Alles wird digital, im Netz abgebildet. Automatisiert heißt, dass es jeder kann. Umso mehr automatisiert wird, desto weniger sind Unterschiede erkenn- und erlebbar. Wie soll man dann also herausragend sein?
Was also tun, wenn wir im neuen EFQM-Modell lesen, dass ein „Gesamterlebnis definiert und verwirklicht“ werden soll? Wir müssen dann sozusagen einen Qualitätsbegriff der Zukunft definieren. Wir haben dazu Markus Reimer, international gefragter Keynote-Speaker zu den Themen Innovation, Qualität, Wissen und Agilität befragt.
Gleich und gleich ist gleich
Im Zeitalter der Digitalität wird unsere bekannte physische Welt mit vielen ihrer Möglichkeiten immer mehr digital, im Netz abgebildet. So wird es besser möglich, für Kunden Angebote zu kreieren, die bis vor Kurzem unmöglich schienen. Dies liegt nicht zuletzt an der individualisierten Automatisierung. Damit können Kundenwünsche in einer hohen Präzision und Perfektion der Vielfalt erfüllt werden. Das ist Qualität in bester Art und Weise! Denn nach wie vor ist Qualität definiert als der Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt.
Das Problem für herausragende Organisationen taucht aber bereits einen kleinen Schritt hinter der Präzision und Perfektion auf: Automatisiert heißt, dass es jeder kann. Umso mehr automatisiert wird, desto weniger werden Unterschiede erkenn- und erlebbar. Wie soll man dann also herausragend sein? Wenn das Unternehmen bei der noch so hohen Präzision stehen bleibt, wird es austausch- und ersetzbar. Zusammengefasst: Dort, wo Menschen keine wesentliche Rolle mehr im Produktions- oder Dienstleistungsprozess spielen, wird alles gleich. „Alles gleich“ und „herausragend“ schließen sich aus.
Primus inter pares
Was also tun, wenn wir im neuen EFQM-Modell lesen, dass ein „Gesamterlebnis definiert und verwirklicht“ werden soll? Wir müssen dann sozusagen einen Qualitätsbegriff der Zukunft definieren. Wir müssen noch mehr weg von der ausschließlichen Betrachtung der Produktqualität und damit einhergehend von der reinen Qualitätssicherung. Über die hoch individualisierten Automatisierungsmöglichkeiten wird immer mehr alles Notwendige standardisiert und realisiert. Aber dort, wo der Mensch über das Automatisierte hinaus agiert, wird Differenzierung möglich.
Und diese Differenzierung wird sich weniger auf das Produkt oder die Kerndienstleistung beziehen müssen, sondern viel eher auf das, was den Kunden umgibt.
„Eine herausragende Organisation nutzt Erkenntnisse über ihre Zielgruppe, um deren Gesamterlebnis während der Zusammenarbeit mit der Organisation zu definieren und umzusetzen.“ Die vielzitierte Userstory kommt zum Tragen. In welchem Kontext bewegt sich der Kunde? Welche Herausforderung, welchen Wunsch hat der Kunde in diesem Kontext? Und wie kommt dann in diesem Kontext das individualisierte Produkt zum Einsatz? Darauf muss sich herausragende Qualität in der Zukunft konzentrieren und ausrichten: Das Gesamterlebnis über das eigentliche Produkt, über das Kerngeschäft hinaus. Das kann nicht automatisiert werden. Das ist Differenzierung. Die individualisierte Automatisierung schafft die Basis und die Menschen schaffen die Begeisterung, die Emotionen, das Gesamterlebnis. Das Unternehmen wird so Teil der Story, die der Kunde sein Leben nennt. So „ragt“ man aus den Gleichen „heraus“.
Und jetzt geht’s ums Ganze: Die Herausragenden!
„Eine herausragende Organisation stellt die erforderlichen Ressourcen, Kompetenzen und den Freiraum zum Handeln und Entscheiden für die Mitarbeitenden sicher, damit diese das Gesamterlebnis für ihre Zielgruppen maximieren können.“ So steht es geschrieben im neuen EFQM-Modell. Und das ist natürlich mehr als sinnvoll, dass das genau so geschrieben steht. Denn ein herausragendes Gesamterlebnis für den Kunden zu erschaffen ist vor allem geistige, kulturelle und ressourcenintensive Arbeit.
Die zentralen Herausforderungen innerhalb einer herausragend bleibend oder werdend wollender Organisation sind die Kompetenzen und die Freiräume zum Handeln und Entscheiden der Organisationsmitglieder. Dies ist in den oft noch streng hierarchisch strukturierten Unternehmen deswegen schwierig, weil diese Freiräume „von oben“ anerkannte Kompetenzen „unten“ erfordert.
Das heißt: Die Führung muss den Menschen auf den unteren Hierarchieebenen mehr zutrauen.
Das ist nicht nur mit einfachen Ressourcen zu lösen, sondern das gelingt nur mit einem Kulturwandel. Herausragend zu sein, weil man seinen Kunden ein positives Gesamterlebnis bietet, bedeutet, dass ein gemeinsames Grundverständnis bei allen Beteiligten vorhanden ist. Und so fordert folgerichtig das Modell den entsprechenden „Freiraum zum Handeln und Entscheiden für die Mitarbeitenden …, damit diese das Gesamterlebnis für ihre Zielgruppen maximieren können.“
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