Rundum gesund
- Written by Mag. Angela Heissenberger
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Unternehmen, die in die Gesundheit ihrer MitarbeiterInnen investieren, sind schlau. Denn betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) verbessert nachweislich die Produktivität und die Arbeitszufriedenheit. Die Maßnahmen sind allerdings nur dann erfolgreich, wenn sich auch das Management aktiv beteiligt.
Als das Eisenwerk Sulzau-Werfen 2006 eine MitarbeiterInnenbefragung zum Thema Gesundheit durchführte, war das Ergebnis ernüchternd. Der Großteil der 260 Beschäftigten klagte über Rückenbeschwerden, Müdigkeit und Schlafstörungen aufgrund des Schichtbetriebs. Staub, Lärm und Zeitdruck machten die Arbeit für einige unerträglich. Die Salzburger Walzengießerei entschloss sich zu einer Radikalkur. Im Zuge der umfangreichen Sanierung wurde eine neue Staubabsaugungsanlage installiert und das Raumklima in der Gießhalle deutlich verbessert. Die Aktivitäten umfassten aber auch gesunde Ernährung und Suchtprävention sowie eine faire Anpassung des Lohnschemas. 2008 startete das Unternehmen das BGF-Projekt »Geh mit – bleib fit«. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen – die Wirtschaftskrise erwischte die Metallbranche bekanntlich extrem hart – konnten in den vergangenen Jahren messbare Verbesserungen erzielt werden. In einer neuerlichen Befragung im Frühjahr 2010 schnitten alle Bereiche positiver ab: Die Arbeitsbelastungen sind gegenüber den früheren Werten gesunken, die subjektive Gesundheitseinschätzung und die Arbeitszufriedenheit stieg. Im Vorjahr wurde der Familienbetrieb unter der Leitung des Vorstandsvorsitzenden Rudolf Weinberger von der Bundesarbeitskammer mit dem Sonderpreis für Betriebliche Gesundheitsförderung ausgezeichnet.
>> Vorbildliche Betriebe <<
Grundsätzlich sind Investitionen in die Gesundheit der Beschäftigten »eine Win-win-Situation«, wie Klaus Ropin, Gesundheitsreferent des Fonds Gesundes Österreich (FGÖ, ein Geschäftsbereich der Gesundheit Österreich GmbH), meint: »Gesunde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind leistungsfähiger und motivierter.« Zudem macht sich jede Berufskrankheit, die nicht eintritt, jeder Arbeitsunfall, der durch Sicherheitsvorkehrungen und entsprechendes Verhalten verhindert wird, für das Unternehmen wie auch die ArbeitnehmerInnen bezahlt.
Die Grundsätze der betrieblichen Gesundheitsförderung wurden schon 1997 in der Luxemburger Deklaration festgehalten und fanden seither auch Eingang in moderne Managementsysteme. In Österreich gewährleistet ein dreistufiges Qualitätssicherungsprogramm einen einheitlichen Standard. Zunächst bekennt sich das Unternehmen mit dem Unterzeichnen der BGF-Charta zu den Zielen und Prinzipien der Betrieblichen Gesundheitsförderung. Im nächsten Schritt können Betriebe, die Konzepte und Maßnahmen unter Einhaltung der Qualitätskriterien erfolgreich durchgeführt haben, um das BGF-Gütesiegel ansuchen. Insgesamt erhielten schon 270 Betriebe das Gütesiegel, 74 davon bekamen es bereits öfter als einmal verliehen.
Aus dem Kreis der prämierten Betriebe werden schließlich alle drei Jahre besonders vorbildliche Unternehmen mit dem Österreichischen Preis für Betriebliche Gesundheitsförderung prämiert. 2011 erhielten der Linzer Brillenhersteller Silhouette International (Kategorie: Betriebe über 100 MitarbeiterInnen) und das Restaurant Rostiger Anker in Fischamend (Betriebe bis 100 MitarbeiterInnen) die Auszeichnung. An dieser Bandbreite zeigt sich, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsverhältnisse keine Frage der Betriebsgröße, sondern vielmehr eine Frage der Unternehmenskultur sind. »Kein Unternehmen ist zu klein«, bestätigt Restaurant-Chefin Christine Ster. »Betriebliche Gesundheitsförderung ist für uns ein sehr authentischer Zugang zur Mitarbeiterförderung. Unser Ziel ist, Beteiligte zu Betroffenen zu machen und die Eigenverantwortung zu stärken«, sagt Silhouette-Personalmanager Tarek El-Dabbagh.
Eine große Rolle für den Erfolg der Gesundheitsprogramme spielt die aktive Teilnahme der Unternehmensleitung. »Die Maßnahmen sind nur glaubwürdig, wenn das Management mitmacht und voll und ganz hinter der BGF steht«, erklärt Ropin. »BGF ist keine Mitarbeiter-Streichelaktion. Es geht darum, das Setting und das Verhalten nachhaltig zu ändern.« Über Broschüren und Vorträge allein sei das nicht möglich, so Ropin: »Das wird nicht angenommen, es braucht wirklich ein ganzheitliches, partizipatives Programm.« Schnelle Wunder dürfe man sich nicht erwarten.
>> Umfassende Strategie <<
Laut einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens Mercer haben österreichische Unternehmen die Bedeutung von Gesundheitsprogrammen erkannt. 96 % der rund 200 befragten Betriebe bemühen sich nach eigenen Angaben, die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu fördern und Maßnahmen zur Verbesserung der Work-Life-Balance anzubieten. Die Aktivitäten reichen von Sport über ergonomische Arbeitsplatzgestaltung und einschlägige Seminare etwa zum Thema Stress bis zu gesundem Essen in der Betriebskantine.
Was den meisten Initiativen fehlt, ist jedoch die strategische Ausrichtung. Ein gemeinsamer Skitag oder die Obstschale beim Empfang sind zwar gut gemeint, ein koordiniertes Gesundheitsmanagement sieht aber anders aus. 77 % der befragten Unternehmen ergreifen zwar zusätzlich zu arbeitsmedizinischen Leistungen einzelne Maßnahmen, nur 28 % bieten aber ein konsistentes Programm, das in allen Unternehmensebenen verankert ist. Entsprechend gering ist die Resonanz: 44 % der Befragten gaben an, dass weniger als ein Drittel der Beschäftigten die Angebote nutzt. Vor allem verhältnisorientierte Maßnahmen sind deshalb stark rückläufig. Die »Schlüsselressource Mensch an einen selbstverantwortlichen und gesundheitsbewussten Arbeits- und Lebensstil heranzuführen«, wie es Josef Papousek, Geschäftsführer von Mercer Austria, umreißt, funktioniert nur im Rahmen eines umfassenden Strategieplans. »Gesunde Ernährung und Bewegung sind eigentlich nur flankierende Maßnahmen. Eine wirkliche Veränderung der Arbeitsprozesse und -strukturen muss partizipativ geschehen«, sagt Gesundheitsexperte Klaus Ropin. Der Fonds Gesundes Österreich förderte letztes Jahr 34 BGF-Projekte, wobei bei einigen Projekten mehrere Betriebe profitierten. Auch die Krankenkassen, die Wirtschaftskammer und einige Landesregierungen unterstützen diesbezügliche Aktivitäten. Einrichtungen wie das Institut für Gesundheitsförderung und Prävention bieten eine Ausbildung zum/zur GesundheitsmanagerIn an. Speziell um arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Belange kümmert sich die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA), die mehr als 4,6 Millionen Versicherte betreut. Die AUVA besucht pro Jahr rund 100.000 Betriebe und führt Überprüfungen und Beratungen hinsichtlich Arbeitsschutz durch.
>> Psychische Belastung <<
Durch den demografischen Wandel steigt das Durchschnittsalter der erwerbstätigen Bevölkerung kontinuierlich an. ArbeitnehmerInnen stehen künftig länger im Berufsleben, das Pensionsantrittsalter wird kontinuierlich angehoben. Aber auch die Unternehmen sind angesichts der Knappheit qualifizierter Fachkräfte gut beraten, ältere Mitarbeiter länger an den Betrieb zu binden. Gleichzeitig ist Österreich unter den europäischen Ländern Spitzenreiter bei den Frühpensionierungen. Laut »Fehlzeitenreport 2011« erfolgen 32 % der krankheitsbedingten Frühpensionierungen mittlerweile aus psychischen Gründen. Im Jahr 2004 lag dieser Anteil noch bei 24 %. Alice Kundtner, stellvertretende Direktorin der Arbeiterkammer Wien, sieht deshalb die Erhaltung der psychischen Gesundheit als »das wichtigste sozial- und gesundheitspolitische Ziel der nächsten Jahre«. Betriebliche Gesundheitsleistungen nehmen unter diesem Aspekt einen wichtigen Stellenwert ein, sind aber auch für jüngere ArbeitnehmerInnen ein interessantes Asset. »Zunehmend sind es betrieblich verankerte Systeme der Gesundheitsförderung, die im Wettbewerb der Arbeitgeber um die Top-Leistungsträger den spürbaren Unterschied machen«, zieht Mercer-Geschäftsführer Papousek als Fazit der Studie »Mercer Pan European Health and Benefits Survey«. Wirbelsäulenprobleme, Übergewicht und nicht zuletzt Stress machen vielen Menschen unabhängig vom Alter zu schaffen – Burnout ist nicht bloß ein Modewort, sondern eine der häufigsten Erkrankungen unserer Zeit. Rund ein Viertel der jungen ArbeitnehmerInnen sind stark von psychischen Belastungen betroffen. Fälschlicherweise ging man lange davon aus, dass gesundheitliche Probleme erst mit zunehmendem Alter auftreten. Viele psychosoziale Belastungen machen sich jedoch bereits bei Jugendlichen bemerkbar. Zudem ist die Mortalität durch Verkehrsunfälle oder Drogen in der Altersgruppe zwischen 17 und 23 – und hier vor allem unter männlichen Jugendlichen – deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung.
Nachhaltige Effekte wie die Änderung des Lebensstils werden jedoch erst durch langfristige Maßnahmen wirksam. »Ergebnisse sind erst nach drei bis fünf Jahren messbar«, erklärt FGÖ-Experte Ropin, »die Krankenstandsquote ist dafür allerdings eine zu unzuverlässige Messgröße.« Wie sich im Zuge der Wirtschaftskrise nämlich zeigte, sank die Krankenstandsdauer, weil viele Menschen Angst um ihren Arbeitsplatz hatten. Andererseits erkrankten sie durch den erhöhten Stress offenbar öfter. Valide Aussagen können nur von externen Fachleuten durchgeführte Mitarbeiterbefragungen liefern. Oder eigene Beobachtungen, wie viele Beschäftigte tatsächlich mit dem Rad zur Arbeit kommen, wenn eine Fahrradgarage und Duschen zur Verfügung gestellt werden.
> Grundsätze:
Gemäß der Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsförderung in der EU von 1997 umfasst »Betriebliche Gesundheitsförderung« (BGF) Maßnahmen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gesellschaft, um Krankheiten vorzubeugen, Gesundheitspotenziale zu stärken und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu verbessern. Als Unternehmensstrategie kann BGF aber nur dann erfolgreich sein, wenn folgende Leitlinien beachtet werden:
>> Partizipation: Die gesamte Belegschaft muss einbezogen werden.
>> Integration: BGF muss bei allen wichtigen Entscheidungen und in allen Unternehmensbereichen berücksichtigt werden.
>> Projektmanagement: Alle Maßnahmen und Programmen sind systematisch durchzuführen – von der Bedarfsanalyse über Planung und Ausführung bis zu kontinuierlicher Kontrolle und Bewertung der Ergebnisse.
>> Ganzheitlichkeit: BGF beinhaltet verhaltens- und verhältnisorientierte Maßnahmen. Sie verbindet Risikoreduktion mit dem Ausbau von Schutzfaktoren und Gesundheitspotenzialen.