Der niederösterreichische Landesinnungsmeister Bau, Robert Jägersberger,im Interview. Er spricht über die Verlängerung der Schwellenwerteverordnung, die Auswirkungen der Arbeitsmarktöffnung auf sein Bundesland und erklärt, warum die Stimmung in den Unternehmen trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds derzeit ganz gut ist. Report: Wie ist 2011 für die niederösterreichische Bauwirtschaft gelaufen?Robert Jägersberger: 2011 ist entgegen den Erwartungen eigentlich ganz gut gelaufen. Das ist nicht zuletzt auch den Konjunkturpaketen zu verdanken, die das Land Niederösterreich geschnürt hat. Durch die flächendeckende Kindergartenoffensive und das Sonderbudget für Bauprojekte sind frische Projekte auf den Markt gekommen. Das hat uns sehr geholfen. Im nächsten Jahr müssen wir uns aber auf einen Rückgang einstellen. Das gilt auch für den Wohnbau, obwohl gerade hier die Nachfrage nach wie vor gegeben ist. Jetzt muss punktgenau dort investiert werden, wo die Nachfrage am größten ist.Report: Wo in Niederösterreich ist die Wohnungsnachfrage derzeit am größten?Jägersberger: Natürlich in den größeren Städten wie Krems oder St. Pölten, aber auch in Tulln gibt es eine enorme Nachfrage. Weitere Zuzugsbereiche sind Baden, Mödling und Wiener Neustadt. Deutlich geringer ist die Nachfrage in der Peripherie. Der Versuch, mit attraktiven Wohnungen die Abwanderung zu stoppen oder sogar auf Zuzug zu hoffen, ist nicht überall aufgegangen. Die Folge sind Leerstände in Gegenden, wo eine Verwertung schwierig ist.Report: Damit besteht natürlich die Gefahr, dass zwar statistisch genügend Wohnraum vorhanden ist, aber nicht unbedingt dort, wo er benötigt wird.Jägersberger: Das ist richtig. Man muss das aber auch aus Sicht der Kommunen sehen. Viele Bürgermeister versuchen in ihrer Gemeinde attraktiven Wohnraum zu schaffen, um Abwanderung zu verhindern. Das ist sicher eine sehr positive Motivation, die aber nicht überall zu 100 Prozent aufgeht.Report: Lange Zeit hat die Branche auf ein Comeback der Zweckbindung der Wohnbauförderung gehofft. Das scheint jetzt endgültig vom Tisch zu sein. Mit welchen Auswirkungen auf Niederösterreich?Jägersberger: Auch ohne Zweckbindung ist das Bekenntnis des Landeshauptmanns zur Wohnbauförderung ungebrochen. Auch 2012 sollen wieder 500 Millionen Euro in den Wohnbau fließen. Damit werden Investitionen in der Höhe von 2,2 Milliarden Euro ausgelöst. Und das kommt vor allem den Betrieben in der Region zugute.Report: Das heißt, die Politik in Niederösterreich ist sich des hohen Stellenwertes der Wohnbauförderung bewusst und braucht keine Zweckbindung?Jägersberger: Ich denke schon. Trotzdem werden wir nicht müde, die positiven Auswirkungen von Bauinvestitionen zu betonen. Es ist kein Zufall, dass ein bekannter Werbeslogan der Wirtschaft ursprünglich aus der Bauwirtschaft kommt. Früher hieß es »Geht’s dem Bau gut, geht’s uns allen gut«. Das gilt immer noch. Der Bau erzielt eine enorm hohe regionale Wertschöpfung und ist als Wirtschaftsmotor unerreicht.Report: Welche Auswirkungen hat die Arbeitsmarktöffnung auf die Betriebe in Niederösterreich?Jägersberger: Es gibt heute schon mehr Anbieter aus dem Ausland als vor der Öffnung, aber nicht wesentlich mehr. Mittelfristig entsteht aber sicher eine neue Konkurrenzsituation. Da kann es schon problematisch werden, dass die Firmen aus dem Osten ihre Dienstleistung unter ganz anderen Vorzeichen anbieten können. Deshalb ist es wichtig, dass die Politik mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz entsprechend reagiert hat. Es gibt zwar da und dort noch Anpassungsbedarf, aber zumindest muss der österreichische Kollektivvertragsstandard eingehalten werden. Man muss aber festhalten, dass die Entwicklung in Niederösterreich derzeit sicher nicht besorgniserregend ist. Viel wird jetzt auch davon abhängen, wie gut die Kontrollen funktionieren. Außerdem muss die Frage des Vollzugs im Ausland geklärt werden. Sonst besteht die Gefahr einer recht zahnlosen Regelung.Report: Welche Rolle spielt der geplante Baustellenkataster?Jägersberger: Der Baustellenkataster kann ein ganz wichtiges Instrument werden. Denn mit der Namhaftmachung von Baustellen steigen auch die Kontrollmöglichkeiten. Die Frage ist nur, wer eine Baustelle melden muss, der Unternehmer oder der Bauherr. Unternehmen mit Dreck am Stecken werden sich hüten, eine Baustelle zu melden. Die Folge ist dann, dass diejenigen, die sauber und fair arbeiten und jede Baustelle melden, auch öfter kontrolliert werden. Das kann es auch nicht sein. Deshalb wäre es sinnvoller, wenn die Meldepflicht auf den Bauherren übergeht.Report: Wie bewerten Sie die Verlängerung der Schwellenwerteverordnung?Jägersberger: Wir haben sehr dafür gekämpft. Es haben sich ja nicht nur die Baubranche und die Wirtschaftskammer dafür ausgesprochen, auch die Bürgermeister wollten die Verordnung mit großer Mehrheit verlängern. Dadurch bieten sich enorme Chancen. Durch die effizienteren Vergabemöglichkeiten sind auch schnellere Projektierungen möglich.Report: Was werden die Jahre 2012 und 2013 der Bauwirtschaft bringen?Jägersberger: Um das seriös zu beantworten, müsste man Hellseher sein. Sollte es weiter gröbere Turbulenzen um den Euro geben und Banken in Schwierigkeiten kommen, so hätte dies sicher auch negative Auswirkungen für unsere Unternehmen. Abseits eines Worst-Case-Szenarios gibt es aber auch positive Anhaltspunkte. 2011 ist besser gelaufen als erwartet. Private Investoren sind zumindest zum Teil für die öffentliche Hand in die Bresche gesprungen. Nachdem sogar Staatsanleihen den Nimbus der Sicherheit verloren haben, sind viele Private in sichere Investitionen wie Einfamilienhäuser oder Vorsorgewohnungen gegangen. Im Hochbau war die Krise deshalb vielleicht sogar hilfreich. Im Tiefbau stellt sich die Situation gänzlich anders dar, da führt die Abhängigkeit von der öffentlichen Hand zu drastischen Einbrüchen.Report: Wie würden Sie derzeit die Stimmung in den niederösterreichischen Bauunternehmen beschreiben?Jägersberger: Die Stimmung ist generell ganz gut. Das liegt vor allem daran, dass sich die negativen Erwartungen im Vorjahr nicht bewahrheitet haben. 2012 rechnen die meisten Unternehmen mit einer Stagnation sowohl hinsichtlich Bauproduktion als auch Auftragseingänge. Die Beschäftigung könnte sogar leicht rückläufig sein. Aber auch 2011 ist man von sinkenden Beschäftigungszahlen ausgegangen. Noch im Sommer hatten wir bei den Lehrlingen ein Minus von rund zehn Prozent. Das hat sich zum Herbst hin aber in ein Plus von 15 Prozent gedreht. Report: Ist aufgrund des gesamtwirtschaftlichen Umfelds mit einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen zu rechnen?Jägersberger: 2011 ist auch von den Insolvenzzahlen nicht schlecht gelaufen. Die aktuellen Daten der BUAK deuten aber schon darauf hin, dass sich das im nächsten Jahr ändern wird. Es wird Auftraggeber mit Liquiditätsproblemen geben und das kann Unternehmen zum Verhängnis werden. Panik ist aber nicht angebracht. Das Wifo rechnet 2012 mit einem Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent. Da ist zu hoffen, dass die Baubranche nicht zu sehr abfällt, zumal die Auftragseingänge bis zum 3. Quartal 2011 nicht rückläufig waren.