Tuvia Tenenbom, der in New York lebende Theatermacher, Journalist und Tausendsassa, hat in vier Jahren drei Bestseller geschrieben: »Allein unter Deutschen«, »Allein unter Juden«, »Allein unter Amerikanern«. Wie macht er das?
Tuvia ist vor kurzem übersiedelt, auf die Upper East Side Manhattans, in ein kleines, gemütliches Apartment, das zeigt: Der Mann ist ruhiger geworden. Seine Nachbarschaft ist nicht mehr die laute, dichte, schrille 7th Avenue, gleich beim Madison Square Garden und dem meistfrequentierten Bahnhof der Welt. Jetzt lebt er in einer netten Wohngegend, unter den Bessersituierten in der buntesten Stadt der Welt.
Drei Spiegel-Bestseller in vier Jahren hat er geschrieben und bei Suhrkamp veröffentlicht. Dabei war der Start alles andere als einfach. Alexander Fest, der Chef des Rowohlt-Verlages, der sein Erstlingswerk in Auftrag gegeben hat, stellte ihm den Sessel vor die Tür, als er das Manuskript zu lesen bekam. Fadenscheinige rechtliche Argumente schob er vor, in Wirklichkeit hat ihm schlicht das Ergebnis nicht gepasst. Fest hatte Tuvias Kolumne in der Zeit gekannt und ihn für einen humorigen jüdischen Erzähler der Marke Kishon gehalten. Er sollte Deutschland zum Lachen bringen. Und das tat er auch, manchmal, öfter aber brachte er es zum Weinen. Tuvia sollte durch Deutschland reisen wie ein Außerirdischer und mit frischen Augen das Land neu entdecken. Was er fand, war viel alter Mief – und ein Tuvia schreibt, was er sieht.
Pech für Rowohlt und seinen naiven, gestrigen Verleger. Also sprang Suhrkamp ein. Was für ein Glück. Ohne die Verleger-Haudegen hätte es diese Erfolgsserie, die demnächst mit einem vierten Buch – zum Thema Flüchtlinge – fortgesetzt wird, nie gegeben. Und ohne Isi auch nicht! Denn auch wenn Tuvia in den Buchtiteln behauptet, allein zu sein, er ist es nicht. Isi ist an seiner Seite, seine in Linz geborene Frau. Sie ist Tuvias Wegbereiterin, Strategin, Organisatorin, PR-Beraterin und sie hat es geschafft, aus Tuvia eine Weltmarke zu machen.
Wildfremde bleiben stehen, applaudieren, wenn Tuvia am Ben Gurion in Tel Aviv aus dem Flugzeug steigt. Er ist ein Star. »Allein unter Juden« hat ihn dazu gemacht. Nach 30 Jahren in New York kehrte der in Israel geborene Sohn einer Rabbiner-Dynastie in sein völlig verändertes Land zurück und stellte Fragen – der Politprominenz, den Palästinenserführern, den Beduinen, den Orthodoxen, den Huren, den Köchen, den Hirten, den Soldaten. Tuvia betreibt permanent ein Frage-Antwort-Spiel, aus dem sich früher oder später ein Muster ergibt und eine neue Realität bloßgelegt wird.
Deshalb ist Tuvia nun regelmäßig Gast in Talkshows und Politsendungen bei israelischen Fernsehstationen. Er hat dort sogar die amerikanische Wahlnacht live kommentiert und war im Gegensatz zu den meisten Auguren nicht überrascht, dass Donald Trump als Sieger hervorging. Schließlich war er sechs Monate lang tausende Meilen, meist mit dem Auto, durch die USA gereist, hatte Slums, Bandenhochburgen, Kirchen und Nobelviertel besucht. Er hat dabei ein ihm fremdes Land entdeckt, zerrissen, gefangen in einer überkommenen Ideologie, herzlos, hirnlos, am Ende. Statt des Landes der Mutigen hat er das Land der Zauderer entdeckt, die nicht wissen, wohin sie wollen und genau deshalb einen ausgesucht haben, der so tut, als habe er ein Ziel.
Aber in »Allein unter Amerikanern« liefert Tuvia keine Erklärung dafür, warum das Land so ist, wie es ist. Er stellt nur Fragen. Die Antworten geben die Amerikaner selbst.
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