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Teure Tropfen

\"PalaisAlte Weine werden zu Höchstpreisen gehandelt.

Ob sie noch genießbar sind, ist meist zweitrangig. Denn nur wahre Weinliebhaber trinken sich auch durch ihre Sammlung.

Im Bremer Ratskeller ruht in einem Fass der wahrscheinlich älteste Wein der Welt – der Rüdesheimer Apostelwein von 1727. Zu besonderen Anlässen wird ein halbes Fläschchen abgefüllt. Achim Becker, enthusiastischer Weinliebhaber und Betreiber einer eigenen Webseite (www.wineterminator.com), beschreibt die Verkostung des Weines aus einer vor 80 Jahren abgefüllten Flasche als zwiespältig: »Dunkelbraun, faszinierende Nase, halbtrockener Sherry, Teer, Kaffeetöne, altes, leicht verrottetes Leder, bleibt in der Nase schön, verliert aber sehr schnell am Gaumen und wird säuerlich. Trotzdem faszinierend, dass solch ein Wein überhaupt noch trinkbar ist.«


Dieser Wein muss nicht unbedingt schmecken – allein sein stolzes Alter rechtfertigt den Preis. Bei Internet-Händlern kann der Wein um 3.950 Euro zuzüglich Versandkosten bestellt werden. Eine im Jahr 2000 speziell für eine Auktion bei Christie’s abgefüllte halbe Flasche erzielte rund 6.500 Euro.
Deutlich mehr, nämlich 160.000 Euro, blätterte ein Tiroler Hotelgast kürzlich für eine Flasche »Ampoule 2004« des australischen Großwinzers Penfolds hin. Matthias Tanzer, Chefsommelier des Chateaux Hotel Jagdhof in Neustift, war der Wein angeboten worden. Als ein Stammgast Interesse zeigte, fädelte Tanzer den Deal ein. Bei der Ampoule handelt es sich um die einzige in Europa befindliche Flasche. Vom Jahrgang 2004 existieren lediglich zwölf Flaschen, um die man sich bei Penfolds bewerben konnte. Mehr wirft der uralte Weingarten, der Mitte der 1880er-Jahre mit Cabernet Sauvignon bepflanzt wurde, nicht mehr ab. Üblicherweise fließt der spärliche Ertrag in die Edelmarke »Grange«, nur besondere Jahrgänge werden separat abgefüllt – zuletzt eben 2004. Um das Interesse noch stärker zu schüren, entwarf man für diese Edition eigens ein mundgeblasenes Glasobjekt samt Designer-Holzkiste. Sollte man sich entschließen, den Rotwein zu trinken, fliegt Penfolds einen Weinprofi ein, der die Ampoule rituell öffnet und sogar ein Privatseminar dazu hält.

>> Professionelle Panscher <<

Die wenigsten wertvollen Weine werden jedoch tatsächlich jemals getrunken. Sie lagern wohltemperiert als Prestigeobjekte in Kellern und sollen Stil und Geschmack ihrer Besitzer suggerieren. Nicht zuletzt deshalb ist die Zahl der Fälschungen so groß wie auf kaum einem anderen Sammlergebiet. Erst im März dieses Jahres wurde in Los Angeles Rudy Kurniawan, ein 35-jähriger Indonesier, verhaftet, der im Verdacht steht, begehrte Jahrgänge kistenweise an betuchte Kunden in Russland, China und den USA verkauft zu haben. In seinem luxuriösen Anwesen fanden sich unzählige Kartons mit Etiketten, Korken und Kapseln namhafter Weingüter.

Die Gefahr, dass die Panscherei mit minderwertigen Jahrgängen oder Sorten auffliegt, ist relativ gering: Selbst Weinkenner vermögen oft nicht mit Sicherheit einen Château Lafite 1990 von einem 1994er zu unterscheiden. Warum der 1990er zum dreifachen Preis gehandelt wird, lässt sich für Laien erst recht kaum herausschmecken, außer es handelt sich um eine wirklich plumpe Fälschung. Kurniawan ging aber offensichtlich mit gro­ßer Professionalität ans Werk und versuchte, mit schwachen, »aufgebesserten« Jahrgängen möglichst nah ans Original zu kommen oder es gar zu übertreffen: Umetikettiert, neu verkorkt und mit unbeschädigter, weil ebenfalls neuer Kapsel erfüllten die Eigenkreationen die gängigen Sicherheitskriterien. Lediglich die große Zahl an Raritäten, die sich plötzlich vor allem in den Schwellenländern im Umlauf befanden, hatte Experten schon einige Zeit stutzig gemacht.

Einem österreichischen Fälscher kamen die Behörden 2010 nach einem Tipp des Salzburger Weinhändlers und Journalisten Werner Feldner auf die Schliche. Er wurde misstrauisch, als ein Kärntner über eBay reihenweise Rothschilds der Jahrhundert-Weine 1982 und 1945 anbot. In diesem Fall konnte der Betrüger recht leicht überführt werden, denn ihm war ein fataler Fehler unterlaufen. Zwar hatte er die – ebenfalls im Internet um wenige Euro erworbenen – Etiketten getauscht, unter der Kapsel offenbar­te die Prägung am Korken aber das wahre Alter des begehrten Rotweins: 1980, nicht 1984. Der Preisunterschied liegt im vier- bis sechsstelligen Bereich. Das Landesgericht Klagenfurt verurteilte den Angeklagten zu 27 Monaten, davon neun unbedingt. Den geprellten Käufern aus halb Europa blieb zur Abdeckung ihres Schadens nur der zivilrechtliche Weg – wenn sie nicht aus Scham, einem Fälscher auf dem Leim gegangen zu sein, auf eine Anzeige verzichteten.

>> Klassiker gefragt <<

Die Zunahme an Fälschungen liegt an der beachtlichen Preisentwicklung einiger Weine. Abgesehen von Abwertungen Anfang der 1990er-Jahre verlief die Wertentwicklung durchwegs positiv. Das Risiko ist gegenüber anderen Sammlergebieten relativ überschaubar: Die Anbauflächen haben sich in den letzten 200 Jahren kaum verändert. Die Qualität des jeweiligen Jahrgangs lässt sich anhand einiger Faktoren wie Witterung, Ertrag, Reife etc. recht gut einschätzen. Die Produktionsmenge ist jedoch begrenzt, was die Nachfrage noch zusätzlich anheizt.

Als Investment taugen aber nur wenige. »Jährlich werden weltweit hunderttausende Weine produziert, aber nur 50 bis 100 fallen in die Kategorie der Weine, die als Wertanlage dienen können. Das betrifft eigentlich immer Klassiker: die großen Weine aus Bordeaux, Burgund und Rhône, einige Weine aus Kalifornien und aus Italien, ganz wenige aus Deutschland, Australien oder der Champagne. Österreich spielt hier eigentlich keine Rolle«, erklärt Frank Smulders, Wine Director des Palais Coburg und Park Hotel Vitznau. »Diese Weine gehören schon seit langer Zeit zu den besten der Welt und haben damit einen ›Track-Record‹. Die weltweite Nachfrage ist wesentlich größer als die Produktion. Im Wesentlichen sind es immer die gleichen und bekannten Namen: Pétrus, Lafite-Rothschild, Domaine de la Romanée-Conti, Côte Rôtie von Guigal usw. Geheimtipps gibt es dabei selten oder nicht.«

>> Kampf gegen Fälscher <<

Im Kampf gegen den rasanten Anstieg von Falsifikaten sind viele Hersteller dazu übergegangen, Zertifikate, Sicherheitsbanderolen, Lasergravuren oder Folien mit Hologrammen oder Seriennummern auf den Flaschen anzubringen. Manche Weingüter lassen für jeden Jahrgang eigene Flaschenböden produzieren oder elektronische Chips einbauen. In die Flaschen des Kultweins »Pétrus« wird ein Relief eingeschmolzen, jedes Etikett trägt mehrere Sicherheitsmerkmale, der jeweilige Jahrgang ist auch auf den Kapseln vermerkt. Zusätzlich werden alle Original-Holzkisten mit einem Kunststoffband versiegelt. Längst sind nicht nur Altweine renommierter Weingüter betroffen. Fälscherbanden mit mafiösen Strukturen panschen auch Alltagsweine wie Chianti Classico und bringen unter gutem Namen minderwertige Ware weltweit unters Volk. Weinexperte Frank Smulders empfiehlt deshalb, Weine so jung wie möglich – am besten per Subskription – und nur von zuverlässigen Händlern zu kaufen. Gereifte Weine sollten nur über renommierte Auktionshäuser, nie via Internet erworben werden. Käufe aus privater Hand sind auch insofern riskant, als die Lagerbedingungen – konstant 10 bis 12 Grad, kein Lichteinfall – nicht gesichert sind. Ab einem Alter von 20 Jahren ist auch der Füllstand einer Flasche wertbestimmend: Auch wenn der Korken durch liegende Lagerung stets feucht gehalten wird, schließt er in der Regel nicht völlig dicht ab, was zu einem langsamen Absinken der Flüssigkeit führt. Als Bewertungskriterium gilt das »Mid Shoulder«-Prinzip: In vertikaler Position sollte der Wein noch mindestens auf halber Schulterschräge stehen. Liegt das Niveau darunter, ist der Wein möglicherweise zu stark oxidiert und nicht mehr genießbar.

Ungeachtet der Qualität des Inhalts nehmen in Sammlerkreisen die Flaschen des Château Mouton-Rothschild einen besonderen Stellenwert ein. Seit 1945 wird das Etikett jedes Jahr von einem anderen Künstler gestaltet, darunter so berühmte Maler wie Picasso, Dali, Miro und Andy Warhol. Den Beginn machte der Künstler Philippe Jullian mit dem sogenannten »V-Label« »a la memoire pour Victoire«, zum Gedenken an den Sieg über NS-Deutschland. Auch der Wein selbst nimmt bis heute einen Ausnahmestatus ein: Der Jahrgang 1945 mit strengen Maifrösten und einem heißen, trockenen Sommer gilt als einer der besten, wenn nicht gar der überragende, des 20. Jahrhunderts. Der bedeutendste Wein dieses außergewöhnlichen Jahres stammt vom Château Mouton-Rothschild, dessen damaligem Kellermeister Raoul Blondin ein konzentrierter, komplexer Wein gelang, der Weinkenner noch immer zu Begeisterungsstürmen hinreißt.

>> Flüssige Bibliothek <<

Der Mouton-Rothschild 1945 – und nicht nur eine Flasche davon – findet sich neben unzähligen weiteren Prunkstücken auch im mehrfach ausgezeichneten Weinarchiv des Palais Coburg in Wien. Mehr als 60.000 Flaschen wertvoller Weine aus vier Jahrhunderten, von denen zum Teil nur noch wenige Exemplare existieren, hat Besitzer Peter Pühringer gesammelt bzw. bei internationalen Weinauktionen, etwa bei Christie’s oder Sotheby’s, ersteigert. 20 Millionen Euro hat sich der Weinliebhaber seine flüssige Weinbibliothek kosten lassen, die als eine der umfangreichsten und besten der Welt gilt. Allein der d’Yquem-Keller umfasst 120 Jahrgänge, lückenlos bis zurück ins Jahr 1893. Auch der älteste Wein, der Rüdesheimer Apostelwein von 1727, lagert in den Gewölben.
Geringe Mengen des Bestandes werden ins angeschlossene Restaurant verkauft. Gelegenheit zur Degustation bieten auch diverse weinkulinarische Veranstaltungen; die Coburg Wine Open findet heuer von 14. bis 17. November statt. Der Hausherr selbst gönnt sich ohnehin regelmäßig und ganz ohne Umstände ein Gläschen der einen oder anderen Kostbarkeit fürs eigene Wohlbefinden. Sammlern, die Weine als reines Spekulationsobjekt betrachten, entgeht dieser Genuss. 

 

- Investment-Tipp:

1. Name: Als Wertanlage kommen nur renommierte Weingüter aus Bordeaux, Burgund und dem Rhône-Gebiet sowie teilweise Italien und Kalifornien infrage. Mindestens fünf bis zehn Jahre dauert es, bis Spitzenweine eine Rendite erzielen. Es lohnt sich durchaus, in jüngere Jahrgänge zu investieren – die Gefahr, aufs falsche Pferd zu setzen, ist dabei natürlich größer. Sogenannte »Blue Chip«-Weine sind aber ohnedies schwer zu bekommen und zudem bereits im obersten Preissegment angesiedelt.

2. Bewertung:
Als internationaler Bewertungsmaßstab gilt das Klassifikationssystem des US-Weinkritikers Robert Parker. Als Investment taugen nur Weine mit 96 bis 100 Punkten. Informationen über aktuelle Marktpreise bietet die London International Vintage Exchance (Liv-ex), eine Internet-Handelsplattform für »fine wine«. Er bildet nach festen Bewertungskriterien in einem Index 100, großteils französische Top-Weine ab. Über 90 % sind Bordeaux-Weine.
Der österreichische Weinhändler Werner Feldner bietet unter www.winecollect.eu eine alternative Orientierungshilfe an. Er erstellt anhand von Auktionspreisen, auch jenen von Internet-Plattformen, einen täglichen Weinpreisindex.

3. Jahrgang:
Um Fälschungen zu entgehen, empfiehlt es sich, jüngere Weine mit langer Lebensdauer zu kaufen. Bei diesen Weinen ist noch mit einer ansehnlichen Wertentwicklung zu rechnen, vorausgesetzt man wählt die »richtigen« Weine. Tradition geht in jedem Fall vor Bewertung, ein guter Name zählt mehr als gute Kritiken. Trotzdem bringen manchmal auch weniger teure Weine innerhalb weniger Jahre eine Preissteigerung von 200 %.

4. Gebinde:
Erste Option sind Weine in Original-Holzkisten (OHK) mit Herkunftsnachweis. Damit lässt sich beim Wiederverkauf ein höherer Preis erzielen als mit zwölf Einzelflaschen. Gleiches gilt für Großflaschen: Eine Magnum-Flasche (1,5 Liter) wirkt imposanter und ist zudem die beste Wahl zur Lagerung von Wein. Je größer die Oberfläche des Weines, desto gediegener die Reifung – das große Volumen beeinflusst die Entwicklung des Weines zusätzlich.

5. Lagerung:
Kurzfristig kann jeder Wein Temperaturen bis zu 20 Grad aushalten. Anlageweine sollten allerdings nach Möglichkeit nicht im Schlafzimmer, sondern liegend, lichtgeschützt, erschütterungsfrei, bei maximal 12 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von ca. 70 % gelagert werden. Vor allem große Temperaturschwankungen lassen den Wein zu schnell altern. Wer keinen einen Erdkeller besitzt, sollte einen Weinklimaschrank anschaffen. Bei wirklich teuren Weinen fallen die Kosten dafür auch nicht mehr ins Gewicht.

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