Wien - Bratislava
- Written by Redaktion_Report
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Brigitte Jank: Wien befindet sich einer einzigartigen Lage. Durch die vergangenen EU-Beitritte ist Wien ins Herz Europas gerückt und kann nun seine historische Rolle als europäischer Mittelpunkt wahrnehmen. Viele der neuen Mitgliedsländer sehen uns bereits als Verbündete in einem größeren Wirtschaftsraum. Wien und Bratislava beispielsweise ergänzen einander wunderbar. Was wir brauchen, ist daher ein klares Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit unseren östlichen Nachbarstädten.Damit verbunden hat die Konkurrenz direkt vor unserer Haustüre, nur eine Autostunde von Wien entfernt, zugenommen. Dass Wien seine starke Position behalten kann, muss die Wirtschaft weiter entlastet werden. Dazu zählen auch der Ausbau des Bildungsbereiches und die Anhebung der Akademikerquote.
(+) plus: Wie kann die Kooperation zwischen Wien und Bratislava funktionieren?
Jank: Die Wirtschaftskammern beider Länder haben bereits vorgezeigt, wie gut eine solche regionale Zusammenarbeit funktionieren kann. So wurde vor drei Jahren begonnen, die Daten der Wirtschaftsräume gemeinsam zu erheben. Der Nachteil auf der einen Seite wird durch einen Vorteil auf der anderen Seite ausgeglichen. Zum Beispiel verfügt Wien über hochqualifizierte Mitarbeiter, während Bratislava günstigere und für die Massenproduktion bessere Rahmenbedingungen aufweist.
(+) plus: Sehen Sie Nachteile, die Wien im Vergleich zu den Konkurrenzstandorten in Zentraleuropa hat?
Jank: Wir liegen nahe einer Region, die aufgrund von EU-Förderungen, die uns nicht zur Verfügung stehen, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Wien genießt. Zusätzlich gibt es Versäumnisse im Bereich der Verkehrsinfrastruktur, also bei Straße und Schiene.
(+) plus: Wie kann die Ansiedlungspolitik verbessert werden?
Jank: Wien weist durch seine Hauptstadtfunktion höhere Grundstückspreise als andere Städte auf. Diesen Nachteil gilt es nun bei Ansiedlungen wettzumachen. So konnten wir im vergangenen Jahr durch Anbieten eines Gesamtpaketes, mit dem die Planung und bürokratische Abwicklung für Produktionsbetriebe einfacher wird, Bombardier in Wien halten. Diesen erfolgreichen Weg müssen wir fortsetzen.
(+) plus: Budapest hat eine sehr interessante Entwicklung, ist aggressiv im Wettbewerb um Konzernansiedlungen. Was hat Wien, was andere nicht bieten können?
Jank: Abgesehen vom hohen Ausbildungsstandard unserer Mitarbeiter, ist Wien eine äußerst lebenswerte Stadt. Sie bietet Sicherheit, ein reichhaltiges Kulturangebot sowie die Möglichkeit, zentral die Ostmärkte zu erschließen. So bietet etwa die AUA ein dichtes Flugnetz in den Osten. Am besten zeigt sich die attraktive Lage Wiens darin, dass etliche Unternehmen Niederlassungen in Wien gegründet haben und damit natürlich weitere Betriebe anziehen.
(+) plus: Haben KMU die Chancen der öffnung genutzt?
Jank: Die Kleinen haben nichts versäumt. Sonst wären wir nicht Exportweltmeister - nicht nur bei Waren sondern auch bei Dienstleistungen. Dass nicht jeder Unternehmer die Entscheidung treffen will und kann, über die Grenzen zu gehen, liegt in der Natur der Sache. Man muss sehen, dass die Wirtschaft in ganz Europa klein strukturiert ist. Das ist kein österreichisches Phänomen. Deshalb fordern wir von der neuen Bundesregierung, dass sie auf diese Struktur Rücksicht nimmt und mithilft, damit die KMU auch am heimischen Markt erfolgreich sein können.
(+) plus: Wie löst man ein zentrales Problem für KMU - nämlich die Kapitalausstattung?
Jank: Den Auswirkungen von Basel II auf heimische Kleinstbetriebe konnte durch geschicktes Verhandeln seitens der Wirtschaftskammer entgegengewirkt werden. Nach wie vor ist es für viele kleine Unternehmen schwierig, Zugang zu Risikokapital zu haben, was Start-Ups besonders spüren. Steuerliche Entlastungen die mit dem ab Jänner in Kraft getreten KMU-Paket spürbar werden, könnten sich auch positiv auf die Eigenkapitalausstattung der Betriebe auswirken.
(+) plus: Wie beurteilen Sie die Absichten der neuen Bundesregierung?
Jank: Im Regierungsübereinkommen wurden viele von der Wirtschaft vorgeschlagene Themen übernommen. Die Arbeit der Regierung wird aber an ihren Taten gemessen werden. Die Zusammensetzung der großen Koalition gewährleistet eine Fortsetzung des wirtschaftspolitischen Kurses der letzten Jahre.
(+) plus: Was war - ganz kurz zusammengefasst - die wichtigste Entwicklung der vergangen zehn Jahre und was die größte Enttäuschung?
Jank: Der Beitritt österreichs zur EU und deren Erweiterungschritt waren die größte Chance die unsere Unternehmer auch bestens genutz haben. Die Entäuschung war, dass die Wirtschatft steuerlich zu spät entlastet wurde. Da haben wir viel Zeit verloren.