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Der Fisch muss auf den Tisch

\"KonflikteKonflikte entstehen nicht plötzlich, und man stolpert auch nicht zufällig hinein. Sie entwickeln sich.

Die ersten Anzeichen sind Sticheleien und leichte Vorwürfe, manche Kontrahenten reagieren aber auch zunehmend mürrischer, gehen einander aus dem Weg und sabotieren wichtige Entscheidungen. Alle Faktoren, die eine gute Kommunikation ausmachen, können in Konflikten destruktiv eingesetzt werden.

Im Rahmen einer Befragung von Führungskräften aus Wirtschaft und Verwaltung identifizierten die Psychologen Joachim Selter und Ines Wilczek sechs typische Konfliktsignale: Aggressivität, Desinteresse, Widerstand, Uneinsichtigkeit, Flucht sowie Überkonformität. Je mehr Emotionen im Spiel sind, desto stärker ist die Urteilsbildung eingeschränkt. Die Folge ist unreflektiertes Handeln, das später oft bereut wird. »Sobald ein Konflikt wahrgenommen wird, muss er auch gelöst werden«, sagt Verhandlungsexperte Matthias Schranner. »Wer den Konflikt frühzeitig erkennt, kann ihn steuern.« Die Kunst besteht darin, trotz unterschiedlicher Positionen und atmosphärischer Verstimmungen eine konsequent respektvolle, wertschätzende Haltung zu bewahren. Zu Beginn die Gemeinsamkeiten hervorzuheben, kann das Eis schon langsam zum Schmelzen bringen.

>> Freund, nicht Feind  <<

Auf keinen Fall sollte die Konfrontation hinausgezögert werden. Die Redewendung »Put the fish on the table« geht der Überlieferung nach auf die Tradition sizilianischer Fischer zurück, die ihren Fang gemeinsam auf einem Tisch ausnehmen und säubern. Die blutige, unangenehme Arbeit wird mit einem großen Fischessen am Abend belohnt. Fällt ein Fisch aber unter den Tisch, wird er zu stinken beginnen. Umgelegt auf das Konfliktmanagement bedeutet das: Probleme, an denen gearbeitet wird, finden zu einer für alle Beteiligten befriedigenden Lösung. Versteckte Konflikte beeinträchtigen hingegen das gesamte Team.

George Kohlrieser, Professor für Organisatorisches Verhalten an der IMD Business School in Lausanne und Autor des Buches »Gefangen am runden Tisch«, plädiert für den Einsatz »emotionaler Intelligenz«, um sich nicht von den eigenen Gefühlen oder den Gefühlen der anderen gefangen nehmen zu lassen. »Bauen Sie eine emotionale Bindung zum ,Gegner‘ auf, denn die Konfliktlösung liegt in Ihrer Beziehung zum anderen«, empfiehlt Kohlrieser, der als auch für zahlreiche internationale Konzerne in Krisensituationen als Berater tätig war. Respektvoller Umgang ist oberstes Gebot: »Behandeln Sie die Person als Freund, nicht als Feind.« Gleichzeitig sollte das eigentliche Thema nicht aus den Augen verloren werden. Ein sachlicher Kommunikationsstil ist dabei hilfreich. Keineswegs sollte man von Gefühlen leiten lassen, denn aggressives Verhalten oder Schuldzuweisungen führen unweigerlich in eine Sackgasse.

Der wahre Grund für einen Konflikt ist nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Während sich manche Konflikte an unterschiedlichen Interessen entzünden, liegen dahinter oft vernachlässigte Bedürfnisse, meint Kohlrieser. So schmerze einen Mitarbeiter, der bei einer Beförderung übergangen wurde, weniger der Verlust der damit verbundenen Gehaltserhöhung als die fehlende Anerkennung seiner Leistungen.

>>  Offenheit und Respekt <<

Professionelles Konfliktmanagement bekommt in Unternehmen einen immer höheren Stellenwert. Laut der aktuellen Teamgeist-Befragung des Wirtschaftsforums der Führungskräfte (WdF) vom März 2012 ist der Anteil der konflikt-bezogenen Arbeitszeit seit dem Vorjahr auf 21 % gestiegen. Bewertet mit den angegeben Gehältern der mehr als 200 befragten Führungskräfte erhöhten sich die Konfliktkosten um 8 % auf 1.560 Euro. Teamgeist ist damit längst ein wesentlicher Produktionsfaktor im Arbeitsleben. »Frust und Unzufriedenheit mit der Leistung der Kollegen, unklare Aufgabenstellungen und unterschiedliche Wertvorstellungen«, nennt Studienautorin und Konfliktmanagerin Elvira Hauska die drei Themen, die die Befragten am meisten belasten. Konfliktmanagement in die Unternehmensstrategie zu integrieren, erfordert jedoch seitens des Managements die Bereitschaft zu mehr Transparenz.

Man muss nicht jeden mögen oder mit allen Kollegen befreundet sein, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. »Dream Teams« entsprechen ohnehin meist mehr einem Wunsch als der Realität. Konflikte offen anzusprechen, sollte aber immer möglich sein. Ein Streit verbindet ebenso, wie er trennt. Jack Welch, legendärer CEO von General Electric, erklärte rückblickend in einem Interview, als er nach seinem Erfolgsrezept gefragt wurde: »Es geht im Team hauptsächlich darum, offen zu sein und den Menschen die Wahrheit zu sagen. Leistungen und Verhalten müssen beide berücksichtigt werden. So haben wir bei General Electric ein erfolgreiches Team mit Menschen aufgebaut, die sich gegenseitig mochten und gerne zusammenarbeiteten.«
Führungskräfte dürften dabei vor unangenehmen Entscheidungen nicht zurückschrecken. »Ein gutes Team bauen Sie auf, indem Sie sich von den schwächsten Spielern trennen und die besten fördern«, so Welch: »Es ist entscheidend, Menschen mit Respekt, aber auch mit Offenheit zu begegnen.«

 

\"M.>> Attackieren oder Taktieren?

>> Wer in Verhandlungen Konflikte aufschiebt oder vermeidet, gerät unkontrolliert in eine schwierige Position. Prozesse werden globaler und konfliktträchtiger, die Anforderungen ändern sich stetig, der Druck auf die Verhandlungsführer steigt. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt, um den Konflikt aufs Tapet zu bringen?

Matthias Schranner, langjähriger Verhandlungsexperte des Sondereinsatzkommandos der deutschen Polizei und nunmehr Vorstandsvorsitzender des Schranner Negotiation Institutes in Zürich, unterscheidet zwei Philosophien:

>> Low hanging fruits first: Zuerst werden einfache Themen verhandelt, um die Beziehung zu stabilisieren. Die schwierigen Punkte werden erst gegen Ende aufgegriffen.

>>Put the fish on the table: Hier werden die Konfliktthemen bereits zu Beginn angesprochen – mit dem Risiko eines frühen Abbruchs der Gespräche.

Schranner argumentiert aus seiner Erfahrung als Verhandlungsführer bei Geiselnahmen zunächst für Deeskalation. Geiselnehmer, die in der Regel nicht strategisch und taktisch überlegt agieren, würden sich generell für die zweite Variante entscheiden – und sich selbst dadurch viele Optionen nehmen. Werden Drohungen ausgesprochen, scheint der Konflikt erst recht unüberwindbar. »Die Kunst ist aus meiner Sicht, die Dramatik zu reduzieren und mit einer gewissen spielerischen Leichtigkeit zu verhandeln«, sagt Schranner.

Er plädiert dafür, am Beginn die grundlegenden Gemeinsamkeiten zu betonen. Indem man dem Gegenüber signalisiert, keine sofortige Entscheidung zu erwarten, wird automatisch viel Dramatik genommen. »Einem Geiselnehmer sagt man beispielsweise, dass man ihn nicht stoppen kann und er die Handlungshoheit hat«, erklärt Schranner. Mit dem Vorschlag, in aller Ruhe gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, beginnt dann die eigentliche Verhandlung.

Die Negotiation Conference 2012 findet heuer zum Thema „Put the fish on the table – Wie steuert man eine Verhandlung bewusst in den Konflikt?“ am 4. und 5. Oktober 2012 in Zürich statt.
Info & Anmeldung:  www.schranner.com

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