In Shenzhen hat es begonnen
- Written by Martin Szelgrad
- font size decrease font size increase font size
Der IKT-Hersteller Huawei ist möglicherweise das »internationalste« chinesische Unternehmen derzeit und will mit Enterpriselösungen in Europa wachsen.
Martin Szelgrad aus China
Vor 30 Jahren noch eine Kleinstadt, die hauptsächlich vom Fischfang lebte, ist Shenzhen zu einer Millionenmetropole gewachsen. Auf diesem fruchtbaren Untergrund gedieh auch der Technologiekonzern Huawei zu einem der größten IT-Unternehmen der Welt heran. Allein in Shenzhen arbeiten 35.000 Menschen für das Unternehmen. 140.000 sind es weltweit. Eine halbe Stunde Autofahrt nördlich befindet sich am Songshan Hu, einem See zwischen Shenzhen und der Nachbarstadt Dongguan, einer der großen Fertigungsstandorte und Logistikzentralen Huaweis. Auf teilautomatisierten Fertigungsstraßen werden Leiterplatten für Server und Funktechnik assembliert. Automatisierungstechnologie aus der Schweiz, Produktionsgeräte aus Deutschland und eine japanisch geprägte Prozessphilosophie bilden den Arbeitsalltag der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Entlang in den Boden gelassener Leitlinien kurven »Automated Guided Vehicles« (AGVs) durch die Hallen und transportieren Material von einer Werkbank zur anderen. In Nebenbereichen befinden sich Ruhezonen für die Belegschaft. Auf Tafeln werden Belobigungen und Tadel, aber auch die persönliche Tagesverfassung von den Mitarbeitern selbst dokumentiert. Zeigen die Mundwinkel eines Smileys nach unten, wird nachgefragt und Kollegen bieten ihre Hilfe an. Mit dem Bild des asiatischen Sweatshops hat diese Arbeitsumgebung nichts gemein. Rund 13.000 Menschen – über eine gleich hohe Mitarbeiterzahl verfügt Huawei in ganz Europa – arbeiten hier am Werksgelände und firmeneigenen Campus mit angeschlossener Ausbildungsstätte und Wohnbereichen. Im Jahr 2013 generierte der Hersteller weltweit 28,6 Milliarden Euro Umsatz. Auf Europa entfällt etwas mehr als ein Drittel des Geschäfts mit mobilen Endgeräten, Vermittlungstechnik, Netzwerkprodukten, Software sowie Servern und Speichersystemen. In der Sparte der Enterpriselösungen wollen die Chinesen nun auch in Europa stärker wachsen. »Wir sehen Europa als den für uns wahrscheinlich wichtigsten Markt, auch weil er besonders hart umkämpft ist«, bekräftigt Joe Kelly, Vice President International Media Affairs bei Huawei. »Von allen chinesischen Konzernen ist Huawei das sicherlich am meisten international und privat aufgestellte Unternehmen«, ist er überzeugt. Die Firmenanteile sind im Streubesitz der Mitarbeiter. Größer Einzelaktionärist der öffentlichkeitsscheue Firmengründer Ren Zhengfei. Er hält immerhin 1,4 % am Unternehmen. In Shenzhen wurde auch das Enterprisegeschäft Huaweis begründet, als man begann, den Firmen der Sonderwirtschaftszone Telefonanlagen zu verkaufen. Heute macht der Konzern 2,5 Milliarden Dollar Umsatz allein mit Unternehmenslösungen. Das Portfolio beginnt bei den Themen Collaboration und klassische Telefonie und reicht bis zu Videokonferenzlösungen auf Highend-Niveau, sowie Plattformen, die all dies unter einem Dach vereinen.