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Zwischenrufe aus Übersee

Wie ein Europäer den Alltag an der US-amerikanischen Ostküste erlebt.

Drohnen, Spitzel und Konsorten

Wie aus Barack Obama innerhalb weniger Jahre Richard Nixon, der Zweite wurde.

Von Alfons Flatscher, New York

Tim hat sein Studium abgeschlossen. Anfang Mai hat er seine Abschlussarbeit beim Princeton Theological Seminary eingereicht. Jetzt ist er, mit Anfang 50, Theologe mit Diplom – im Zweitberuf, versteht sich. Im Erstberuf ist er Opernsänger mit Vorliebe für Bachs Matthäus-Passion.

Im Garten seines Hauses, direkt bei der Universität Princeton, stoßen wir auf seinen Erfolg an und ich frage: »Tim, was hat dich in deinem Abschlussjahr am meisten bewegt?« Er wird sehr nachdenklich und sagt dann: »Die Drohnen.« Nun hatte ich von einem frischgebackenen Theologen einiges erwartet, aber warum kommt er ausgerechnet auf die Drohnen? Professor John R. Bowlin habe in seinem Seminar ausführlich darüber referiert, was die US-Armee im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet anrichtet. Der ganze Landstrich sei devastiert, das Gemeinschaftsleben völlig zusammengebrochen. Jeder misstraue jedem, alle hätten Angst vor plötzlich, aus heiterem Himmel kommenden Raketentreffern.

»Unschuldige werden zu Opfern, weil sie zufällig in der Nähe eines mutmaßlichen Terroristen sind. Und die Regierung Obama macht es sich leicht, indem sie alle im Umkreis eines Terroristen auch als feindliche Krieger einstuft.« Deshalb gibt es niemals zivile Opfer. Zivilisten zählen nicht als Zivilisten, wenn sie dumm genug sind, sich in der Nähe eines Terroristen aufzuhalten. Tim hatte sich bis zu dem Seminar noch nie mit der Thematik auseinandergesetzt. In den US-Medien spielt sie keine Rolle und John Bowlins Ausführungen haben sein Weltbild erschüttert. »Was wir in Pakistan tun, ist eine moralische Schande«, sagt Tim »Es untergräbt alles, wofür wir stehen, und mit jedem von Drohnen getöteten, unschuldigen Opfer kreieren wir neue Terroristen.«

Tim ist ein anständiger Mensch. Er erkennt Unrecht, wenn er es sieht. » Mir ist unbegreiflich, wie Barack Obama jemals den Friedensnobelpreis verliehen bekommen konnte«, meint Tim und ich versuche eine schräge Erklärung: »Man hat nicht einen Mann, sondern ein
Wunschbild ausgezeichnet. Man hat auf Obama projiziert, was man in Amerika gern gesehen hätte.«

Zu Jahresbeginn hat Obama ein Gesetz unterschrieben, den National Defense Authorization Act. Es schränkt die Bürgerrechte massiv ein, indem es das mittelalterliche »Habeas Corpus«-Recht aushebelt. Kein Bürger sollte willkürlich festgenommen werden, beschlossen die Engländer 1679.

Barack Obama macht das 2013 rückgängig. Mutmaßliche Terroristen dürfen ohne Gerichtsverfahren, ohne das Recht auf ein Verfahren, ohne Chance auf Verteidigung beliebig lange gefangen gehalten werden. Das Gesetz erlaubt auch den Einsatz von Drohnen in den USA gegen US-Bürger. Obama hat dem Rechtskraft verliehen, aber gleichzeitig dazu gesagt, er werde von seinen Rechten keinen Gebrauch machen. Genauso wie die Steuerbehörden niemals als Instrument verwendet werden würde, um politische Gegner fertigzumachen, oder wie im Land der Mutigen und Freien niemals Journalisten bespitzelt werden würden.

»Es ist eine moralische Bankrotterklärung«, sagt Tim, aber wahrscheinlich ist er als Theologe mit Diplom einfach zu sensibel. Oder ist tatsächlich aus der Lichtgestalt Barack Obama in wenigen Jahren Richard Nixon der Zweite geworden?

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