strukturen aufbrechen und werden uns in österreich stärker im Enterprise-Bereich positionieren“, kündigt Wolfgang Mayer, Vertriebsdirektor bei Fujitsu-Siemens, an. Auch hier besinnt man sich alter Wurzeln. Fujitsu-Siemens ist beileibe nicht nur Kistenschieber im Volume-Bereich, wie hierzulande oft fälschlicherweise geglaubt wird. Fujitsu glänzt auch mit Mainframe-Erfahrung und ist in den weltweiten Performance-Wertungslisten gut platziert. Auch der Siemens-Part liefert Know-how und vor allem Image mit: Die legendäre BS2000 ist zwar schon ziemlich antiquiert, in den Ohren vieler IT-Verantwortlichen hat das System immer noch einen guten Klang. Auch neben seiner Kampfansage an die Marktleader lässt Wolfgang Mayer aufhorchen. \"Zukünftig werden wir die Hardware-Entwicklung für die Mittleren und High-end-Systeme von Sun übernehmen“, so der Fujitsu-Siemens Vertriebschef. Details über die Vereinbarung werden erst in den kommenden Wochen veröffentlicht. Als sicher darf jedoch gelten, dass die Solaris-Entwicklung von der Vereinbarung nicht betroffen ist und auch weiterhin in den Händen von Sun liegt. Mit diesem Schachzug wird Fujitsu-Siemens seine Position im Rechenzentrumsgeschäft stärken. Aber von Rechenzentren zu reden, ist fast schon altbacken.
Fujitsu-Siemens definiert das \"Dynamic Data Center“, das sich um moderne Virtualisierungs- und Automatisierungstechniken rankt, schlichtweg als Zukunft der IT. Mit der positiven Einschätzung ist Wolfgang Mayer nicht alleine. \"The next big thing“, fällt beispielsweise IBM-Servermann Balaz spontan zur Virtualisierung ein. Hardcore-Anwender sind in österreich allerdings noch selber so etwas wie eine virtuelle oder zumindest seltene Spezies. Während die Industrie ansonsten gerne Anwenderberichte veröffentlicht, herrscht hier eher Ebbe. Verwiesen wird auf Case studies in Deutschland oder der Schweiz. Die Zurückhaltung hat mehrere Gründe. Einerseits ist die klassische Anwenderschar im Bereich Großunternehmen oder Behörden hierzulande überschaubar. Andererseits sind Kunden, die technologisch vor preschen, aus Wettbewerbsgründen um Diskretion bemüht. So wird nur nur unter der Hand kolportiert, dass eine große österreichische Bank deutlich über 100 Rechner der obersten Mainframe- und Serverleistungsklassen auf gut ein dutzend physische Maschinen reduziert hat. Die Datenbankapplikationen oder auch die Personalsoftware laufen jetzt statt auf konkreten Rechnern zumeist in virtuellen IT-Welten. Bei einem deutschen Automobilbauer ist wiederum die Virtualisierung von Diensten und deren Zuordnung im Gang. Heftig evaluiert wird auch im industriellen Umfeld - vor allem dort, wo große SAP-Installationen anzutreffen sind. Als potentieller Virtualisierungskandidat gilt auch das Bundesrechenzentrum, das ebenfalls Evaluierungsprojekte laufen haben soll.
Am Weg zum Massenmarkt. Die Vorteile die die Virtualisierung zu bieten hat, sind aber beileibe nicht nur für Großunternehmen interessant. \"Ich bin neugierig, wie lange die Unternehmen für herkömmliche Lösungen noch Geld ausgeben“, sagt Novell-Chef Peter Latzenhofer. Novell setzt mit seinem auf Suse Linux basierenden Enterprise Server auf die Virtualisierungslösung XEN, die im Unix-Umfeld zu einer der Schlüsseltechnologien zählt. Welche Kosten Unternehmen bei Einsatz von Virtualisierungslösungen tatsächlich einsparen können., lässt sich jedoch auf keinen einfachen Nenner bringen. Dazu ist das Thema zu komplex. \"Ich habe ein dutzend Studien, die alle nur einen Teilbereich der Wirklichkeit abbilden“, sagt IBM-Mann Martin Balaz. Oder zu heikel: \"Natürlich haben wir interne Durchschnittswerte, aber die können wir nicht veröffentlichen“, sagt CA-Vize Georg Lauer. Die Vorteile sind trotzdem handfest (siehe Kasten). Breite übereinkunft besteht darin, dass die Virtualisierung die Auslastung bestehender Hardware drastisch verbessert. Die Firmenangaben dazu weichen leicht voneinander ab, zeigen aber alle in eine Richtung. IBM sieht in der mittleren EDV einen erstaunlich niedrigen Auslastungsgrad. Unix-Server werden demnach vielleicht zu 30 bis 40 Prozent tatsächlich genutzt. Windows Server schieben eine noch ruhigere Kugel und dümpeln laut IBM mit nur zu 5 bis 15 Prozent Auslastung beinahe schon im teuren Leerlauf vor sich hin. Fujitsu Siemens differenziert nicht nach Betriebssystemen und nennt eine durchschnittliche Auslastung von 20 bis 40 Prozent. Genau an dieser Stellschraube drehen die Hersteller. Rechenleistung oder andere Ressourcen werden nicht mehr statisch für kaum auftretende Spitzenlasten dimensioniert, sondern genau dann vergeben, wenn sie tatsächlich benötigt werden. Was sich so einfach anhört, ist hoch komplex. Die Ressourcenverteilung wird bei IBM bereits auf Betriebssystemebene in Zeitscheiben von lediglich 10 Millisekunden gesteuert und heißt dort \"Power Hypervisor“. Fujitsu Siemens hat - wie es sich für einen Hype gehört - für ähnliches wieder andere Namen. \"FlexFrame“ konsolidiert mySAP-Welten, die beliebten Blade-Server werden bei Fujitsu Siemens mit \"BladeFrames“ unter einen virtualisierten Hut gebracht. Zum BladeFrame gibt es auch konkrete TCO-Einschätzungen. Die britisch-asiatische Standard Chartered Bank hat jüngst ihre 1.200 Standorte in weltweit 50 Ländern darauf umgestellt und berichtet von einer im Vergleich zu herkömmlichen x86-Lösungen um 50 Prozent reduzierten TCO.
Mit einer gesteigerten Auslastung der CPUs alleine lassen sich solche Zahlen nicht erklären. Dazu kommen Faktoren wie kleinere Stellflächen, reduzierte Stromkosten und Wärmeabgabe oder vereinfachtes Systemmanagement. Ein wichtiger Punkt, wo die Virtualisierung schon in kleinsten Umgebungen ihre Vorteile ausspielt ist das Risikomanagement. Bei minimalen Server/Client-Konfigurationen werden ausfallende Komponenten zwar nicht dynamisch sondern manuell ersetzt. Die Wiederherstellung des Systems erfolgt jedoch faktisch auf Mausklick. Dazu kommt, dass sich virtuelle Maschinen einfacher gegen Viren oder Würmer abschotten lassen. Alles Vorteile, die auch Microsoft nicht entgangen sind. Der Softwareriese verteilt seinen \"Virtual Server 2005 R2“, der auch Bestandteil der kommenden Serverprodukte sein wird, als kostenfreien Download. Im Virtual Server arbeitet der \"Hypervisor“, eine kleine Zwischenschicht die ähnlich wie auf IBMs Mainframe bereits auf Betriebssystemebene die Ressourcenaufteilung steuert. \"Es gibt derzeit einige Mitbewerber, die das besser machen. Wir sind in österreich einer Spielphase“, gibt sich Hans Berndl, Server-Spezialist bei Microsoft, bescheiden. Noch, muss man wohl ergänzen. Denn wenn der Softwareriese einen Markt ins Visier genommen hat, darf sich der Mitbewerb warm anziehen. Die Zielrichtuntung ist auch schon abgesteckt. \"Wir bringen die Virtualisierung auf Commodity-Hardware“, sagt Berndl. Die Zeit dafür ist günstig. Die CPU-Hersteller Intel und AMD rüsten ihre neuesten Prozessoren bereits mit Virtualisierungs-Erweiterungen aus. Ein lohnender Massenmark zeichnet sich daher schon ab. Am Support wird es auch nicht scheitern. Microsoft unterstützt virtuelle Software genauso wie \"echte“ und steht damit nicht alleine. Auch Fujitsu Siemens sieht die Zukunft des \"Dynamic Data Centers“ nicht nur im Rechenzentrum. \"Die Technologie wird als Digital Home beim Endanwender die Unterhaltungssysteme steuern“, prophezeit Vertriebschef Wolfgang Mayer. Es ist also höchste Zeit, sich schon heute damit auseinander zu setzen.
Virtualisierung auf dem Prüfstand Wie in der wirklichen Welt ist auch bei der Virtualisierung nicht alles schwarz oder weiß. So steigt beispielsweise der Komplexitätsgrad für das Systemmanagement enorm an. Ist die Implementierung jedoch erst geschafft, wird das Handling zum \"Kinderspiel“. Die Bestandsaufnahme ist nicht in Stein gemeißelt. Microsoft und die Linux-Distributoren wollen die Virtualisierung auf dem Desktop etablieren, wovon auch Kleinbetriebe und selbst Endbenutzer davon profitieren werden. Die wesentlichen Vor- und Nachteile der Vitrualisierung: Plus: Entkoppelt die Betriebssysteme von der darunter liegenden Hardware |