Skurrile Liberalisierung
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Die Ampel steht endlich auf grün, aber auch nach der Liberalisierung des Briefmarktes fährt niemand los.
Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“ Es hat ein paar Jahrzehnte gedauert, aber dann wurde der Sager des US-Autors Carl Sandberg zum geflügelten Wort der Friedensbewegung. Ziemlich friedensbewegt geht es auch auf dem Briefmarkt zu, obwohl der Startschuss für die Liberalisierung mit Jahresbeginn gefallen war. Statt Wettbewerb und Kampf um Kunden bleibt bis auf weiteres alles wie gehabt. Die Post darf zwar jetzt auch offiziell als Ex-Monopolist gelten, das „Ex“ ist freilich eher theoretischer Natur. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein paar gefühlte Jahrzehnte hat allein der Liberalisierungsprozess gedauert. Dieser wurde in Brüssel noch weit im letzten Jahrhundert gestartet und von der EU mehrfach verschoben. Schon in den 90ern wälzte das Postmanagement Strategien, wie man neuen Konkurrenten im Briefmarkt begegnet. Kein Fehler, aber im Rückblick betrachtet nicht nur zehn Jahre zu früh, sondern auch vergebene Mühe. Als potenzielle Marktteilnehmer wurden so gut wie alle namhaften Postgesellschaften gehandelt. Schweizer, Franzosen, Holländer und natürlich die mächtigen Deutschen.
Um die Deutsche Post nicht zu verprellen, pilgerte vor allem Ex-General Anton Wais zum regelmäßigen Kotau in die Bonner Zentrale. Leere Flugkilometer, denn weder Kooperationsverhandlungen, noch freundliche Nasenlöcher haben die Konkurrenz in Schach gehalten. Eher schon Zermürbung durch das Warten auf das Postmarktgesetz 2009, das die jetzige Liberalisierung regelt. Und noch eher Ernüchterung, als der regulatorische Wurf endlich am Tisch lag. Die holländische TNT zog sich als Reaktion darauf aus Redmail, einem 50:50 Joint Venture mit Styria, zurück. „Unter diesen Rahmenbedingungen kann in Österreich kein echter Postmarkt entstehen“, ätzte Redmail-Boss Klaus Schauer damals. Bekrittelt wurden unter anderem die hohen Kosten für die neuen Hausbriefachanlagen, die zu allem Überdruss erst 2013 flächendeckend installiert werden müssen. Pikant: Eine Verordnung, die die Umstellung nicht nur zu einem früheren Zeitpunkt vorsah, sondern die Kosten dafür auch noch den Hauseigentümern umgehängt hätte, war vor Gericht gekippt worden. Falls wahr, noch pikanter: Laut Insidern sollen ausgerechnet Redmail/
Styria-Juristen die gefloppte Verordnung mitformuliert haben.
Schwieriger Markt
Nicht nur das rigide Postmarktgesetz dämpft die Lust auf Wettbewerb. Österreich ist nicht nur ein kleiner Postmarkt, sondern gilt auch noch als schwierig. Der Grund dafür liegt schlicht in der Geographie. Die Alpen ziehen sich von Bregenz bis Wien, eine logistische Grundversorgung ist entsprechend aufwändig und die Errichtung einer Infrastruktur teuer. Selbst in schon „ewig“ liberalisierten Postmärkten wie der Werbemittelverteilung machte sich das bemerkbar. Außerhalb der wenigen Ballungszentren existieren selbst harte Mitbewerber oft nur am Firmenpapier – und liefern ihre Aufträge dort gerne via Post aus. Aber warum sollen überregionale Werbekunden zum Schmiedl gehen, wenn man gleich zum Schmied gehen kann? Selbst ausgefuchste Profis wie der Logistik-Riese Hermes zahlten beim Markteinstieg in Österreich Lehrgeld. Zwischen Brüssel und Warschau ziehen die Deutschen – ganz das flache Land gewöhnt – ein Netzwerk für alle möglichen Transporte in Echtzeit auf. Aber zwischen Lienz und Schladming? Ein weiterer Dämpfer ist der schrumpfende Markt.
Jahrzehntelang war die Briefbeförderung eine Lizenz zum Gelddrucken. Bezeichnenderweise sprach das Postmanagement von „Briefrente“, wie die ewig sprudelnde Quelle intern genannt wurde. Ausgerechnet jetzt, wo der heilige Gral zur exklusiven Beförderungen von Briefsendungen unter 50 Gramm endlich gefallen ist, wird der Markt zunehmend unsexy. Seit Jahren schrumpfen – langsam aber kontinuierlich – die Volumen. Private schreiben schon lange lieber E-Mails als Briefe, jetzt erodiert auch noch das wichtige Firmensegment. Großkunden wie die Telekom Austria etwa verzichten zunehmend auf teuren Rechnungsversand. In den Bilanzen wurde das durch Sondereffekte wie häufige Wahlen etwas zugedeckt. Aber auch politische Parteien sparen, ebenso wie der Versandhandel, zunehmend an Papier. Auch wenn Konkurrenz im Briefmarkt bis auf weiteres ausbleibt. Georg Pölzl wird der erste Postgeneral sein, der ernste Herausforderungen zu meistern haben wird.
ÖIAG-Kapazunder Peter Michaelis augurte ja schon im April 2004 und – sic! - zwei Jahre vor dem Börsengang, dass die Post „mittelfristig“ faktisch vor der Pleite stehe. Erstaunlich: Michaelis ist immer noch im Amt und der Postfuchs fährt immer noch hübsche Gewinne ein. Aber die Zeiten werden härter.