Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl im Interview. Im Gespräch mit Report(+)PLUS zieht er ein zufriedenstellendes Resümee 2011, erklärt, warum heimische Unternehmen trotz Basel III keine Kreditklemme fürchten müssen und warum sich Österreich in Sachen Schuldenbremse die Schweiz zum Vorbild nehmen sollte.(+) plus: 2011 war für viele Unternehmen kein einfaches Jahr. Wie hat sich die heimische Wirtschaft aus Sicht der Interessenvertretung im abgelaufenen Jahr geschlagen?Christoph Leitl: 2011 ist für die österreichischen Unternehmen alles in allem ganz passabel gelaufen: Es gibt sehr gute Zahlen im Tourismus, ein ordentliches Weihnachtsgeschäft im Handel, damit auch eine gute Auftragslage im Gewerbe sowie einen neuen Rekord bei den Exporten. Dadurch sind auch die Transportwirtschaft sowie der Bereich Dienstleistungen gut unterwegs. All das zeigt, dass die österreichischen Unternehmen auch in schwierigen Zeiten ein stabiler Anker für Wachstum und Wohlstand sind. Bei den Exporten zählen wir sogar zu den ganz wenigen Ländern in Europa, die das im Sog der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 verlorene Terrain bereits innerhalb von zwei Jahren wieder wettmachen konnten. Bestperformer sind wir auch bei der Arbeitslosenrate, die in Österreich 2011 so niedrig war wie sonst nirgends in der EU. Klar ist aber auch: Die Konjunkturlage wird sich 2012 weiter zuspitzen, und durch den Wegfall des Triple-A haben wir endgültig Feuer am Dach. Die Bremser im Land müssen endlich aufwachen! Es ist alles zu unterlassen, was das 2012 nur zart sprießende Konjunkturpflänzchen gänzlich abwürgen würde. (+) plus: Sie haben sich wiederholt für die Schuldenbremse und gegen neue Steuern ausgesprochen. Wo soll konkret der Rotstift angesetzt werden?Leitl: Die Schuldenbremse ist ein wichtiges Vehikel, um die öffentlichen Defizite nachhaltig abzubauen. Die Schweiz hat vorgezeigt, wie es geht. Österreichs Staatsschulden sind zwischen 2007 und 2010 gemessen am BIP von über 60 % auf über 70 % gestiegen, während jene der Schweiz dank Schuldenbremse von über 45 % auf unter 40 % gesunken sind – und das ohne Sozialabbau, ohne Beschäftigungsabbau und mit mehr Wachstum. Die Schweizer haben die Schuldenbremse übrigens zu 100 % ausgabenseitig umgesetzt. Das ist auch in Österreich möglich, wenn die immer wieder verschleppte Erneuerung der Strukturen endlich in Angriff genommen wird. Die großen Brocken sind bei den Pensionen, in der Verwaltung, im Gesundheitssystem und in der Schulorganisation zu finden. (+) plus: Sie haben einmal gesagt: Sparen alleine wird zu wenig sein. Es braucht auch zielgerichtete Maßnahmen zur Stimulierung des Wachstums. Wie könnten diese Maßnahmen aussehen?Leitl: Eine gelungene Sanierung der Staatsfinanzen basiert auf zwei Säulen – erstens sind intelligente Einsparungen dort gefragt, wo es Doppel- und Dreifachgleisigkeiten gibt, und zweitens gezielte Wachstumsimpulse in Zukunftsbereichen wie Forschung, Bildung oder Infrastruktur. Auch die Exportförderung ist und bleibt wichtig, denn wir müssen mit unseren Betrieben noch stärker dorthin, wo es hohe Wachstumsraten gibt. (+) plus: Woher soll das dafür notwendige Geld kommen?Leitl: Mein Vorschlag lautet, dass Bund, Länder und Gemeinden bei den Ausgaben 5 %nachhaltig durch strukturelle Erneuerung einsparen. Mit einem solchen Programm, das nicht auf Kosten der Leistungen geht, aber deutlich mehr Effizienz bringt, wären das Defizit und das Schuldenproblem weg. Dann hätten wir auch Spielraum für die nötigen Zukunftsinvestitionen.(+) plus: Sie waren immer ein großer Verfechter der Währungsunion und verteidigen den Euro auch jetzt als Garant für den heimischen Wohlstand. Welche gesamteuropäischen Schritte bzw. Reformen sind notwendig, damit der Euro eine Erfolgsgeschichte bleibt?Leitl: Ich bin noch immer ein glühender Verfechter des Euro. Bei all dem Wehklagen über die aktuellen Schwierigkeiten wird vergessen, dass Österreich der größte Nutznießer des Euro ist. Das hat kürzlich eine Studie von McKinsey wieder bestätigt. Demnach hat uns die Gemeinschaftswährung seit ihrer Einführung einen BIP-Zuwachs von 7,8 % oder 22 Milliarden Euro beschert!Der geplante Fiskalpakt mit einer strikteren Haushaltsdisziplin ist ein erster wichtiger Schritt, um die aktuellen Probleme der Währungsunion zu lösen. Das Vertrauen der Finanzmärkte und der europäischen Bürger gewinnen wir aber nur zurück, wenn wir diese Regeln jetzt auch endlich konsequent umsetzen und Defizitsünder wirklich sanktionieren. Der nächste Schritt der EU-Staaten muss eine engere Kooperation in Richtung eines einigen Europa sein. Und natürlich bedarf es der konsequenten Umsetzung von Strukturreformen in vielen EU-Ländern.(+) plus: Viele Unternehmen fürchten, dass es 2012 noch schwieriger wird, an Geld zu kommen. Stichwort: Kreditklemme. Wie ist das aktuelle Verhalten der Banken zu bewerten und was fordern Sie im Sinne der zahlreichen KMU in Österreich?Leitl: Die Banken sind derzeit mit einem schwierigen Umfeld konfrontiert. Kritisch sehe ich, dass trotzdem für große europäische Banken der Übergangszeitraum von Basel III deutlich verkürzt wurde. Diese müssen schon ab Mitte 2012 eine deutlich erhöhte Eigenkapitalquote vorweisen. Der Chef der Europäischen Bankenaufsicht warnt sogar vor einer Kreditklemme, die diese Maßnahme seiner eigenen Behörde auslösen könnte! Warum hat man dann nicht eine bessere Lösung gefunden, wenn die Behörde selbst prozyklische Wirkungen befürchtet? Für Österreich bin ich optimistischer. Die Unternehmen profitieren von einem sehr diversifizierten Bankensystem mit kleinen und mittleren Regionalbanken und den großen Instituten, sodass ich eine Kreditklemme 2012 aktuell nicht befürchte.Außerdem ist das Zinsniveau für Unternehmenskredite niedriger als im Euroraum insgesamt. Jedoch nehmen viele Unternehmen aufgrund der unsicheren Konjunkturaussichten weniger Kredite auf. Für Basel III brauchen wir Erleichterungen für KMU-Kredite, national können Haftungen den Kreditzugang verbessern. Außerdem muss die Beteiligungsfinanzierung gestärkt werden.(+) plus: Was wird 2012 für die heimische Wirtschaft bringen?Leitl: 2012 wird ein herausforderndes Jahr. Umso wichtiger ist es, alle notwendigen Maßnahmen zu setzen, um die Unternehmen in dieser schwierigen Zeit bestmöglich zu unterstützen – oder anders gesagt: Es ist alles zu unterlassen, was die Betriebe zusätzlich behindern und belasten würde. Dann haben wir alle Chancen, gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen.