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Zwischenrufe aus Übersee

Wie ein Europäer den Alltag an der US-amerikanischen Ostküste erlebt.

Go change the world

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Amerikanische Universitäten entlassen im Mai ihre Absolventen in ein neues Leben – mit dem Commencement. Ein Hochamt der Rhetorik und Inspiration.

30.000 Besucher im Yankee Stadium, nicht um ein Baseball-Match zu sehen, sondern um die frischgebackenen Absolventen der New York University zu feiern und sie in ein neues Leben zu entlassen. Festredner: Justin Trudeau, der kanadische Premier. Sein Thema: Dialog und Offenheit.
Geschickt verwebt der Superstar der Politszene seine persönlichen Erfahrungen und das große Thema unserer Zeit zu einer überzeugenden Komposition.

Nach seinem Studienabschluss begab er sich auf eine Weltreise, erzählt er. Reiste meist auf dem Landweg durch Europa, Afrika und Asien und schildert, wie seine Gespräche mit koreanischen Fischern in Mauretanien und russischen Veteranen des sowjetischen Afghanistankrieges sein Weltbild geformt haben. Begegnungen mit Menschen, die anders denken, anders glauben, anders leben, hätten ihm eine neue Perspektive gegeben und ihm gezeigt, wie wichtig es sei, sich nicht permanent in der eigenen intellektuellen und sozialen Blase zu bewegen.

»Wir haben heute die einzigartige Chance, extreme Armut auf dieser Welt zu beseitigen, furchtbare Krankheiten wie Malaria und Tuberkulose auszurotten und Bildung für jeden zu ermöglichen. Aber dieser Fortschritt ist nur möglich, wenn wir ihn alle gemeinsam angehen. Die Menschheit muss ihr Stammesdenken überwinden ... Vielfalt muss keine Schwäche sein, sie kann unsere größte Stärke werden.« Dabei ginge es nicht nur um Toleranz, sondern Akzeptanz, Respekt, Freundschaft, ja sogar Liebe. Dabei stellte Trudeau den Jungakademikern eine Aufgabe: »Ich hätte gern, dass ihr auf eurem Weg bewusst Begegnungen mit Menschen sucht, deren Meinungen und  Werte sich von euren unterscheiden. Ich hätte gerne, dass ihr ihnen zuhört, wirklich zuhört, und dass ihr versucht, sie zu verstehen und mit ihnen eine gemeinsame Basis zu finden ... Von jetzt an wartet eine andere Form des Lernens, in der eure Lehrer aus unterschiedlichen Lebenswelten, aus unterschiedlichen Bildungsschichten kommen und ganz andere Lebensstile pflegen. Die Zukunft wird von euch vor allem Mut verlangen, den Mut, euch anderen Meinungen auszusetzen, mit dem Risiko, überzeugt zu werden. Und das ist furchterregend.«

Und dann beschrieb Trudeau, was von den Führungskräften der Zukunft wirklich verlangt sein wird, nämlich nicht Führen im alten Stil, bei dem man durch Überzeugen und manchmal durch Zwang zur Verfolgung eines Zieles aufruft und sich dabei wirkungsvoller Feindbilder bedient. Die andere Religion, die andere Sprache, das andere Weltbild würden benutzt, um den »Stamm« hinter einer Fahne zu einen. »Aber das Führen der Zukunft bringt Menschen zusammen, bringt sie unter ein gemeinsames Dach. Das ist die Antithese der Polarisierung, des aggressiven Nationalismus, der Identitätspolitik, die in jüngster Zeit so weit verbreitet sind. Das ist schwieriger, natürlich, weil gegeneinander aufzuhetzen immer einfacher ist als zu verbinden. Es erfordert wirklichen Mut, weil wenn man Menschen von eigenen Weg zu denken überzeugen will, muss man zuerst zeigen, dass man offen ist und zuhören kann.«

Dabei ginge es nicht um einen moralischen Relativismus, nicht darum, dass alle Meinungen gleich richtig seien, es gehe darum, die Welt zu verändern: »Go change the world.« Commencement, ein neuer Anfang für eine neue Generation. Sie hätte keine besseren Worte mit auf den Weg bekommen können.

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