Heimat bist du großer Schätze
- Written by Mag. Angela Heissenberger
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Nahezu alle Industriesektoren sind abhängig vom Zugang zu Rohstoffen. Drohende Engpässe schüren weltweit bei Staaten und Unternehmen Ängste um die Wettbewerbsfähigkeit. Die Vorkommen schrumpfen, die Gewinnung einiger mineralischer Rohstoffe ist bereits sehr aufwendig. Das kräftige Wirtschaftswachstum in China, Indien und Brasilien hat die Situation noch weiter verschärft. Allein der Kupferverbrauch Chinas stieg in den vergangenen zehn Jahren von 12 auf 40 %, wie das World Metals Statistics Bureau dokumentiert. Der Preis für eine Tonne Kupfer lag 2008 bei 3.000 Dollar, aktuell werden auf dem Weltmarkt mehr als 8.000 Dollar bezahlt.
Europa ist im Gegensatz zu den USA, Australien und Russland, die bei den wichtigsten Rohstoffen zu den größten Produzenten zählen, von Importen stark abhängig. Bereits 2009 gründete die EU eigens die Arbeitsgruppe Raw Materials Supply Group, die sich mit der Versorgungssicherheit bei mineralischen Rohstoffen befasst. In einem ersten Statusbericht wurde der Nachschub von 14 Rohstoffen als kritisch bewertet. Insbesondere die als »Seltene Erden« bezeichneten Elemente, darunter Yttrium und Europium, kommen zu 95 % aus China, das ein im Vorjahr verhängtes Ausfuhrverbot erst auf internationalen Druck wieder aufhob. Auch andere, für die Hightechproduktion wichtige Metalle wie Kobalt, Platin und Titan müssen fast zur Gänze importiert werden. Die Engpässe rufen nun erneut Geologen auf den Plan. Einige Staaten, darunter auch Deutschland, sicherten sich inzwischen Areale im Atlantik oder Pazifik, wo im Meeresboden noch unzählige Schätze vermutet werden.
>> Saudi-Arabien der Alpen <<
Auch Österreich kann den Bedarf an mineralischen Rohstoffen nur zum Teil selbst decken. Nur bei Wolfram und Magnesit verfügt die Alpenrepublik über bedeutende Vorkommen und liegt unter den weltweit führenden Produzenten. Aufgrund der weltweiten Verknappung und der hohen Preise lohnt sich die Förderung inzwischen aber auch bei weniger großen Reserven. Von wegen rohstoffarmes Land: Es wird wieder eifrig gegraben und gebohrt.
Derzeit werden in Österreich in 40 untertägigen Abbaustätten sowie mehr als 1.000 Tagebauen mineralische Rohstoffe gewonnen. Neben knapp einer Million Tonnen Rohöl und mehr als 1,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas werden vor allem Erze und Industrieminerale wie Talk, Salz, Gips, Kalkstein und Quarzsand gefördert. Pro Jahr werden etwa 120 Millionen Tonnen an festen mineralischen Rohstoffen abgebaut. Laut Montanhandbuch 2011 gab es seit dem Krisenjahr 2009 erstmals wieder markante Anstiege bei der Förderung von Wolframerz (plus 24,6 %), Eisenerz (plus 3,3 %), Salz (plus 4,3 %) und Erdgas (plus 9,9 %).
Ein bedeutendes Lithium-Vorkommen schlummert im Gebiet der Kärntner Koralpe. Diesen Schatz hebt jetzt allerdings ein australischer Minenbetreiber. Nach jahrzehntelangen Diskussionen wurden die Schürfrechte im September 2011 für 10,25 Milliarden Euro an die East Coast Minerals und deren Partner Minerals Limited aus Dubai übertragen. 1981, als die ÖIAG-Tochter Minerex das Lithium entdeckt hatte, herrschte noch Goldgräberstimmung. Kärnten würde zum »Saudi-Arabien der Alpen« aufblühen, jubelten Landespolitiker. Doch noch bevor man mit dem Abbau überhaupt begonnen hatte, wurde der Stollen in 1.500 Metern Seehöhe 1988 stillgelegt. Mit 64 Kernbohrungen hatte man den Berg geradezu durchlöchert – und festgestellt, dass das Gestein nicht der erhofften Qualität entsprach, um das Lithium rentabel herauslösen zu können. 1991 erwarb die private Kärntner Montanindustrie (KMI) die Rechte um den symbolischen Preis von einem Schilling. KMI-Miteigentümer Andreas Henckel-Donnersmarck konnte sich nun über eine enorme Wertsteigerung freuen. Seiner Familie, einem schlesischen Adelsgeschlecht, erschien der Abbau zu kostenintensiv. Die Australier wollen nun weitere 150 Millionen Dollar in das Bergwerk und eine Fabrik in Wolfsberg investieren, 2013 soll es losgehen. 30 Millionen Tonnen lithiumhaltiges Gestein werden im Berg vermutet. Durch den Elektroauto-Boom ist Lithium vor allem für Batteriehersteller ein begehrter Rohstoff.
>> Auf Schatzsuche <<
Auch in Deutschland sind Schatzsucher unterwegs. Kleine Vorkommen, die bisher nicht rentabel schienen, aber auch bereits stillgelegte Reviere werden aktiviert. Zwei gewitzte Heidelberger Unternehmer, Titus Gebel und Thomas Gutschlag, machten sich die peniblen geologischen Aufzeichnungen aus DDR-Zeiten zunutze: Gemeinsam gründeten sie 2005 die Deutsche Rohstoff AG (DRAG) und sicherten sich die Lizenzen für die zehn vielversprechendsten alten Lagerstätten. Der Erkundungsaufwand hält sich in Grenzen, da die DDR-Führung jedes kleinste Vorkommen mit deutscher Gründlichkeit untersucht und dokumentiert hatte. Nach der Wende wurden die meisten Bergwerke geschlossen. Im Erzgebirge ruhen etwa die größten, noch nicht erschlossenen Zinnressourcen der Welt. In Sachsen schürft die DRAG nach seltenen Erden, Kupfer sowie Indium, einem wichtigen Rohstoff für Solarmodule. Als besonders aufschlussreich erwiesen sich Hinweise von Ex-Mitarbeitern der ehemaligen DDR-Metallgesellschaft. Da viele Hightechmetalle damals noch nicht von Bedeutung waren oder mit den verfügbaren Methoden nicht aufgespürt werden konnten, lässt die DRAG jetzt alte Bohrkerne erneut untersuchen.
Mit Einsatz neuer Technologien hofft auch ein skandinavisches Konsortium derzeit im Harz auf eine Fortsetzung der tausendjährigen Bergbaugeschichte der Region. Der nahe gelegene Rammelsberg, heute Weltkulturerbe, lieferte bis 1988 fast 30 Millionen Tonnen verschiedenster Erze. Durch ein elektromagnetisches Verfahren konnten bereits »Anomalien« im Untergrund festgestellt werden. Probebohrungen sollen nun Gewissheit bringen. Die Glücksritter lassen sich dabei weder von den vergleichsweise hohen Kosten noch von Konflikten mit der in Umweltfragen stark sensibilisierten Bevölkerung abschrecken. Die Investitionen in Milliardenhöhe rechnen sich offenbar dennoch.
>> Umstrittenes Pilotprojekt <<
Im Weinviertel sorgte in den vergangenen Wochen ebenfalls ein Grabungsprojekt für Aufruhr: In rund 6.000 Metern Tiefe ruhen 240 Milliarden Kubikmeter Gas, fest eingeschlossen in Schiefergestein – genug, um den Bedarf Österreichs für die nächsten 30 Jahre zu decken. Seit den 80er-Jahren weiß man von dem Schiefergasfeld, eine Förderung galt bisher als zu schwierig. Der hohe Gaspreis, die enge Bindung an den Lieferanten Russland und die Entwicklung neuer Abbaumethoden lassen das Unterfangen nun doch interessant erscheinen. 2013 will die OMV Probebohrungen in Poysdorf und Herrnbaumgarten durchführen, zwei Jahre später soll feststehen, ob sich der Aufwand lohnt. Die Förderung wäre frühestens ab 2019 möglich. In der Bevölkerung regt sich massiver Widerstand, seit bekannt wurde, dass in den USA bei der Gewinnung von Schiefergas Chemikalien das Grundwasser verseucht hatten.
Bei der umstrittenen »Fracking«-Methode werden pro Bohrloch Sand, Wasser und etwa 35 Tonnen hochgiftige Substanzen wie Toluol, Benzol und Xylol unter hohem Druck in den Boden gepumpt, um das Gestein aufzubrechen. Das in kleinen Blasen im Schiefer eingeschlossene Gas kann dadurch entweichen. Eine von der Montanuniversität Leoben entwickelte Technologie will nun gänzlich auf Chemikalien verzichten, wie Herbert Hofstätter, Professor für Petroleum Production and Processing, betont. Der Experte für Erdöl- und Erdgas-Förderung bezeichnet Arbeitssicherheit und Umweltschutz als seine »Herzensangelegenheiten«. Sein »abfallfreies« Bohrkonzept, bei dem das Bohrmaterial nicht mehr auf Deponien gelagert, sondern in der Bauindustrie und Landwirtschaft genutzt wird, ist mittlerweile weltweite Praxis.
Bürgerinitiativen und die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisieren, dass die neue Clean-Fracking-Technologie noch nicht ausreichend getestet sei. Der CO2-Ausstoß bei der Förderung wäre zudem enorm. Die 130 Millionen Euro allein für die Sondierung wären ihrer Meinung nach in erneuerbare Energieträger besser und zukunftsweisender investiert. Ein Antrag der Grünen, die Probebohrungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu unterziehen, wurde im Parlament abgelehnt. Die Erprobung neuer Technologien ist nicht UVP-pflichtig.
Christopher Veit, Geschäftsführer der OMV Austria, will dennoch eine Prüfung in Auftrag geben. Der Mineralölkonzern sucht bewusst den Dialog mit der Bevölkerung in der Region, wo seit Jahrzehnten Öl und Gas gefördert wird. Ohne Erschließung neuer Quellen sei der Ertrag jedoch rückläufig, sagt Konzernsprecher Sven Pusswald. Derzeit fördert die OMV in Österreich 19 % des Gas- sowie 10 % des Ölbedarfs selbst, der Rest muss zugekauft werden.
>> Russland unter Preisdruck <<
Schützenhilfe kommt von Walter Boltz, Vorstand des staatlichen Energieregulators E-Control: » Wir können es uns nicht leisten, auf diese Energie zu verzichten. Es wäre unverantwortlich, nicht den Versuch zu unternehmen.« Tatsächlich haben die Schiefergasvorkommen auch eine wesentliche strategische Bedeutung. In Preisverhandlungen wäre Österreichs Position deutlich gestärkt, Russland müsste Konzessionen machen.
Auch Polen, wo mit 5,3 Billionen Kubikmetern das größte Schiefergasvorkommen Europas lagert, will sich langfristig aus der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen befreien. China verfolgt ebenfalls ehrgeizige Ziele: Von einem geschätzten Bedarf von 300 bis 350 Milliarden Kubikmetern Gas im Jahr 2020 sollen 70 Milliarden Kubikmeter aus Schiefergestein, Kohleflözen oder Sandstein gewonnen werden. Das nötige Know-how holt sich Peking aus den USA, chinesische Staatsunternehmen haben sich bereits in einschlägige US-Firmen eingekauft. Die USA ist durch die Nutzung unkonventioneller Gasreserven inzwischen vom Nettoimporteur zum Nettoexporteur umgestiegen. Bereits 10 % des Bedarfs werden durch Schiefergas gedeckt. Der Protest der Umweltorganisationen zeigt auch hier Wirkung: Der US-Multi ExxonMobil hat angekündigt, innerhalb der nächsten zwei Jahre auf ein ökologischeres Verfahren umzustellen.