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USA und EU wollen sich beim Datenschutz näher kommen

Die Abhör- und Bespitzelungsaktionen des amerikanischen Geheimdienstes NSA, die auch vor hohen Regierungsvertretern der EU nicht Halt machten, haben das transatlantische Bündnis der Europäischen Union mit der US-Administration schwer belastet. Das gegenseitige Vertrauen ist in Folge der Affäre auf einen historischen Tiefpunkt gesunken. In Deutschland fragten sich nach Bekanntwerden des Anzapfens von Angela Merkels Mobiltelefon einige politische Kommentatoren gar: In welchem Verdacht steht denn nun unsere Kanzlerin?

Die Datenbeschaffungsmanie des US-Geheimdienstes wurde kurz nach den traumatischen Ereignissen von 9/11 durch den so genannten „Patriot Act“ in Gang gesetzt. Dieses Sondergesetz gibt den Ermittlern im Bereich Home Security weit reichende Vollmachten zur verdeckten Beschaffung von Daten auf der ganzen Welt. Selbst US-Amerikaner sind in ihrem Recht auf Privatheit nur minimal geschützt.

In Europa hingegen hat der Schutz persönlicher Daten ein ganz anderes Gewicht als in den USA. Hier gibt es in allen Ländern Dachvereinigungen, die sich um höchste Datenschutzstandards für die Bürger und Bürgerinnen, aber auch für die Wirtschaft bemühen und immer wieder politischen Druck auf ihre Regierungen ausüben. Jetzt nach den PRISM-Enthüllungen war die Empörung besonders groß und damit der Boden bereitet, mit einer gemeinsamen europäischen Position zum Datenschutz auf die USA zuzugehen.

Bisher versuchte die EU – oft unbeobachtet im diplomatischen Hintergrund – vergeblich, Europäer beim Transfer ihrer Daten nach den USA den US-Bürgern rechtlich zumindest gleich zu stellen. Das könnte jetzt gelingen. Am 18. November 2013 konnte eine EU-Delegation unter der Führung von Justizkommissarin Viviane Reding der US-Regierung in Washington erstmals nach über drei Jahren Verhandlungen eine Zusage zu einem gemeinsamen Datenschutzrahmenabkommen abringen.

Die Debatte über den Datenschutz war bei diesem hochrangigen politischen Zusammentreffen natürlich eingebettet in die Metathematik der verbesserten Kooperation der Behörden in den USA und in der EU bei der Terrorismusbekämpfung und der generellen Verfolgung von Straftaten. Dabei wurden gemeinsame Maßnahmen zur Eindämmung von sexuellem Kindesmissbrauch, zur Terrorismusabwehr und gegen gewalttätigen Extremismus ebenso erörtert wie Strategien gegen Cyberkriminalität oder illegale Migrationsbewegungen.

Für die europäische Seite war jedoch das Einlenken der Amerikaner beim Datenschutz das herausragende Thema. Die US-Regierung dürfte erkannt haben, dass die überzogenen Aktivitäten ihrer Geheimdienste zu bedauerlichen Spannungen mit den Europäern geführt haben. In einem gemeinsamen Pressekommuniqué bekräftigten US-Justizminister Eric H. Holder und Kommissarin Reding dem Schutz der Bürger hinkünftig größtes Augenmerk zu schenken und durch eine verbesserte Adressierung der Datenschutzagenda das partnerschaftliche Vertrauen wieder herzustellen. Gleichzeitig bekräftigten die Verhandler die Kooperation in Justiz- und Polizeiangelegenheiten zu verstärken.

Die EU-Kommissarin informierte die europäische Öffentlichkeit in einem Interview mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) über die Absicht der Amerikaner gemeinsam mit der EU bis Sommer 2014 ein Datenschutzrahmenabkommen auf den Weg zu bringen, welches EU-Bürger dann in den USA gegenüber den eigenen Staatsbürgern gleich stellt. Nach mehr als 12 Jahren Rechtsgültigkeit des „Patriot Acts“ wollen die USA auch die Bestimmungen dieses Sondergesetzes und damit die Rechtsgrundlagen für die Tätigkeiten ihrer „Secret Services“ überdenken und an heutige Bedrohungslagen anpassen.

Der Datenschutzexperte der Grünen im Europaparlament, Jan Philipp Albrecht, nannte die amerikanische Einsicht einen „wichtigen Fortschritt“ für mehr Rechtsschutz der Europäer in den USA. Wenn die US-Administration jetzt dieser Willenserklärung Taten folgen lässt, kann dies durchaus als Durchbruch bezeichnet werden, der vor allem dem Verhandlungsgeschick der Justizkommissarin geschuldet ist. In der gemeinsamen Erklärung betonten beide Seiten, dass mit dem Abkommen der Datentransfer im Kontext der polizeilichen und juristischen Kooperation zur Verfolgung krimineller Handlungen erleichtert und dabei ein hoher Datenschutz für US- und EU-Bürger sichergestellt wird. Man hat sich in diesem Zusammenhang darauf geeinigt, dass auch Strafverfolgungsbehörden nicht auf persönliche Daten, die bei Instanzen am jeweils anderen Territorium gespeichert und gehalten werden, außerhalb legal autorisierter Kanäle zugreifen können.

Diese Woche ist somit nach den Worten von Frau Reding zumindest Bewegung in die transatlantische Datenschutzproblematik gekommen. Wie weit den Amerikanern die Umsetzung eines Datenschutzrahmenabkommens mit Europa wirklich ein Anliegen ist, bleibt abzuwarten. Die EU ist jedenfalls gut beraten, in den kommenden Verhandlungen zur Verwirklichung des Abkommens laufend zu evaluieren, ob die USA dem gezeigten Verständnis gegenüber europäischen Datenschutzansprüchen auch tatsächlich Taten folgen lassen.

Vor dem Hintergrund des Ringens um ein neues Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union und der sonstigen Intensität der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Beziehungen besteht jedoch Hoffnung, dass es der US-Administration mit der Ankündigung einer schnellen und für die Europäer zufriedenstellenden Lösung ernst ist. Für Viviane Reding ist der jetzige Verhandlungserfolg jedenfalls „ein starkes Signal, das Vertrauen zwischen beiden Kontinenten wieder herzustellen.“

Unabhängig von diesem diplomatischen Kraftakt haben die Europäer aber auch daheim ihre Hausaufgaben in Sachen Datenschutz zu erledigen. Dazu gehört, dass die vom Europäischen Parlament vor rund einem Monat verabschiedete Datenschutzgrundverordnung auch den Trilog von Parlament, Kommission und Rat erfolgreich passiert und noch vor den Wahlen zum EU-Parlament im nächsten Frühjahr bindendes europäisches Recht wird. Darüber hinaus muss im Einklang mit den Zielsetzungen der „Digital Agenda 2020“ parallel auch der Aufbau eigener sicherer Infrastrukturen zügig voranschreiten. Nur durch diese Vernetzung von Recht und Technologie kann Europa seine Marktstellung bei IKT stärken, das Vertrauen der Wirtschaft und der Bürger in eine durchgehend digitale Wissensgesellschaft erhöhen und damit die Binnennachfrage nachhaltig ankurbeln.

Es ist noch gewaltig viel zu tun!

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