Report: Herr Hennrich, der Infrastrukturbau floriert und die Rettung der Wohnbauförderung ist gelungen. 2004 erzielten die Unternehmen der Stein- und keramischen Industrie einen Umsatzzuwachs von mehr als sechs Prozent. Zudem sind viele Firmen erfolgreich auf Expansionskurs in Ost- und Südosteu-ropa. Sind das nicht erfreuliche Zeiten?Carl Hennrich: Vordergründig sieht es so aus, als ob alles im Lot wäre. Die 6,5 Prozent Wachstum sind die höchste Rate seit etwa zehn Jahren. Aber die Ergebnisse sind etwas verzerrt. Erstens macht sich beim Export, der recht gut floriert, die Euro-Dollar-Relation bemerkbar. Zweitens konnten offenbar jene Kosten, wie Road Pricing, Energiepreis und der Stahlpreis, die wir auch im vergangenen Jahr hatten, in Umsatzzuwächse verwandelt werden. Drittens, und das ist das, was viele übersehen, dass das Jahr 2004 drei Arbeitstage mehr hatte wie 2003. Allein Letzteres macht 1,2 Prozent der 6,5 Prozent aus.
Bleibt immer noch ein ordentliches Wachstum übrig, oder?
Wir liegen mit diesen 6,5 Prozent immer noch einiges unter der Industrieproduktion, die nach den vorläufigen Ergebnissen der Statistik Austria um 9,4 Prozent gestiegen ist. Unser Anteil an der gesamten Industrieproduktion ist damit kleiner geworden. Aber insgesamt gesehen läuft das Geschäft ganz gut, wenn man von den ersten drei Monaten dieses Jahres absieht.
Ist der Finanzfluss abgeebbt?
Nein, nach meinen Informationen fließen heuer 1,4 Milliarden in die Straße und 1,2 Milliarden in die Schiene. Das sind schöne Aufträge für den Tiefbau. Ursache für das zögerliche Anlaufen ist der lange Winter. Allein die Zementindustrie liegt in den ersten vier Monaten 3,5 Prozent gegenüber dem Jahr 2004 zurück. Der Hochbau ist insgesamt verhaltener zu beurteilen. Im Vorjahr wurden mit Sicherheit nicht mehr wie 40.000 Wohneinheiten gebaut. Das sind doch rund 5000 weniger, wie wir vertragen könnten, um eine ausgewogene Relation zwischen Angebot und Nachfrage zu erhalten. Unterm Strich ist die Auftragslage gut. Wir brauchen aber jetzt sicher bis Jahresmitte, um den witterungsbedingten Rückstand aufzuholen.
Der Verband hat sich für 2005 vorgenommen, die Harmonisierung der Bauordnungen zu finalisieren. Wie steht es darum?
Das ist über die Bühne. Die sechs Richtlinien, die den Kern der Vereinheitlichung der Bauordnungen darstellen, sind fertiggestellt und befinden sich derzeit im Stadium der Umsetzung bzw. wir warten darauf, dass die Richtlinien von OIB ins Begutachtungsverfahren geschickt werden. Wir rechnen damit, dass die neuen Richtlinien im Lauf des Jahres 2006 von den Ländern in ihren Landesgesetzblättern kundgemacht werden.
Wie entwickelt sich Ihrer Ansicht die Causa mit der Zulassung von Baustoffen und deren überwachung? Da gibt es ja immer wieder Klagen gegen Einzelfälle, die wenig bringen.
Das Problem ist ungelöst. Was die Baustoffzulassung auf österreichischer Ebene betrifft, gibt es einen weitreichenden Kompromiss zwischen den Ländern, vertreten durch das OIB einerseits und das Normungsinstitut andererseits. Die Länder sind jetzt bereit, auch Nichtvertragsparteien für die Baustoffzulassung zu akzeptieren. Umgesetzt ist das noch nicht, wir warten darauf, dass dieser Akt umgesetzt wird. Weit schwieriger ist das Thema Marktüberwachung. Hier gibt es kaum Lösungsansätze, die wirklich greifen. Fest steht aber: Je mehr Normen europaweit harmonisiert werden, desto mehr Fälle gibt es. Mit 1. Juni 2004 sind die harmonisierten Normen für Gesteinskörnungen in Kraft getreten. Seither hat sich die Zahl der Beanstandungen stark erhöht. In diesem Segment sind hunderte Firmen tätig, die sich zum Teil wenig scheren. Daher verlangen wir auch eine Marktüberwachung, weil wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass das Prüfungs- und überwachungssystem unheimlich teuer ist und jene, die sich an das System halten, geschützt werden müssen. Letztlich gehen wir davon aus, dass die geprüften Baustoffe eine bessere Qualität aufweisen. Dass wir Qualitätsprobleme auf dem Bau haben, wissen wir. Dass es sich dabei nicht immer um Ausführungsprobleme handelt, wissen wir auch.
Sie meinen inländische Unternehmen?
Ja, da sind inländische Unternehmen, also eigene Mitglieder gemeint. Natürlich gibt es im Import auch Verkrampfungen, weil sich die heimischen Verarbeiter ja nach billigem Material umsehen.
Wie steht es um die Verhandlungen zum Rohstoffplan?
Da wird viel im Hintergrund gearbeitet. Tatsache ist, dass die Montanauniversität einen Auftrag vom Wirtschaftsministerium hat, der erst kürzlich wieder verlängert wurde. Die Causa verursacht aber einen erheblichen Aufwand, da ja hunderte Raumordnungs- und Flächenwidmungspläne in den Rohstoffplan einfließen müssen.
Ein Schlagwort Ihres Verbandes ist die Standortsicherung. Was hat das mit der Stein- und keramischen Industrie zu tun?
Wir haben nicht das Problem der Textilindustrie. Wir erzeugen Baustoffe, deren Transportradius begrenzt ist. Das ist ein natürlicher Schutz gegen die Globalisierung. Das heißt aber nicht, dass wir nicht in Teilbereichen gefährdet sind. Seit dem Fall der Grenzen können sich die Radien für Zement und Ziegel voll entfalten. Daher müssen wir danach trachten, annähernd gleiche Standortbedingungen zu bekommen wie etwa in der Slowakei, wo die Löhne deutlich niedriger sind und die Arbeitszeiten flexibler.
So viel können Sie da aber nicht zu tun haben, das sind ja großteils die eigenen Mitglieder, die dort aktiv sind?
(Lacht.) Es gibt wenig Troubles. Den österreichischen Investoren im Baustoffbereich muss man zweifellos ein großes Kompliment machen. Sie haben die Chancen erkannt und genutzt.
Nur der Baustoffhandel hadert, oder?
Das stimmt. Der Handel war offenbar mit seinen internen Positionskämpfen so sehr beschäftigt, dass für einen Blick über den Zaun keine Zeit war. Ein weiteres Problem sind vermutlich auch die fehlenden Kapazitäten im mittleren Management. Wir würden unsere Baustoffe gerne mit den vertrauten Partnern an den Mann bringen, das geht uns im Osten sicher ab.
Sie fordern eine Erhöhung des Gewichtslimits für Baustofftransporte. Der Geschäftsführer des Verbandes der Zementwerke, Felix Friembichler, hat kürzlich erklärt, dass ein 38-Tonnen-Lkw die Fahrbahn 120.000-mal stärker belastet wie ein Pkw. Wie passt das zusammen?
Ach so. Das ändert freilich nichts daran, dass es unsere Kosten senken würde, wenn wir bei Baustofftransporten das Gewichtslimit auf 44 Tonnen erhöhen könnten, wie es bei Rundholztransporten teilweise möglich ist. Unsere Hauptsorgen sind aber derzeit andere.
Das Thema Emissionszertifikate etwa?
Emissionshandel, Bergbauabfall und das Imissionsschutzgesetz Luft sind sicher wichtige Bereiche auf der Passivseite. Auf der aktiven Seiten Wohnbau und Generalverkehrsplan, der unserer Ansicht nach jährlich evaluiert werden sollte. Es wäre angesichts der Kostenexplosion dringend notwendig, sich mit dem Generalverkehrsplan auseinander zu setzen.
Kann das noch unter Minister Gorbach passieren?
Offenbar fehlt der politische Wille, im Jahr oder Monate vor der Nationalratswahl das zu machen. Die nächsten Monate sind ja finanziert. Wenn es stimmt, dass die Kosten von 7,5 auf zwölf Milliarden hinaufgeschnellt sind, muss man sich dringend fragen, wie es weitergehen soll. Eines ist sicher: Zu einer Erhöhung der Lkw-Maut sollte es aus unserer Sicht nicht kommen, weil wir glauben, dass die jetzigen Tarife die Obergrenze der möglichen Belastungen erreicht haben.
Ohne Mehrerlöse wird die Infrastruktur auf hohem Niveau aber schwierig finanzierbar sein?
Wir haben ja das warnende Beispiel Deutschland, wo die Infrastruktur vernachlässigt wurde, und sich die Situation erst durch die Einführung der Lkw-Maut deutlich bessert.
Höre ich da ein sanftes Plädoyer für die Pkw-Maut?
Die Leute müssen wissen, was sie wollen. Ob sie in Zukunft frei fahren wollen und damit auch mehr bezahlen müssen.
Ist der Verband in der Sache der Emissionszertifikate gespalten? Unternehmen der Ziegelindustrie haben ja den Rechtsweg zur Anfechtung der Verteilung der Zertifikate gewählt, die Zementindustrie setzt auf Konsens?
Das ist nicht schwierig für uns. Wir waren bei den Verhandlungen dabei. Es ist ein Unterscheid zwischen diesen beiden Zweigen. Die Zementindustrie sagt, wir wurden schlecht bedient, und wir setzen unsere Kraft für die Verhandlungen in der zweiten Runde ein. Die Ziegelindustrie hat einen verschwindend geringen Anteil an den Gesamtemissionen und die einzelnen Ziegelunternehmen wurden noch schlechter bedient wie die Zementindustrie. Wir wissen, dass auch die Beamten im Umweltministerium wissen, dass die Ziegelindustrie schlecht behandelt wurde. Die Erfolgsaussichten für ein kleines Ziegelunternehmen oder auch Wienerberger sind größer als die der Zementindustrie. Wir haben aber kein Problem, dass die einen sich wehren und die anderen stillhalten.
Welche Ideen hat ihr Verband zur Gebäuderichtlinie?
Die Geschichte mit dem Energieausweis ist positiv und gehört gemäß den EU-Richtlinien umgesetzt. Wir sollten aber nicht den Fehler machen, gleich zu Beginn übers Ziel zu schießen, wie es der derzeitige Entwurf vorsieht. Ein Energieausweis für alle Gebäude wäre nicht machbar, weil es nicht genug geprüfte Zivilingenieure gibt, die diesen Ausweis ausstellen können. Prinzipiell sehen wir den Energieausweis aber positiv, weil wir im Sektor Raumwärme dringendsten Handlungsbedarf im Hinblick auf das Kioto-Ziel haben.
Kriegen die massiven Baustoffe damit ein Problem?
Tatsache ist, dass die monolithische Bauweise die größten Probleme kriegen wird. Es setzt sich aber ohnedies immer stärker die Systembauweise durch. Es gibt ja seit zwei Jahren die Kooperation zwischen der Ziegelindustrie und der Qualitätsgruppe Vollwärmeschutz. Die Ziegelindustrie hat ja realisiert, dass die hohen Anforderungen beim Wärmeschutz nur mehr in Kombination mit anderen Materialien machbar sind.
Braucht es die vielen Verbände noch, wenn die Realität ohnehin zur Kooperation zwingt?
Ich bin froh, dass es viele Verbände gibt, weil die sich um die Technik, das Marketing und die Normen kümmern.
Also keine Notwendigkeit, Verbände zu reduzieren? Besteht nicht die Gefahr, dass durch viele Verbände das große Gesamte aus dem Auge verloren wird?
Vielleicht. Was ich kritisiere, ist, dass es kein geschlossenes Auftreten der Bauwirtschaft zugunsten des Bauens gibt. Die Mobilfunkbetreiber haben ein gemeinsames Forum. Die Papierindustrie schaut auch, dass ihr Absatz stimmt. Im Bau gibt es so viele Partikularinteressen. Dass man sagt, wir haben enormen Baubedarf in den einzelnen Segmenten, machen wir es gemeinsam und starten wir eine Imagekampagne für das Bauen, das fehlt sicher. Wir in der Baustoffindustrie versuchen aber, die Firmen bei der Stange zu halten, und ich glaube, das gelingt uns nicht so schlecht. Viele Fäden laufen bei uns zusammen.