Die Zeitarbeitsbranche hat ein Problem. Das Image ist im Keller – und die Lobbys streiten, ob die flexiblen Personalbereitsteller ein Fluch oder Segen sind. Wo die Wahrheit liegt, was das umstrittene neue Arbeitskräfteüberlassungsgesetz bringen wird. Wenn um Worte, Begriffe und Deutungshoheit gestritten wird, geht es meist richtig zur Sache. Wer etwa in Computerforen »Hacker« als »Cracker« bezeichnet, liefert eine Steilvorlage für harsche Kritik. Wann der feine, aber wichtige Bedeutungsunterschied zwischen den »Guten« und den »Bösen« verloren gegangen ist, lässt sich nicht mehr genau sagen. Schuld daran dürften die Medien sein. Ahnungslose Journalisten würfeln die Begriffe seit Jahren bunt durcheinander. So bunt, dass heute beide Wörter fast schon ein Synonym sind. Mit »Raubkopierer« haben wiederum die Inhalteanbieter ein Orwell’sches Wortkunstwerk in die Welt gesetzt. Auch hier gilt: Der Neologismus geht zwar schon als umgangssprachlich durch, im falschen Forum sollte man ihn nicht verwenden. Ein hitziger Schlagabtausch um Ursprung und Wortgeschichte ist garantiert. Auch für Zeitarbeit gibt es eine Reihe Synonyme: Leiharbeit, Mitarbeiterüberlassung oder Personalleasing etwa. Wer es lieber Amtsdeutsch hat, kann auch von Arbeitskräfteüberlassern sprechen. Die Begriffe sind zwar austauschbar, aber auch wieder nicht ganz: Wer genau hinsieht, bemerkt auch hier einen subtilen, aber hartnäckigen Kampf um leichte Nuancen oder den »richtigen« Begriff. ÖGB oder Arbeiterkammer verwenden in der Kommunikation vorzugsweise »Leiharbeit«. Das ist nicht nur schnörkellos. Als passende Assoziation bietet sich gleich noch der austauschbare, entwürdigte und unterbezahlte »Leihsklave« an, für den die Arbeitnehmervertreter unermüdlich kämpfen. Vielleicht reitet die AK aber auch nur deswegen so auf dem Begriff »Leiharbeit« herum, weil sich damit das Gegenüber auf der Wirtschaftsseite offensichtlich in Rage bringen lässt. Nach einer Pressekonferenz von ÖGB und AK vor zwei Jahren war Gerhard Flenreiss, Bundesobmann der Personaldienstleister in der Wirtschaftskammer, nicht nur über die Zahlenattacken von Herbert Tumpel, sondern auch über dessen Wortwahl massiv verärgert. »Es gibt keine Leiharbeit, denn Menschen kann man nicht verleihen«, stellte der WKO-Mann gleich in der Einleitung seiner darauf folgenden Presseaussendung klar. Und er wettert gegen »die Agitation von Gewerkschaft und AK«, die nur »alte Klischees vom Sklaven des 21. Jahrhunderts« aufwärme. Richtig entbrannt ist der verbale Klassenkampf diesen Frühling. Der Zankapfel ist die anstehende Novellierung des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG). Laut Vorgaben aus Brüssel hätte die 2008 veröffentlichte »EU-Leiharbeitsrichtlinie« bereits letzten Dezember in nationales Recht umgesetzt sein sollen (siehe Kasten). Die Frist für Stellungnahmen zum österreichischen Gesetzesentwurf endete jedoch erst im April und wurde auch weidlich genutzt. Im Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) trudelten rund zwei Dutzend Stellungnahmen ein, der Rechtsanwaltskammertag reichte nach einer ersten Stellungnahme nach Ablauf der Frist sogar noch einen Nachtrag ein. Laut Fahrplan soll die Novelle bis Anfang Juli beschlossen sein. Ob der Termin hält, ist freilich offen. Vor allem Industrie, WKO und der »österreichische Verband Zeitarbeit und Arbeitsvermittlung« (VZa) laufen gegen den Entwurf Sturm. IV-Generalsekretär Christoph Neumayer zerfetzte das AÜG Neu in seinem Blog als »negatives Highlight«, das sich »selbst ad absurdum führt«. Wie der VZa ortet auch die IV ein bürokratisches Monster, das weit über die Vorgaben der EU hinausgehe und zudem gar nicht nötig sei. Tatsächlich lässt sich diesem Standpunkt etwas abgewinnen. Schon die erste Fassung des heimischen AÜG datiert bereits aus dem Jahr 1988 und galt gemeinhin als vorbildlich.>> Zwischen Bürokratiemonster und Klassenkampf Schwachstelle Image Zwischen Bürokratiemonster und Klassenkampf Schwachstelle Image Die heiß umkämpfte Novelle:Eigentlich sollte die 2008 veröffentlichte »Leiharbeitsrichtlinie« der EU schon letzten seit letztem Dezember in nationales Recht umgesetzt sein. Die in Arbeit befindliche Novelle hat eine Flut von vorwiegend negativen Stellungnahmen ausgelöst. Abseits vieler Details schmerzt Überlasser wie Auftraggeber vor allem die bürokratische Regulierungswut oder rechtliche Unsicherheiten. Bekrittelt wird auch die mangelnde Rücksicht auf österreichische Verhältnisse. Der Hintergrund: Der heimische Zeitarbeitskollektivvertrag ist schon seit 2002 gültig und gilt bis heute als leuchtendes Vorbild für die gesamte europäische Zeitarbeitsbranche. Jetzt wird eine dramatische Überregulierung befürchtet, die organisatorisch und kostenmäßig kaum mehr zu bewältigen ist. Beklagt wird zudem die »Auflösungsabgabe« von 110 Euro, die als Bestandteil des Sparpaktes bei Beendigung von Dienstverhältnissen an das AMS fällig wird und die Branche überproportional hart treffe.>> Der Zeitarbeitsmarkt uner der Lupe:Richtig dicke Studien-Schwarten gibt es zur heimischen Zeitarbeitsbranche zwar nicht, dafür eine Fülle von Zahlen, Erhebungen und Detailstudien, die ebenfalls ein gutes Bild der Branche liefern. Das Sozialministerium liefert etwa seit Jahren »Stichtagserhebungen«, die einen Anhaltspunkt über die Beschäftigtenzahl liefern (siehe Grafik). Die KMU-Forschung Austria hat wiederum Daten der Sozialversicherungsträger ausgewertet und sieht die obere Bandbreite eher bei 100.000 Beschäftigten. Unter den Top-Ten-Kunden des AMS befinden sich übrigens sieben Zeitarbeitsfirmen. Insgesamt gibt es davon in Österreich rund 1.900. Bei der Mehrzahl handelt es sich freilich um Zwergfirmen bis hin zu EPUs, die sich selbst verleasen. Nach Expertenmeinung dürften die Top-Ten der Zeitarbeitsfirmen rund 50 Prozent des Markes halten. Anders als man glauben könnte, setzt laut SORA die Mehrzahl der Unternehmen seit der Krise nicht mehr Zeitmitarbeiter ein als vorher. Für Industrie/Gewerbe und größere Betriebe gilt das freilich nur bedingt. Die durchschnittliche Einsatzdauer blieb laut SORA trotz Krise stabil.