»Ich habe noch ein halbes Dutzend Ideen im Kopf«
- Written by Mag. Angela Heissenberger
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Über 45-Jährigen sind die dunklen Malzzuckerl und vor allem das kantige Blockmalz-Männchen noch in guter Erinnerung. Willy Kirstein,
Urenkel des Erfinders, hat sich mit 78 Jahren die Markenrechte zurückgeholt. Über das Geheimrezept, seine Unternehmensphilosophie und wie er die Traditionsmarke Blockmalz vor dem Vergessen bewahren will, erzählt er im Report(+)PLUS-Interview.
(+) plus: Sie waren viele Jahre in Positionen mit unternehmerischer Verantwortung. Was macht den Unterschied aus, ein eigenes Unternehmen führen?
Willy Kirstein: Führungsqualität lernt man nur in einem Familienunternehmen. Dort identifiziert man sich mit den Mitarbeitern. Mein Großvater hat sich immer um seine Leute gekümmert und war bei ihnen hoch angesehen. In Unternehmen wie Amazon sitzen bald lauter Roboter. Das ist gegen meine persönliche Ethik. Ich finde es schrecklich, wie schlecht Menschen in manchen Branchen bezahlt werden. Das widert mich an.
(+) plus: Lässt Sie die Arbeit nicht los?
Kirstein: Sie haben recht, ich bin in Pension und könnte ein lockeres Leben führen. Mich hat aber nie ganz losgelassen, dass ich dieses Erbstück meines Großvaters verloren habe.
Mein Vater hatte sich während seiner zweiten Ehe im Zuge einer Auseinandersetzung um die Anteile verlaufen und die Firma verkauft, als sie hochprofitabel war. Die Maschinen befanden sich auf dem modernsten Stand. In den 1950er- und 1960er-Jahren wuchs der Zuckerlmarkt zwar schon langsamer, wir verzeichneten aber noch immer ein solides Wachstum von sieben bis acht Prozent. Neue Süßwaren wie etwa Gummiprodukte oder Schokoriegel kamen auf den Markt. In dieser Sparte wollte ich mitmischen und entwickelte ein fertiges Konzept für eine neue Produktionslinie. Mein Vater entschied sich anders. Das ist leider so. Jeder Mensch kommt einmal an einen Punkt, wo er nicht weiter weiß.
Bild oben: "Ich habe nicht damit begonnen, weil mir so fad war."
(+) plus: Das klingt im Rückblick sehr verständnisvoll. Aber war es nicht schmerzhaft, dass er sie einfach übergangen hat? Sie hatten immerhin große Pläne mit der Firma.
Kirstein: Natürlich war es schmerzhaft, aber nicht so sehr, wie es viele erwartet hatten. Mein Großvater hat immer gesagt: »Tradition ist wichtig, aber blicke immer nach vorne. Du bist die Persönlichkeit, nicht die Firma.« Das hielt ich mir vor Augen. Ich habe nach diesem Bruch bewusst die Branche und das Land verlassen und mich auf meine Kinder konzentriert. Der Kontakt zu meinem Vater war sehr reduziert. Ihm tat es später auch leid. Er war ein unglücklicher Mensch.
(+) plus: Wie sind Sie wieder an die Markenrechte gekommen?
Kirstein: Storck hat mit »Werther’s Echte« ein ähnliches Produkt. Die Unternehmensleitung verfolgte damals eine andere Philosophie. Sie haben die Marke Blockmalz nicht gepflegt und ließen sie bald einschlafen. Ich habe das immer ein bisschen im Blick behalten. In Erinnerung an meinem Großvater wollte ich Blockmalz gerne wieder auf den Markt bringen. Eine Gesetzesänderung spielte mir dabei in die Hände: Wird eine Marke fünf Jahre nicht benutzt, kann sie beansprucht werden. So habe ich am Patentamt meine eigene Marke unter Wilhelm Kirstein Blockmalz mit dem Design aus den 1920er-Jahren angemeldet. Ein Jurist hat mir empfohlen, die Firma Storck auf Löschung zu klagen. Ich habe beschlossen, einfach abzuwarten, was passiert. 2017 begann ich mit der Produktion. Ich besitze als Einziger das Originalrezept.
(+) plus: Was ist das Besondere daran?
Kirstein: Die frische Milch ist nur eines der Geheimnisse. Blockmalz wurde nie wieder in dieser Qualität hergestellt wie in der alten Firma Kirstein. Wissen Sie, warum? Ich habe damals die alten Rezeptbücher an mich genommen. In den Produktionsunterlagen sind alle Zutaten angeführt. Unter einer Position steht aber »Diverses«. Und was darin enthalten ist, weiß nur ich.
(+) plus: Viele Menschen verbinden mit Blockmalz Kindheitserinnerungen. Auch der Blockmalz-Mann war für die Marke sehr prägend. Wer hatte die Idee dazu?
Kirstein: Mein Großvater. Es wurde ungefähr zur selben Zeit wie das Michelin-Männchen entworfen. Wir wissen nicht, ob er sich davon inspirieren ließ oder umgekehrt. Beides ist mir recht. Mein Großvater hatte eine große Begabung fürs Marketing. Er war einer der Ersten, die das Produkt mit einer Story verbunden haben.
(+) plus: Warum wurde Blockmalz als Heilmittel bei Husten und Heiserkeit beworben? Sehr gesund sind Zuckerl ja nicht gerade.
Kirstein: Malz wirkt beruhigend auf den Rachenraum und die Atemwege. Malz mit Kräutern, wie wir es kombiniert haben, verstärkt diese Wirkung zusätzlich. Es ist aber auch ein Erfrischungsbonbon. Zuckerl sind nun mal aus Zucker. Ungesund ist vor allem der Zucker, den wir verdeckt zu uns nehmen. Ketchup beispielsweise enthält bis zu 15 Prozent Zucker.
(+) plus: Wie schwierig war es, die Marke wiederzubeleben?
Kirstein: Schon der Start war ein sehr positives Erlebnis. In den Fachgeschäften und Nischen konnten wir gut landen. Unser Bekanntheitsgrad liegt über 50 Prozent. 45-Jährige können sich meist noch erinnern, mit der Alterspyramide steigt der Anteil stark an. Ich habe noch ein halbes Dutzend Produkt-ideen im Kopf. Aber die werde ich wohl nicht mehr verwirklichen.
(+) plus: Ist es möglich, ohne Supermärkte zu bestehen?
Kirstein: In den Handelsketten bekamen wir bis jetzt noch keine Möglichkeit. Preislich befinden wir uns im höheren Segment. Wir passen gut ins Spezialitäteneck und sind auch schon in Deutschland präsent. Den Vertrieb mache ich allerdings nicht selbst, sondern ein Partnerunternehmen. Ich bin noch nicht ganz zufrieden, weil ich dadurch etwas eingeschränkt bin. Aber eines habe ich erreicht: Die Marke gehört endlich mir und sie ist am Markt erhältlich.
(+) plus: Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus? Stimmt es, dass Sie nach starken Partnern Ausschau halten?
Kirstein: Ich habe nicht damit begonnen, weil mir so fad war. Wir haben ein Auftrittsformat entwickelt, mit dem wir uns bei den großen Konzernen durchaus sehen lassen können. Hinter mir stehen keine großen Agenturen, sondern junge kreative Leute. Alles entstand mit minimalen Mitteln – und es ist gut geworden, weil wir das eben können. Bald bin ich 80 und man muss die Realität sehen. Die Hauptarbeit ist getan und ich möchte, dass es weiterläuft. Es war nie eine Spinnerei oder ein Hobby. Am schönsten wäre ein struktureller Partner, der sich mit dem Produkt identifizieren kann. Meine derzeitigen Gesprächspartner sind alle um die 40 und unglaublich kooperativ und begeistert. Es macht Spaß, mit ihnen zu arbeiten. Aber die richtige Lösung war noch nicht dabei.
(+) plus: Haben Sie keine Angst, dass Blockmalz in einem großen Konzern wieder vom Markt verschwindet?
Kirstein: Für mich ist jede Option richtig, die mir die Hoffnung gibt, dass mein Produkt weiterlebt. Eine Garantie haben Sie nie. Wenn sich das Marktumfeld ändert, kann ein kleines Unternehmen noch weniger bestehen. So ehrlich muss man sein: Ein vernünftiges Geschäft lässt sich mit diesem Produkt schon machen. Aber die große Geldmaschine ist es nicht, diese Zeiten sind vorbei.
(+) plus: Welchen Rat können Sie GründerInnen mitgeben?
Kirstein: Wenn die Idee stimmt, gibt es nur eines: hartnäckig das Ziel verfolgen, aber sich zwischendurch zurücklehnen und beobachten. Wichtig ist eine gute Strategie. Ich orientiere mich an den Theorien des preußischen Generals Clausewitz. Er schrieb ein Strategiehandbuch, das in vielen Punkten noch immer Gültigkeit besitzt. Wenn ich in meiner beruflichen Tätigkeit keinen Ausweg wusste, habe ich Clausewitz durchgeblättert. Die Taktiken sind natürlich nicht 1:1 umsetzbar, aber die Gedankengänge sind im Krieg und in der Wirtschaft ähnlich. Aus meiner Erziehung habe ich gelernt: Auch wenn du noch so erfolgreich bist, bleibe demütig und bescheiden. Das ist das Maß der Dinge.