Von Horst HopitzanAus technischer Sicht stellen nahezu unbegrenzte Bandbreiten keine wirkliche Herausforderung mehr dar. IP/Ethernet wird die neue Technologie sein, da sie praktisch unbegrenzt skaliert und das Verpacken, Mappen oder eine sonstige Manipulation am Transportweg nicht mehr notwendig ist. Also Ethernet-end-to-end. Das Charmante an IP/Ethernet-Lösungen ist darüber hinaus, dass Bandbreite im Betrieb aufgerüstet werden kann und die Netzbetreiber mühelos die Pipe vergrößern und adaptiv auf die Bedürfnisse anpassen können. Es ergibt sich mit dieser Technik auch die faszinierende Möglichkeit für Privat- wie auch Geschäftskunden, den Bandbreitenbedarf selbst - on demand - konfigurieren zu können. Darüber hinaus kann das Leistungspaket auch automatisch in das Verrechnungsmodell einfließen.Infrastruktur. Wenn wir die Technik für die "schöne neue Welt“ in die grüne Wiese stellen könnten, wäre wohl alles wesentlich einfacher. Glasfaser bis in die Wohnung oder ins Haus ist hier kein Thema. Die vorhandene Kupferinfrastruktur und die im Geschäftsmodell signifikantesten Kostenfaktoren der "civil works“ (bei uns in Wien "Stich, Hub, Wurf“) für das Verlegen der Glasfasern, ergeben ein Spannungsfeld, dessen Entzerrung die Zeitachse determiniert, bis FTTH flächendeckend zur Verfügung stehen wird. Realistischer Weise wird hier wohl noch eine ganze Dekade vergehen, bis die alte Layer 1-Struktur deutlich in den Hintergrund gedrängt sein wird; überraschungen nicht ausgeschlossen. Denn wer hätte gedacht, dass die alten schwarzen Kennzeichentafeln so rasch verschwinden? Und vielleicht gelingt es auch jemandem, die Killerapplikation zu finden, wie sie seinerzeit der SMS-Dienst bei GSM war.Gesellschaft. Wir sind auf dem Weg zu den "bidirectional fat pipe homes“ aus technischer Sicht und zu den "seven day weekenders“ aus gesellschaftlicher Sicht. Unsere "personal communication interfaces“ werden uns an beliebigen örtlichkeiten (warum nicht auch am Pool oder im Baumhaus und im Schlafzimmer?) ermöglichen, unseren Geschäften und dem privaten Entertainment nachzugehen. Nachdem die "fat pipes“ fett genug sein werden, um auch ordentliches Video zu streamen, können wir uns nicht nur hören, sondern auch sehen und das Video von Omas 90iger broadcasten. Vielleicht zahlt ja sogar einer dafür, Oma kann nämlich noch steppen. Vorbei die Zeiten der Videokonferenzen mit comichaften Verzögerungseffekten und auch die 8-MB-großen Powerpoint-Attachments werden uns nicht mehr die E-Mail-Accounts verstopfen. Außer vielleicht, dass man gerade auf einer griechischen Insel sitzt, auf der sie nur eine "slim pipe“ haben. Auch in der schönsten neuen Welt wird man nicht lückenlos alles haben können. Entscheidend wird letztendlich sein, ob die Konsumenten bereit sind, On-demand-Dienste auch nach einem On-Demand-Verrechnungsmodell zu bezahlen. Sind doch vor allem die Amerikaner, aber leider nur wenige Europäer daran gewöhnt, das zu tun. Das Internet hat bei uns den Stempel "kostet nichts“, da mit der Grundgebühr ja ohnehin alles bezahlt ist, da sie ja als "flat rate“ erstanden wurde.Dienste. "Triple play", was ist das eigentlich? Erfreulicher- oder doch bedauerlicherweise sind die Mehrzahl der Konsumenten keine Techniker. Fragen Sie in Ihrem Bekanntenkreis, ob man Triple play haben möchte, nachdem Sie erklärt haben, was das überhaupt ist. Es ist eben nicht mehr, als die Möglichkeit zum Telefonieren, Fernsehen und Internetsurfen. Wetten werden angenommen, dass Sie vor allem in Wien die Frage mit einem "Das haben wir ja eh schon“ beantwortet erhalten. Nehmen wir die rosarote Technikerbrille ab und gestehen uns doch ein, dass Triple play nicht wirklich etwas Neues ist und nur mehr oder weniger als technischer Marketinggag durchgeht!Es geht um die berühmten Mehrwertdienste und die, wie Eldorado gesuchten, Killerapplikationen. Es gibt zwar viele neue Ideen - wie zum Beispiel unterschiedlichste Peer-to-peer-Applikationen (ein schüchterner Versuch ist das Oma-Geburtstagsvideo) - aber eben noch keine Killerapplikation, die abzusehen ist.Bessere Mausefallen bringen eben keine "fat revenues“. Da sind Preiskampf und sinkende Margen vorprogrammiert. Abschließend und vielleicht ein bisschen diabolisch noch zwei Tipps für wirkliche Killerapplikationen: Bevor wir in die Disco, Theater, Konzert, Bar oder sonst wohin gehen, können wir mit "Stern/9“ noch bei der Verwandtschaft vorbeischauen und uns davon überzeugen, dass sie den rauschenden 90iger von Oma schon überwunden haben. Vielleicht haben wir aber auch eine virtuelle Eintrittskarte erstanden und streamen uns im Winter (bei frostigen -15 Grad Celsius) live den Jimmy Buffett auf dem 50-Zoll-Plasma, wenn er in Florida, bei lauem Abend von den "boats und planes" und der "barometer soup" singt; Dolby 7.1 versteht sich da von selbst. Schöne neue Welt eben.Horst Hopitzan ist Geschäftsführer des 1969 gegründeten IT-Dienstleisters und Netzwerkintegrators Datentechnik.