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Prekär und überwacht

Eine Studie zur Qualität der Arbeit in österreichischen Callcenter, die nun von der Wiener Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) abgeschlossen wurde, zeigt, welche Faktoren die Arbeitsbedingungen in Callcentern beeinflussen.Ein wesentlicher Bestimmungsfaktor für die Arbeitsbedingungen ist der Callcenter-Typ: So genannte Inhouse-Callcenter bieten aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einem Unternehmen grosso modo bessere Arbeitsbedingungen (zum Beispiel Festanstellungen statt freier Dienstverträge). Im Gegensatz dazu tendieren externe Callcenter (eigenständige Anbieter) dazu, die Flexibilitätsanforderungen des Marktes direkt an die Beschäftigten weiterzugeben (leistungsabhängige Bezahlung, freie Dienstverträge).

Der österreichische Markt. Die meisten der insgesamt 400 bis 500 österreichischen Callcenter wurden in den Jahren 1998 bis 2001 gegründet. Inzwischen befindet sich die Branche in einer anhaltenden Konsolidierungsphase - Neugründungen sind selten. Für die kommenden Jahre sind FORBA zufolge zwar weitere Umsatzsteigerungen zu erwarten, jedoch werden die meisten der untersuchten Unternehmen ihren Personalstand nicht weiter erhöhen.

über die Hälfte der österreichischen Callcenter (54 Prozent) sind so genannte \"Inhouse-Callcenter“, die organisatorisch und rechtlich Teil eines Unternehmens sind und nur für dieses die Kundenbetreuung erledigen. 36 Prozent sind externe Callcenter, die als eigenständige Unternehmen Dienstleistungen für verschiedene Auftraggeber anbieten. Die ausgegliederten Callcenter, frühere Callcenter-Abteilungen eines Unternehmens, haben in österreich nur einen Anteil von etwa zehn Prozent. Diese Verteilung lässt auf ein (noch) vergleichsweise traditionelles Kundenmanagement schließen.

Beschäftigtenstruktur. Das durchschnittliche österreichische Callcenter beschäftigt 95 Mitarbeiter, Callcenter mit über einhundert Beschäftigten sind vor allem im Bereich der externen Dienstleister anzutreffen. In Callcentern arbeiten vor allem Frauen und zwar auf allen hierarchischen Ebenen. Jedoch sinkt der Frauenanteil mit der Höhe der Managementposition: 76 Prozent der Agents sind weiblich und immerhin noch 69 Prozent der Teamleiter. Unter den Callcentermanagern sind jedoch nur noch 54 Prozent Frauen.

Callcenter verlangen in der Regel keine bestimmte Ausbildung, jedoch sind Mitarbeiter ohne Schul- oder Berufsausbildung sehr selten. Die meisten haben Pflichtschul- bzw. Lehrabschlüsse oder Matura, etwa 20 Prozent sind Studierende, die vor allem bei externen Dienstleistern arbeiten. Externe Dienstleister bevorzugen Personal, das bereits Erfahrung in anderen Callcentern gemacht hat und investieren überdurchschnittlich in Schulungen. In externen Callcentern befindet sich ein Agent rund 13 Tage im Jahr in Schulungen. Dies ist vor allem auf die wechselnden Projekte in diesen Betrieben zurückzuführen.

Arbeitsbedingungen. Die Callcenter-Branche ist eine klassische Niedriglohnbranche, in der variable Gehaltsanteile, Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigung und freie Dienstverträge üblich sind. Dies gilt vor allem für den Bereich der externen Dienstleister. Während Schwankungen der Auftragslage bzw. Auslastung bei Inhouse-Callcentern innerbetrieblich ausgeglichen werden, steuern externe Dienstleister die Auslastung durch Flexibilisierung der Arbeitsorganisation, beispielsweise durch den hohen Anteil freier Mitarbeiter. 40 Prozent aller befragten Unternehmen, aber 71 Prozent der externen Dienstleister arbeiten mit freien Mitarbeitern. Der Anteil der freien Mitarbeiter an der Gesamtbelegschaft liegt bei den externen Dienstleistern bei 83 Prozent. Bei den Callcentern im Bereich Marktforschung besteht die Belegschaft sogar zu 100 Prozent aus freien Mitarbeitern.Der Stundenlohn eines Callcenter-Agents liegt je nach Branche zwischen fünf und 13 Euro brutto. Der Anteil leistungsbezogener, variabler Entgelte kann bei externen Dienstleistern bis zu 32 Prozent des Gehalts ausmachen. Der hohe Anteil leistungsbezogener Entgelte ist als weiteres Indiz dafür zu werten, dass vor allem bei externen Dienstleistern Unternehmensrisiken auf die Beschäftigten verschoben werden.

In allen Callcentern sind so genannte Service Level Agreements üblich, die auch zur Leistungskontrolle und -bewertung der Agents herangezogen werden. Der Servicelevel hat vor allem in Callcentern Relevanz, die eingehende Anrufe bearbeiten. Er besteht üblicherweise in der Vereinbarung, dass 80 Prozent aller Anrufe innerhalb der ersten 20 Sekunden angenommen werden. Dementsprechend gering sind die Gestaltungsmöglichkeiten der Beschäftigten, was das Arbeitstempo betrifft. In nur 45 Prozent der Inhouse-Callcenter und nur 20,6 Prozent der externen Callcenter haben Agents hier eine Mitsprachemöglichkeit. Der Gestaltungsspielraum für die Beschäftigten beschränkt sich damit weitestgehend auf die Festlegung der Pausenzeiten und auf die Gesprächsführung. Hier nutzen die Callcenter die individuellen Fähigkeiten der Agents. Die Gesprächsinhalte und -verläufe allerdings werden durch Eingabemasken strukturiert.

Computerunterstützte Arbeit wie die Callcenter-Arbeit lässt sich vergleichsweise einfach überwachen, 88 Prozent der Unternehmen nutzen diese Möglichkeit auch: Im Durchschnitt werden 76 Prozent aller Aktivitäten eines Agents überwacht. Die Daten zu Gesprächsdauer und -anzahl werden zur Leistungsbewertung herangezogen. üblich ist auch das Mithören von Gesprächen. Externe Dienstleister sind auch beim Thema überwachung Spitzenreiter: über die Hälfte (53 Prozent) überwacht die gesamte Tätigkeit ihrer Agents, von den befragten Inhouse-Callcentern sind es nur 29 Prozent.

Kollektivverträge. Exakt die Hälfte der befragten Callcenter verfügt über einen Betriebsrat. Allerdings zeigen sich auch hier wieder deutliche Unterschiede je nach Callcentertyp: Nur 18 Prozent der externen Dienstleister, aber 71 Prozent der inhouse-Callcenter haben einen Betriebsrat, was wohl auf ihre Zugehörigkeit zu einem Unternehmen zurückzuführen ist. Kollektivverträge sind in Callcentern, verglichen mit dem Anteil in der übrigen Wirtschaft, seltener, denn insgesamt unterliegen nur 57 Prozent der Beschäftigten in den Callcentern einem Kollektivvertrag.

Vorläufiges Fazit. Die stärkere Abhängigkeit von der Auftragslage und ihre damit, im Vergleich zu inhouse-Callcentern, stärkere Abhängigkeit vom Markt wird von den externen Callcentern auf die Beschäftigten verschoben. Schwankungen in der Auftragslage - und seien sie auch nur hypothetischer Natur - werden durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu Lasten der Mitarbeiter im Callcenter kompensiert. Die Qualität der Arbeit scheint daher weniger vom grundlegenden Arbeitsmodell, also der Kundenbetreuung übers Telefon und mittels Computer, als vom Geschäftsmodell der Betriebe und von den Branchenbedingungen bestimmt. Das heißt auch, dass Callcenter-Arbeit und gute Arbeitsbedingungen grundsätzlich durchaus vereinbar sind.

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