Weniger Umwege, mehr Leute, schneller
- Written by Redaktion_Report
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Report: Herr Jarosch, wo steht Siemens Enterprise Communications nach den internationalen Umstrukturierungen nun in österreich?
Josef Jarosch: International gesehen hat Siemens Enterprise Communications im letzten Jahr entgegen manchen Medienberichten volumenmäßig keinen Verlust erlitten und hat sich in einer schwierigen Branche weiter behaupten können. Ein möglicher Verkauf ist nun auch endgültig vom Tisch. Wir wissen aber, dass sich der Markt weiter konsolidieren wird und sind offen für Partnerschaften, in denen wir aktiv partizipieren können. Dies ist klar ein Vorteil, den wir weiterhin haben. In österreich wurden ja ohnehin immer die Hausaufgaben erledigt. Die Kunden können nun aber sicher sein, dass unser Produktportfolio nicht nur state-of-the-art ist, sondern auch bestehen bleibt und weiterhin gepflegt wird. Trotz all der Wirren und Unsicherheiten in manchen Zeitungsberichten verläuft unsere Geschäftsentwicklung gut.
Konkret zum Portfolio: Was erwarten Sie sich von der neuen OpenStage-Produktfamilie?
Im Wesentlichen haben all unsere Technologien und Lösungen mit Sprachkommunikation zu tun, die zentralen Plattformen stehen aber in den IT-Räumen der Unternehmen und sind für den Enduser nicht sichtbar. Investitionen in Systeme dieser Art werden abhängig von der Branche und Größe der Firma im Schnitt alle sieben bis zehn Jahre getätigt. Die Länge dieser Zyklen wird sich auch nicht mit der allgemeinen Verbreitung von Softswitches ändern, niemand wird deswegen plötzlich alle drei Jahre die gesamte Telefonie erneuern. Wir gehen deshalb auch mit unserer neuen Produktgruppe bewusst in keine große Erwartungshaltung, innerhalb kürzester Zeit bestimmte Absatzhöhen erzielen zu müssen. Ich gehe aber davon aus, dass das Design und die intuitive Menüführung der neuen Geräte auffallen werden. So sind Eigenschaften wie etwa eine mit Bluetooth gestützte Updatemöglichkeit des Telefonverzeichnisses mit einem Handy ausgesprochen innovativ und praktisch. Die bessere Bedienbarkeit wird überhaupt die Nutzung der Features unterstützen. Wenn Sie sich dagegen zehn oder 15 Jahre alte Apparate ansehen, sind Funktionen wie Weiterleiten oder Umlegen stets mühsam für Ungeübte gewesen. In Summe sind es viele einzelne Schritte, die zu einer größeren Akzeptanz der neuen Geräte führen müssten. Doch ist Enterprise-Telefonie sicherlich kein so modisches Produktfeld wie der Handysektor, in dem halbjährlich neue Geräte auf den Markt gebracht werden. Mit unserem Portfolio versuchen wir zwar immer, Neues zu liefern, die OpenStage-Familie wird aber solide Basis unseres Geschäfts der nächsten Jahre sein. Wir können uns mit optisch ansprechenden und in Europa designten Geräten auch gut von der amerikanischen Konkurrenz abgrenzen.
Ist die SIP-Integration die einzig richtige Stoßrichtung der Industrie?
Ja - wir sind bereits mitten in der IT-Industrie gelandet. Siemens vertritt strikt den Ansatz offener Plattformen und Normen, da unsere Kunden kompatible Lösungen zu ihren Umgebungen benötigen. Ein IT-Verantwortlicher verlangt offene Schnittstellen, um auch in Zukunft Server, SAP-Systeme oder andere Einheiten von unterschiedlichen Herstellern kaufen zu können. Siemens orientiert sich bereits seit Jahren an diesen Standards und ist sicherlich jener Lieferant, der dies am konsequentesten durchsetzt und durchhält. Es mag schon sein, dass sich hie und da Gerätefamilien nicht über eine längere Zeitspanne kompatibel halten konnten - die neuen Geräte sind mit allen gängigen IT-Standards voll kompatibel und ermöglichen langfristig Variabilität und Flexibilität der IT in den Unternehmen. Bereits unser 8000er-HiPath-Switch bildet ein Umbrella-System über die Geräte anderer Hersteller und integriert diese.
Wir alle kennen den Trend, dass proprietäre Telefonie in der IT aufgehen wird, wissen aber auch, dass dies kein einfaches Thema ist. Die Komplexität hier ist von vielen unterschätzt worden. Es ist eine Sache, IT-Integration auf den Blaupausen zu leben - eine andere Sache ist es, in der Praxis änderungen in laufenden Systemen durchzuführen, die oft Auswirkungen auf die gesamte Prozessstruktur haben. Dies geht nur mit offenen Schnittstellen.
Wie könnte in der Praxis eine solche Umwandlung in den Prozessen aussehen?
Nehmen wir als Beispiel einen Logistik- oder Produktionsprozess, der über 20 bis 25 Stellen abgewickelt und per SAP begleitet wird. Heute muss sich der Nutzer bei einer Störung im Prozessablauf mühsam auf Fehlersuche begeben, Telefonnummern heraussuchen und ins Gerät tippen. Mit einer Sprachintegration im Ablauf wird es nun möglich sein, per Mausklick direkt Voicekontakt mit jeder einzelnen Stelle im System aufzunehmen. Selbst wenn die Ansprechperson dann nicht unmittelbar erreichbar wäre, können Sie dorthin immer noch eine E-Mail schicken. Solche Lösungen ermöglichen eine reale Beschleunigung in der Kommunikation: Man schafft es über weniger Umwege, mehr Leute schneller zu erreichen. Die Voiceintegration in Enterprise-Ressource-Planning-, aber auch Customer-Relationship-Management-Systemen wird viel Erleichterung bringen. Wir sind diesbezüglich auch in Kooperationen mit Herstellern wie SAP.Falls ein System beim Kunden hier offene Schnittstellen bietet, ist hier lediglich Integration nötig. Zig Mannjahre Entwicklungsarbeit sind nicht notwendig - die Systeme gibt es ja bereits. Freilich geht eine Sprachintegration in einem Unternehmen stets einher mit einer Veränderung der gesamten Prozesslandschaft. Aus diesem Grund steht es Außenstehenden auch nicht zu, ein Unternehmen von solch einer Investition zu überzeugen. Das Bedürfnis zu Veränderung muss auf Kundenseite generiert werden. Die Unternehmen haben aber mittlerweile das Know-how dazu und ich sehe fix Marktentwicklungen in dieser Richtung.
Voraussetzung für entsprechende Integrationslösungen ist aber stets eine Sprach-Datenkonvergenz in den Netzen.
Notwendig sind offene Schnittstellen und ein breites Partnerschaftsportfolio. Die wichtigsten Partnerschaften, die auch immer wieder erneuert werden, laufen derzeit mit SAP, Microsoft, IBM und Accenture. Dies soll heißen: Wir sind offen, es ist alles möglich. Der Markt ist in einem intensiven Wettbewerb, was ich aber auch als große Herausforderung sehe. Die Technologieentwicklung ist spannend, auf Kundenseite hat sich ebenfalls in den letzten Jahren vieles geändert: Es gibt nicht nur den Trend zur IT-Lastigkeit, sondern die Prozesse sind bereits IT-lastig. Die letzten alten TDM-Lösungen finden nun ihr Ende. Mehr und mehr Telefonanlagen werden bereits mit IP-Integrationsmöglichkeiten verkauft.