Report: Vor kurzem berichtete die Architektin Silja Tillner, wie Städte in den USA mit dem Thema Hochhaus umgehen. Wie wollen Sie diese Studie in die Praxis umsetzen?
Görg: Die Frage war, wie liberal andere Städte in der Frage des Hochhausbaus sind. Eines ist aufgrund der Studie klar: Für uns kommen Hochhäuser nach wie vor nicht im Stadtzentrum in Frage, wobei Wien/Mitte oder der Donaukanal nicht zum Stadtzentrum gehören, gemeint ist die mittelalterliche Stadt. Wir möchten aber Hochhäuser an ausgewählten Standorten haben - und zwar Hochhauslandschaften, was bei Stadtplanern und Architekten durchaus umstritten ist.
Unter Görg-Regentschaft wird es einen Stumpf-Tower als Solitär aber nicht geben.
Was sind Ihre Kriterien bei der Auswahl der Standorte? Manche kritisieren, dass es kein Konzept gibt.
Es gibt das zehn Jahre alte Konzept von Coop Himmelb(l)au: Hochhäuser nicht im Zentrum, nur an Plätzen mit optimaler Verkehrsanbindung. Da ist mit der Wienerberg-City, die unter meinem Vorgänger Swoboda genehmigt wurde und nicht diese Kriterien erfüllt, ein Sündenfall passiert. Wir haben bisher kein Konzept, wo ein Hochhaus hingebaut werden soll, wir haben nur die negative Abgrenzung.
Wenn man nur negativ definiert, besteht doch die Gefahr, dass Hochhäuser wahllos in die Gegend gestellt werden. In London werden sie entlang definierter Achsen errichtet. Könnten Sie sich etwas ähnliches in Wien vorstellen?
Das haben wir ja in der Wagramer Straße. Dort hat es die Entscheidung für eine Hochhauszeile von der UNO-City weg gegeben.
In den USA erlaubt das Bonussystem Hochhäusern, höher zu werden, wenn dafür öffentliche Plätze geschaffen werden. Wollen Sie den Wiener Hochhausbau in diese Richtung bringen?
An sich, ja. Wir haben das in der Stadtregierung schon diskutiert, es ist aber nicht auf Gegenliebe gestoßen. Ich könnte mir vorstellen, dass in Zusammenhang mit Koalitionsverhandlungen auch das zu einem Thema wird. Es geht nicht, dass der Steuerzahler teure Infrastruktur zu schaffen hat, damit ein Privater seinen Widmungsgewinn lukrieren kann! Einen Teil davon muss er für Infrastrukturprojekte zur Verfügung stellen.
Mit wem wollen Sie das umsetzen?
Für uns gibt es ja - auch aus arithmetischen Gründen - nur die Möglichkeit, das in Koalition mit der SPö zu machen. Eine grün-blau-schwarze Koalitionen kann sich niemand vorstellen, obwohl die Grünen und ich uns in dieser Frage nahe sind.
Rückblickend: Was haben Sie in dieser Legislaturperiode auf dem Gebiet der Stadtplanung umsetzen können?
Dass aus Planungen Realisierungen geworden sind. Meinem Vorgänger werfe ich vor, dass zu viel geplant wurde. Konkrete Beispiele: die B 3, die B 12 b in Altmannsdorf, aber auch Bürgerbeteiligungen. Hannes Swoboda hat immer gemeint, mangelnde Zustimmung zu Projekten sei auf mangelnde Information zurückzuführen - der größte Blödsinn! Gerade die Bürger, die gegen etwas sind, sind oft sehr gut informiert. Bürgerbeteiligung hat aber nur dann Sinn, wenn man spürbare Konsequenzen zieht. Bei der U 1 und der Verlängerung der U 2 haben wir aufgrund der Bürgereinwände die Kosten um mehr als eine Milliarde überschritten.
Ist der Bürger also an Kostenüberschreitungen schuld?
Nein, ich bin nur überzeugt, dass sich die Bürgerbeteiligung ausgezahlt hat, weil das Projekt zwar teurer, aber auch besser geworden ist.
Bei der Bürgerversammlung für das Projekt Bahnhof Wien/ Mitte gab es massiven Protest. War die Beteiligung sinnvoll?
Auch dort war sie es. Was wir nicht ausräumen konnten, waren die fundamentalen Einwände. Ich bin bereit, mir alle Einwände anzuhören, aber nicht, die Entscheidung zu demokratisieren. Die Politik entscheidet, ob ein Projekt verwirklicht wird.
Das Projekt Wien/Mitte wurde in der Parteizeitung der FPö Wien überdimensioniert dargestellt, was die Stimmung aufgeheizt hat. Haben Sie die Macht der Bilder unterschätzt?
Ja. Wir waren zu lange in der Defensive, weil wir nicht die richtigen Bilder hatten. Mit fairen Bildern muss man jedem manipulierten Bild, wie es die FPö verwendet hat, Paroli bieten können.
Sie wollen jungen Architekten über Wettbewerbe mehr Chancen geben. Große Projekte werden aber immer an die gleichen Stars vergeben. Haben Politiker Angst vor schlechter Presse?
Meine Hauptaufgabe ist es nicht, namenlose Architekten zu Aufträgen kommen zu lassen. Es ist nun einmal ein Faktum, dass für Unternehmen auch der mit einem Projekt verbundene Name Teil des Image ist. Ein Projekt von Norman Foster hat einen anderen Stellenwert als eines vom Müller. Und Politiker fürchten sich zu Recht. Ich war lange genug Gegenstand schlechter Presse. Man soll nicht immer von Politikern verlangen, Mut zu unpopulären Entscheidungen haben zu müssen.
Was ist Ihnen als Planungsstadtrat nicht gelungen?
Ich war immer der Meinung, der Planungschef sollte auch die Finanzhoheit haben, weil es unbefriedigend ist zu planen, aber nicht die Kontrolle über die Realisierung zu haben. Das Zweite ist, dass wir durch die Dezentralisierung im Planungsbereich keine Beschleunigung, sondern eine weitere Verzögerung erreicht haben. Wenn Bezirke Einspruch gegen eine stadtplanerische Maßnahme erheben und nur viermal im Jahr Vertretungssitzungen haben, braucht ein Plandokument sechs Monate länger. Da haben wir keinen idealen Mittelweg gefunden.
Was würde sich Ihrer Meinung nach unter einer rotgrünen Regierung in der Wiener Stadtplanung ändern?
Sie würde wirtschaftsfeindlicher werden. Bis zu meinem Amtsantritt ist überall Betriebsbaugebiet in Wohnbaugebiet umgewandelt worden. Das habe ich verändert, die Stadtplanung hat eine wirtschaftsfreundliche Ausrichtung bekommen. Das würde sofort verschwinden, der Ruf Wiens als Wirtschaftsstandort würde sich verändern. Ich kenne die handelnden Personen in der SPö recht gut, die wissen, dass man um Wettbewerbsfähigkeit nicht umhinkommt. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass die sehenden Auges in eine rotgrüne Koalition hineingehen.
Was geben Sie Ihrem potenziellen Nachfolger als Planungsstadtrat mit auf den Weg?
Im Interesse Wiens so weiterzumachen, wie ich begonnen habe. Er sollte die Dynamik, die in den letzten Jahren in die Stadt gekommen ist, aufrechterhalten und die Wettbewerbsfähigkeit sichern. Letzter Punkt: Stadtplanung sollte mehr sein als Flächenwidmung, nämlich eine gesamtstädtische Aufgabe, wo alle Ressorts mitarbeiten.