In den USA sind TV-Nachrichten in eine neue Dimension eingetreten: Brachiale Meinungsmache ist angesagt und längst gibt es keine Grenzen mehr. O’Reilly und Co greifen nach der Macht. Die Satellitenschüssel auf dem Dach meines Reihenhäuschens in Princeton hat ausgedient. Mühevoll war ich aufs Dach gestiegen, hatte sie montiert und ausgerichtet. Dass sie tatsächlich ihre Funktion erfüllte, hat mich in den Augen meiner Tochter zum technischen Superhelden aufsteigen lassen. Aber jetzt bleibt das Fernsehgerät stumm und die ganze Familie entsagt sich.Dabei hatte das mit dem Empfang technisch wunderbar geklappt. Fox, MSNBC, NBC und ABC, sogar CNN flimmerten über den Schirm. Bis wir irgendwann feststellten: Das Vernünftigste an der Kiste ist der Ausschaltknopf.Denn wer denkt, der ORF sei an Niveaulosigkeit nicht zu überbieten und es könne nicht mehr viel Schlimmeres geben, erlebt eine Überraschung. Es geht noch viel blöder! Dabei rede ich gar nicht von den völlig unterirdischen Talkshows, in denen irgendwelche Zombies den wenigen Minuten TV-Berühmtheit nachjagen. Das ist längst Teil der Verblödungsmaschinerie, und ich als abgestumpfter Rezipient nehme das achselzuckend und mit einem nicht einmal mehr verwunderten »Was-es-so-alles-gibt« zur Kenntnis. Gerade die vermeintlich seriösen Nachrichtensendungen aber zogen mir den letzten Nerv, weil die Macher längst die Versuche aufgegeben haben, auch nur den Schein der Objektivität zu wahren. Irgendwie war man das einfach schon gewöhnt, intelligent an der Nase herumgeführt zu werden. Aber das ist Geschichte – jetzt regiert der Holzhammer!Es gibt in den USA keine Fernsehjournalisten mehr, die sich einer altmodischen Sache wie der Wahrheit verpflichtet fühlen. Es sind nur mehr Kreuzritter am Werk, die ihre Sicht der Welt den unbedarften Zusehern mit brachialer Gewalt einhämmern wollen. Das geht so weit, dass diese Fernsehmacher sich nicht bloß im Äther, sondern auch auf der politischen Bühne beweisen wollen.Als Ende Juli diesen Jahres die Verhandlungen zwischen Präsident Obama und den Republikanern im Kongress über die Erhöhung der Defizitgrenze an einem toten Punkt angelangt waren, verkündete der Fox-News-Moderator Bill O’Reilly, dass er jetzt selbst die Sache in die Hand nehmen wolle. Er erklärte sich in dieser Situation des nationalen Notstandes bereit, ins Ruder zu greifen: Er werde nach Washington reisen und das Problem lösen.Das hört der Zuseher und denkt sich: Da war doch was? Gab’s nicht einmal eine ganz altmodische Prozedur, wo Leute an einem bestimmten Tag an einem bestimmten Tag ihrer politischen Vertreter wählten? Demokratie hieß das Ding, das jetzt ersetzt wird durch die Telekratie. Selbsternannte Fernsehprediger haben die Macht übernommen und das einzige Mittel, die tägliche Invasion des Wohnzimmer zu verhindern, ist der Ausschaltknopf. Die beste Erfindung, seit es TV-Geräte gibt.