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Topsharing - Arbeitsteilung in der Chefetage

\"EsFrauen sind in Vorständen und Aufsichtsräten »eine Randerscheinung«. Familie und eine Karriere im Management gelten als unvereinbar, spätestens in Führungsfunktionen ist mit Teilzeit meist Schluss. Eine Schweizer Organisationsberaterin hat ein Modell entworfen, mit dem Jobsharing auch auf höchster Ebene funktioniert.


Als die 51-jährige Simone Menne im Sommer das Finanzressort der Lufthansa übernahm, war dies vielen deutschen Medien eine Schlagzeile wert. Sie ist eine von zwölf Frauen im Vorstand eines DAX-notierten Konzerns, elf mehr als noch vor zwei Jahren. Die Frauenquote in den Vorständen der 30 im Deutschen Aktienindex verzeichneten Unternehmen bleibt mit rund 6 % dennoch dürftig. Auch dahinter sieht es traurig aus: In den Vorständen der 200 größten Unternehmen waren Frauen Ende 2011 mit einem Anteil von 3 % »nur eine Randerscheinung«, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer kürzlich veröffentlichten Studie feststellte.

Österreich steht kaum besser da: Laut »Frauen.Management.Report 2012« der Arbeiterkammer sind in den Chefetagen der österreichischen Top-200-Unternehmen derzeit 5,1 % Frauen zu finden. In den börsennotierten Konzernen lassen sich die Managerinnen an einer Hand abzählen – fünf Frauen bekleiden aktuell eine Vorstandsfunktion. In jedem zweiten Unternehmen ist weder im Vorstand noch im Aufsichtsrat eine Frau vertreten. Österreich befindet sich damit im internationalen Vergleich unter den Schlusslichtern. Freiwillige Regelungen wie der für börsennotierte Unternehmen vorgeschriebene Corporate Governance Kodex erwiesen sich mangels Sanktionen als wirkungslos. Zehn Jahre nach der Einführung werden die »Benimmregeln« noch immer von 16 % der an der Wiener Börse gelisteten Unternehmen schlichtweg ignoriert. Lediglich drei Firmen – Do & Co, voestalpine und Wienerberger – halten sich an alle Empfehlungen des Kodex, Frauenförderung inklusive.

Für Betriebe, an denen der Staat mit mindestens 50 % beteiligt ist, verordnete die österreichische Bundesregierung inzwischen bis 2013 eine 25 %-Quote, bis 2018 sollen 35 % der Aufsichtsräte weiblich sein. Insgesamt betrifft das 55 Unternehmen. 44 davon stehen zur Gänze im Eigentum der Republik, der Bund beschickt also den gesamten Aufsichtsrat – so etwa bei der Oesterreichischen Nationalbank, der Asfinag und der ÖBB Holding. Dieser Stufenplan sei ein erster Schritt, aber noch nicht das Ende der Diskussion, ließ Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek zugleich verlauten. Wird der Mindestanteil nicht eingehalten, können allerdings erst 2018 gesetzliche Maßnahmen ergriffen werden. Außerdem gilt die Quote nur für Aufsichtsräte, nicht aber für Vorstände. Aus der operativen Führung von Unternehmen werden Frauen also nach wie vor ferngehalten.

>> Ins kalte Wasser <<

Möglicherweise erübrigt sich der Kampf um eine nationale Lösung ohnehin schon bald. Denn abgesehen von Norwegen, wo der Frauenanteil in Verwaltungsräten seit 2008 verpflichtend mindestens 40 % beträgt, sind Frauen in Toppositionen noch in vielen Ländern stark unterrepräsentiert. Auf EU-Ebene drückt Justizkommissarin Viviane Reding deshalb stark aufs Tempo. Noch diesen Herbst soll im EU-Parlament eine Richtlinie beschlossen werden, die eine 40 %-Frauenquote für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen vorsieht. Bei Verstößen drohen Bußgelder, der Entzug von Subventionen und der Ausschluss von öffentlichen Wettbewerben, wobei die Entscheidung über Sanktionen den Mitgliedsstaaten obliegen soll. Die Umsetzung erfolgt, so der Zeitplan hält, bis 1. Jänner 2020. Unternehmen mit weniger als 250 MitarbeiterInnen und einem Jahresumsatz unter 50 Millionen Euro sind von der Richtlinie ausgenommen.

Die Forderung nach verpflichtenden Frauenquoten kommt just zu einem Zeitpunkt, als nun eine gründliche Evaluierung der 40 %-Quote in Norwegen vorliegt. Und diese Bilanz fällt auf den ersten Blick vernichtend aus. Der abrupte, politisch erzwungene Austausch des Topmanagements habe den Unternehmen erheblich geschadet, resümieren die US-Ökonomen Kenneth Ahern und Amy Dittmar in ihrer Studie »The Changing of the Boards«. Die Aktienkurse jener Konzerne, die bis dahin keine Frauen im Aufsichtsrat hatten, brachen bereits am Tag, als das Gesetz in Kraft trat, um 3,5 % gegenüber dem Gesamtmarkt ein. In ihre Analyse bezogen die beiden Wissenschafter der Universität Michigan 248 börsennotierte norwegische Unternehmen ein. Musste die Frauenquote in der Führungsspitze im Management um 10 % erhöht werden, sank der Unternehmenswert um 12,4 %. »Die Ergebnisse legen nahe, dass die vom Gesetz auferlegte Beschränkung einen großen negativen Effekt auf die Unternehmenswerte hatte, der proportional zu der massiven Umorganisation in den Verwaltungsräten durch die Frauenquote war«, heißt es in der Studie.

Bei genauerem Hinsehen erscheint die Misere jedoch zumindest teilweise als hausgemacht. Schon 2003 hatte das norwegische Parlament eine 40 %-Frauenquote für die Verwaltungsräte festgelegt, allerdings ohne Strafandrohung. Da der Frauenanteil von 9 % nur mäßig stieg, folgten 2006 Sanktionen. Bis Anfang 2008 setzten die betreffenden Unternehmen schließlich deutlich mehr Frauen in den Gremien ein – oder änderten ihre Rechtsform, um dem Quotenzwang zu entgehen. Die Zahl der Aktiengesellschaften sank bis 2009 unter 70 % des Standes vor dem Gesetzesbeschluss, die Zahl der GmbHs stieg hingegen um 30 %.

Obwohl die Unternehmen mehrere Jahre Zeit hatten, ihre personellen Strukturen an die neuen Regelungen anzupassen, blieben viele Konzernleitungen also bis zuletzt untätig. Wie Ahern und Dittmar herausfanden, ist die Verschlechterung der Unternehmenswerte vor allem auf die Unerfahrenheit der neuen Managerinnen zurückzuführen. Sie waren im Schnitt acht Jahre jünger als ihre männlichen Vorgänger und höher gebildet, brachten aber kaum Erfahrung in der Führung eines Unternehmens mit. Weniger als ein Drittel war davor bereits als CEO tätig. Die Bereitschaft, qualifizierte Frauen in leitende Positionen einzuführen, war definitiv nicht gegeben: Man ließ die Managerinnen bewusst ins kalte Wasser springen, auch wenn dadurch ein massiver Schaden für das gesamte Unternehmen entstand.

>> Nicht nur ein Frauenthema <<

Potenzielle Kandidatinnen gäbe es zur Genüge, an die Spitze schaffen es jedoch nur wenige. In Österreich wird im Bundesdienst in der zweiten Führungsebene bereits ein Drittel der Leitungsjobs von Frauen eingenommen. »Es mangelt nicht an weiblichen Nachwuchskräften, die in den nächsten Jahren in Toppositionen aufsteigen können«, ist Ministerin Heinisch-Hosek optimistisch. Doch die »gläserne Decke« in Unternehmen und Organisationen zu durchbrechen, gelingt noch langsamer, als die Einkommensschere zu schließen. Eine von Unternehmen häufig genannte Begründung ist die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie, insbesondere wenn es sich um Positionen im Management handelt. Tatsächlich sind die meisten Frauen, die bisher in internationalen Konzernen Karriere machen konnten, kinderlos. Sehr zögerlich scheint ein Umdenken einzusetzen. Der Internet-Riese Yahoo heuerte im Sommer die ehemalige Google-Managerin Marissa Mayer an – ihre Schwangerschaft war angesichts ihrer fachlichen Kompetenzen offenbar kein Problem.

In Europa sind Frauen in Führungspositionen meist noch die große Ausnahme, selbst nach abgeschlossener Familienplanung. Zugunsten der Kinder einen Gang zurückzuschalten, gilt als Karrierebremse schlechthin. Denn eine Führungsfunktion in Teilzeit erscheint vielen als illusorisch, obwohl einzelne Unternehmen wie der Pharmariese Baxter seit langem vorzeigen, wie einfach es gehen könnte. Personalchefin Ulrike Weiß passte ihr Arbeitspensum in den vergangenen acht Jahren kontinuierlich an die Betreuung ihrer beiden kleinen Töchter an. Nach der Babypause mit 18 Stunden wieder eingestiegen, erhöhte sie inzwischen bereits auf 34 Wochenstunden. Angebote wie ein Betriebskindergarten, in dem Kinder ab dem ersten Lebensjahr zwischen 5.30 und 18 Uhr auch während der Ferien betreut werden, leisten dabei wichtige Unterstützung. »Teilzeit in Führungspositionen ist bei uns wirklich keine Seltenheit. Wir haben diesbezüglich 400 bis 500 Einzelvereinbarungen getroffen, die durchaus auch von Männern in Anspruch genommen werden«, sagt Weiß.

Inzwischen lernen nämlich auch Männer eine »lebensphasenorientierte Arbeitszeitgestaltung« schätzen, gehen als »späte Väter« jenseits der 50 in Karenz oder suchen sich zusätzliche Betätigungsfelder. Viele Topmanager übernehmen neben ihrer Funktion im Unternehmen auch Sitze in Aufsichtsräten oder politische Ämter, stehen also nicht ausschließlich ihrer Firma zur Verfügung. Warum sollte die explizite Teilung einer Führungsposition also nicht durchführbar sein?

>> Auf Augenhöhe <<

Die Schweizer Organisationsberaterin Julia K. Kuark hat ein Modell entwickelt, das einen möglichen Lösungsansatz bietet. TopSharing (www.topsharing.ch) sieht ein partnerschaftliches Führungsprinzip vor, das freilich nur unter mehreren Bedingungen reibungslos funktioniert. Zunächst muss das Unternehmen die organisatorischen Rahmenbedingungen für die Arbeitsteilung schaffen und mittragen. »Wichtig ist die Prozessorientierung. Ein Konzept muss entworfen und weiterentwickelt werden«, erklärt Kuark. Bereitschaft zum Dialog und strukturierte Planung sind in hohem Maß auch von den Sharing-Partnern selbst erforderlich. Sie können sich hinsichtlich ihrer Fachkompetenzen auch ergänzen. »Die Mitarbeiter sollten möglichst viel Gestaltungsfreiheit haben, damit ihre Stärken zur Geltung kommen«, so Kuark. Wie auch immer die inhaltliche Aufteilung gehandhabt wird, es braucht Toleranz und Vertrauen. Konsens über die prinzipielle Ausrichtung ist eine wichtige Basis, denn nicht immer ist es möglich, sich über Details abzusprechen, mitunter müssen auch Entscheidungen ad hoc gefällt werden. Ein partnerschaftlicher Umgang sei letztlich eine Frage der Unternehmenskultur: »Mit einem autoritären Führungsstil, der auf Präsenz abzielt, kann es sehr schwierig sein.«
Dass sich das Modell auch in der Praxis bewährt, zeigt das Führungstandem der Personalabteilung in der Europazentrale des Autokonzerns Ford in Köln. Andrea Puschmann und Wolfgang Hudec teilen sich seit knapp zwei Jahren die Verantwortung über 5.000 Mitarbeiter und die rund 20-köpfige Abteilung. Im November 2010 wollte Hudec aus gesundheitlichen Gründen beruflich etwas leiser treten. Seine Vollzeitstelle – 60-Stunden-Wochen waren die Regel – wurde in zwei Stellen à drei Tage geteilt. Jeweils mittwochs sind beide Personalisten im Büro, für gemeinsame Meetings mit Mitarbeitern oder Konzernleitung und um künftige Projekte zu planen. Das Team agiert auf gleicher Augenhöhe, keiner versucht, sich auf Kosten des anderen zu profilieren. Einzelgänger wären hier ohnedies fehl am Platz.

Auf Rückendeckung seitens des Unternehmens konnten auch Andrea Strohmayer und Fred Luks zählen. Seit Beginn des Jahres leiten sie gemeinsam den Bereich Corporate Sustainability in der UniCredit Bank Aus­tria: für Strohmayer die Chance, Familie und Beruf optimal zu verbinden; für ihren Kollegen Luks die Möglichkeit, die Arbeitszeiten zu reduzieren, ohne die Führungsposition zu verlieren. Eine Voraussetzung sei ein »grundsätzliches Vertrauen«, erklärt Strohmayer: »Wir haben eine klare Aufgabenteilung, halten uns aber ständig auf dem Laufenden. Wenn ich meinen Co-Head einmal nicht erreichen kann, treffe ich die Entscheidung und weiß, er hat kein Problem damit.« Flexibilität sei von Arbeitgeber wie Arbeitnehmer erwünscht – das Unternehmen bietet flexible Arbeitszeiten, dafür sind die beiden Heads im Notfall auch an dienstfreien Tagen erreichbar. »Wenn in der Schule Buchstabentag ist, kann ich meine Arbeitszeiten problemlos verschieben. Dafür habe ich auch kein Problem damit, einmal mit dem BlackBerry auf dem Spielplatz zu sitzen«, sagt die Nachhaltigkeitsmanagerin.

Vernetzung und Kommunikation sollten im Zeitalter mobiler Technologien kein Problem darstellen. Wesentlich ist ein generelles Umdenken, das Leistung nicht primär mit Anwesenheit gleichsetzt. Stimmen die Rahmenbedingungen, arbeiten Teilzeitkräfte in der Regel produktiver und effizienter – höhere Kosten für zusätzliche Mitarbeiter fallen deshalb nicht unbedingt ins Gewicht. In komplexen Fragen kommen Führungstandems wesentlich schneller zu einer Entscheidung, weiß Julia Kuark: »Der Erfahrungs- und Wissenshorizont ist größer. Und vier Augen sehen einfach mehr als zwei.« Zudem könne es sich kaum ein Unternehmen mehr leisten, auf das Know-how eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin zu verzichten: »Wieder neue Personen zu finden und einzuschulen, verursacht erheblich höhere Kosten als die Einführung eines TopSharings.«  

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