Im ersten Teil der Report-Baugespräche erklärt Finanz-Staatssekretär Andreas Schieder, warum er die Wohnbauförderung wieder zweckbinden will, warum eine geplante Vermögenssteuer kein Hindernis für Bauinvestitionen darstellt und warum in vielen Fällen direkte Förderungen besser als fiskalische Anreize sind, um die Bauwirtschaft zu unterstützen und zu stärken. Report: Mit Ihrer wiederholten Forderung nach einer Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung haben Sie sich in der Bauwirtschaft viele Freunde geschaffen. Warum ist die Zweckbindung aus Ihrer Sicht wichtig?Andreas Schieder: Wohnen ist weit mehr als die Zurverfügungstellung von Unterkünften, es ist ein Grundrecht. Das Thema Wohnen hat eine immanent wichtige Bedeutung für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft, den ökologischen Gedanken, aber auch die Wirtschaft. Daher kann es nicht allein darum gehen, einzelne Projekte zu finanzieren. Eine Förderung muss an Aspekte geknüpft werden, die den oben genannten Kriterien entsprechen. Seit dem Wegfall der Zweckbindung ist es immer wieder zu Verwendung der Wohnbauförderung gekommen, die nicht im Sinne des eigentlichen Wohnbaus sind. Mit der Wiedereinführung der Zweckwidmung der Wohnbauförderung ist eine Lenkung in Richtung sozialer und ökologischer Wohnbau stärker möglich. Das Ziel muss sein, eine möglichst breite Bevölkerungsschicht von der Förderung profitieren zu lassen. Man darf nicht vergessen, dass die Wohnbauförderung einer der entscheidenden Gründe war, warum der Wohnungsmarkt auch während der Krise relativ stabil blieb. Report: In den Bundesländern stößt die Zweckbindung der Wohnbauförderung naturgemäß auf Widerstand. Wie würden Sie die Chancen auf eine Umsetzung beziffern? Oder anders gefragt: Warum sollten sich die Länder wieder Fesseln in ihrer Finanzpolitik anlegen lassen?Schieder: Dazu muss man allgemein sagen, dass die Wohnbauförderung, wird sie in der richtigen Weise angewandt, zu einem besseren Lebensstandard der Gesamtbevölkerung beiträgt. Qualitatives Wohnen für breite Bevölkerungsschichten, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Verminderung des CO2-Ausstoßes sind Anliegen, denen sich wohl kaum jemand verschließen kann, auch die Bundesländer nicht. Report: Nach der Krise hat die Regierung den Rotstift angesetzt, nicht zuletzt im Infrastrukturbereich wird es zu massiven Einschnitten von knapp sechs Milliarden Euro kommen. Besteht nicht die Gefahr, dass sich der Staat zu früh aus der Verantwortung nimmt und der Konjunkturmotor Bau erneut ins Stottern kommt?Schieder: Der Staat hat sich ganz und gar nicht aus der Verantwortung gestohlen. Ganz im Gegenteil. Alle derzeit verfügbaren Wirtschaftsdaten zeigen, dass Österreich besser durch die Krise gekommen ist als viele andere Länder der Europäischen Union. Das hat unter anderem mit den getroffenen Maßnahmen der Bundesregierung zu tun. Gerade auch im Wohnbau. Etwa der Sanierungsscheck: Schon die ersten 100 Millionen in den Jahren 2009 und 2010 haben ein Investitionsvolumen von rund 670 Millionen Euro in Gang gesetzt. Neben den positiven Aspekten für die Umwelt kann der Wohnbau also mit Fug und Recht auch als Konjunkturmotor bezeichnet werden. Damit ist klar, dass der Wohnbau nicht geeignet ist, Budgetlöcher zu stopfen. Eine Kürzung der Wohnbauförderung um 500 Millionen Euro würde dazu führen, dass 5.400 Wohnungen nur zeitverzögert fertiggestellt werden können. Da die Krise aber auch auf die Bauwirtschaft als solche negative Auswirkungen hat, mussten Schritte gesetzt werden. Dennoch ist der Bundesregierung selbstverständlich bewusst, dass Investition in Infrastruktur entscheidend ist, um die Wirtschaft anzukurbeln. Deshalb sind und werden auch in den nächsten Jahren ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden. Report: Bauinvestitionen schaffen langfristige Vermögenswerte, die eine stabilisierende Wirkung auf die gesamte Wirtschaft haben. Wäre in diesem Zusammenhang eine von Ihnen wiederholt geforderte Vermögenssteuer, die eben auch diese gebauten Vermögenswerte belastet, nicht kontraproduktiv?Schieder: Wie auch Vermögen sind in Österreich Grund, Boden und Immobilien sehr ungleich verteilt. Ein Prozent der Haushalte halten ein Drittel des Vermögens. Das Konzept der Vermögenssteuer sieht nicht vor, dass die »Häuslbauer« zur Kasse gebeten werden, denn sie sollte erst ab einer Grenze von einer Million Euro gelten. Eine Grenze, die weniger als ein Prozent der österreichischen Bevölkerung treffen würde. Bauinvestitionen bleiben daher auch weiterhin ein langfristiger Vermögenswert. Vielmehr geht es darum, Gerechtigkeit herzustellen, denn viele der angehäuften Werte sind nicht durch eigene Leistung entstanden. Report: Auf den Sparguthaben der Österreicher schlummern rund 400 Milliarden Euro. Gleichzeitig wird händeringend nach Finanzierungsmöglichkeiten für Bauvorhaben gesucht. Sollte man nicht versuchen, dieses Privatkapital mit fiskalischen Anreizen für die Wirtschaft zu mobilisieren?Schieder: Nicht alle Anliegen müssen durch fiskalpolitische Anreize unterstützt werden. Das Sparguthaben der Österreicherinnen und Österreicher ist nicht verloren, sondern steht der Wirtschaft für Investitionen weiter zur Verfügung. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist es nur logisch, dass die Bevölkerung auf Sicherheit achtet. Das Jahr 2010 hat aber auch das Bausparen wieder zur beliebtesten Sparform in Österreich gemacht. Mehr als eine Million Abschlüsse wurden allein im letzten Jahr getätigt. Direkte Förderungen, wie sie etwa durch die Förderung der thermischen Sanierung existieren, sind der sinnvollere Weg, um die Bauwirtschaft zu stärken und zu unterstützen. Report: Laut einer aktuellen Studie rechnet sich ein seniorengerechter Umbau von Bestandswohnungen für die öffentliche Hand schon nach zwei Jahren. Was fehlt, ist das Investitionskapital. Ein ähnliches Modell wie der Sanierscheck könnte privates Kapital mobilisieren. Die Steiermark hat eben eine entsprechende Förderung beschlossen. Ein Vorbild für eine bundesweite Förderaktion?Schieder: Die Zahl älterer Menschen steigt an. Damit ändern sich selbstverständlich auch die sozialen Rahmenbedingungen. Verstärkte Kosten bei der Altersbetreuung und damit einhergehend eine Belastung der Sozialbudgets der Gemeinden ist die Folge. Ein seniorengerechter Umbau von Bestandswohnungen bietet die Möglichkeit, die Kosten zu minimieren, den Druck, der durch kostenintensive Pflegeheime entsteht, zu verringern sowie den Menschen einen längeren Verbleib in den eigenen vier Wänden zu bieten. Anreize in diese Richtung sind daher zu begrüßen. Allerdings müssen diese nicht ausschließlich finanzieller Natur sein.Report: In Hinblick auf die seit 1. Mai geltende volle Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU wurde im Parlament ein Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping beschlossen, dazu die KIAB personell aufgestockt. Die Bauwirtschaft ist traditionell stark von der Schwarzarbeit betroffen. Welches erste Fazit zieht man im Finanzministerium nach der Arbeitsmarktöffnung?Schieder: Das Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping zeigt schon in den ersten Wochen und Monaten nach seinem Inkrafttreten Erfolge. Mehr als 1.100 Kontrollen auf Baustellen in den ersten drei Monaten haben zu Anzeigen von 63 Firmen wegen des Verdachts auf Unterentlohnung geführt. Die eher niedrige Zahl von Verfehlungen zeigt, dass das Gesetz abschreckende Wirkung hat. Sozial- und Lohndumping zahlt sich nicht aus, das muss auch den letzten Bauunternehmern europaweit und darüber hinaus klar werden. >> Report-Baugespräche Teil II. Im Oktober zu Gast: Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner