Partnerlandschaft: Von der Kette zum Netzwerk
- Written by Redaktion
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Kein Unternehmen wirtschaftet heute für sich allein. Um weltweit erfolgreich zu sein, muss sich jedes Unternehmen auf sein Partnerökosystem verlassen können. Damit wandelt sich die Lieferkette zu einem Versorgungsnetz: Die Anbindung ans Netzwerk oder vernetztes ERP ermöglicht den ganzheitlichen Blick aufs Ökosystem. Zusammen bilden sie ein Wertschöpfungsnetzwerk, das in der Lage ist, neue Produkte und Dienstleistungen bereitzustellen, die ansonsten nicht möglich wären, ist Stefanie Wagensonner, Marketing Manger DACH bei GT Nexus, überzeugt.
Report: Sie propagieren eine starke Veränderung in der Unternehmenswelt: Unternehmensgrenzen verschwimmen zusehends, Wertschöpfung passiert mehr und mehr in einem Partnerökosystem. Was kann man sich darunter vorstellen?
Stefanie Wagensonner: Es gibt heutzutage immer weniger Unternehmen die komplett vertikal integriert sind. Die Anzahl an Teilnehmern in der Wertschöpfungskette nimmt ständig zu. Die unterschiedlichsten Partner sind in die Geschäftsaktivitäten involviert, seien es Rohstofflieferanten, Zulieferer von Teilprodukten oder sogar völlig ausgelagerte Produktion, Logistik- und Finanzdienstleister und nicht zuletzt die Abnehmer und Endkunden. Nicht nur das Unternehmen selbst, sondern alle Beteiligten tragen hier zur Wertschöpfung bei und könnten für sich allein nicht existieren. Die Lieferkette im klassischen Sinne entwickelt sich hin zu einem Lieferkettennetzwerk, in dem jeder Partner vom anderen abhängig ist – einem Partnerökosystem. Eine Zahl verdeutlicht das besonders gut: 80 Prozent aller entscheidungsrelevanten Daten und Prozesse liegen heute außerhalb der eigenen vier Wände eines Unternehmens, beispielsweise bei Lieferanten, Logistikdienstleistern oder den Abnehmern. Um Risiken zu minimieren und den Geschäftserfolg zu sichern, muss ein Unternehmen eng mit all seinen Partnern zusammenarbeiten.
Report: GT Nexus betreibt eine Cloud-Plattform für die Abbildung von Unternehmensprozessen. Wie sieht ein typischer Kunde aus? Was wird in die Cloud ausgelagert? Und welche Argumente sprechen für diesen Weg?
Wagensonner: Um Transparenz in alle Unternehmensprozesse, insbesondere die außerhalb der eigenen Verantwortungsbereiche zu bringen, werden entsprechende Systeme benötigt. In der Vergangenheit wurden große Summen in ERP-Systeme investiert. Kostenintensive, hochkomplexe, individuelle Hard- und Softwaresysteme, die in jahrelanger Arbeit implementiert wurden und auch danach ständige Wartung und Aktualisierung benötigen. ERP-Systeme sind perfekt auf die Geschäftsabläufe innerhalb eines Unternehmens abgestimmt. Nicht aber darauf, mit vielen verschiedenen Supply-Chain-Partnern überall auf der Welt, die alle ihre eigenen IT-Systeme und Schwerpunkte haben, zu kommunizieren.
Mit Hilfe von Cloud-Plattformen können die Funktionalitäten eines ERP-Systems auf externe Partner ausgeweitet werden. Cloud-Plattformen zentralisieren und standardisieren alle Daten in der Lieferkette. Sie koordinieren den Informationsfluss zwischen den Unternehmen und sorgen für effiziente Lieferkettenprozesse auf globaler Ebene. Konkret schafft die Cloud eine gemeinsame virtuelle Dateninstanz auf der alle Lieferkettenteilnehmer bei Bedarf im Rahmen ihrer Zugriffsrechte Einblick in aktuellste Daten haben. Jede Datenänderung ist sofort für alle relevanten Beteiligten sichtbar. Statusänderungen müssen nicht mehr per EDI-Schnittstellen oder Excel geteilt werden. Dies ermöglicht einen schnellen und sicheren Datenaustausch und schafft Transparenz nicht nur in die eigenen Abläufe, sondern auch in die Prozesse der Partner im Netzwerk. Dabei sorgt die Cloud auch für Chancengleichheit, denn es sind keine kostenaufwendigen Investitionen in spezielle Hardware notwendig. Auch kleine Zulieferer können sich so nur mit einem vorhandenen Internetanschluss über PC oder Smartphone mit der Cloud verbinden.
Bei unseren Kunden handelt es sich vorwiegend um große global operierende Unternehmen mit komplexen Lieferketten. Sie tauschen über die Cloud-Plattform Daten aus, die zur Steuerung globaler Lieferketten benötigt werden, beispielsweise bei Zahlungsprozessen oder Transporten. Denn viele entscheidungsrelevante Daten liegen bei Lieferanten, Logistikdienstleistern oder den Abnehmern und sind nicht automatisch einsehbar. Dadurch agieren Unternehmen oftmals blind, sehen Störungen wie zuletzt beispielsweise den Hanjin-Konkurs zu spät und können nicht rechtzeitig reagieren.
Die Cloud bringt alle Partner im Netzwerk näher zusammen. Prozesse können vereinheitlicht und optimiert werden, manuelle Arbeitsabläufe werden auf ein Minimum reduziert. Bestände und Transporte lassen sich wesentlich effizienter planen. Zudem kann auf Produktionsschwankungen, veränderte Nachfrage oder völlig unvorhersehbare Ereignisse wie Naturkatastrophen schnell reagiert und Ausfallrisiken minimiert werden. Durch eine zusätzliche Einbindung der finanziellen Seite der Supply Chain können zudem alle Partner den Status ihrer Bestellungen und Zahlungen in Echtzeit einsehen. Lückenlose Transaktionshistorien ermöglichen Nachlässe bei frühzeitigen Zahlungen oder bessere Kreditbedingungen und sparen damit nicht nur Kosten, sondern ermöglichen zudem effizientere strategische Entscheidungen.
Report: Werden die Nutzer hier nicht anhand nötiger Standards bei Cloudservices auch "gleichgeschaltet"? Müssen Unternehmensprozesse an Clouddienste angepasst werden?
Wagensonner: Die Cloud unterstützt flexibel bestehende Unternehmensprozesse und ermöglicht zusätzliche Prozessautomatisierung, beispielsweise bei Zahlungsabläufen. Dabei kann aber detailliert und individuell festgelegt werden, wer welche Daten auch tatsächlich sehen kann. Am besten vergleichen lässt sich dieses Modell mit sozialen Netzwerken. Es entsteht quasi eine Art Facebook für Unternehmensprozesse. Es existiert eine gemeinsame, immer aktuelle Instanz, in die Daten aus bestehenden Systemen einfließen und auf die jeder autorisierte Teilnehmer gemäß seinen Rechten Zugriff hat und Prozessdaten in Echtzeit einsehen kann. Jeder Partner kann eine Statusänderung zum Beispiel für eine Lieferung je nach Bedarf sofort sehen und entsprechend agieren. In der Supply Chain, wo viele Unternehmen mit tausenden von Objekten, Prozessen, Dokumenten und Organisationen arbeiten, die sich ständig verändern, birgt dieses Modell ein unglaublich hohes Potential für umfassende Transparenz. Dadurch wird die Supply Chain schnell wesentlich flexibler, agiler und sicherer.
Report: Welche Prozesse haben Ihre Kunden Nike und Caterpillar über GT Nexus laufen?
Wagensonner: Nike wickelt wichtige Teile des Beschaffungsprozesses über die Cloud-Plattform ab. Beispielsweise wurden Zahlungsabläufe vom Bestellvorgang, über Produktionsanweisungen und Freigaben bis hin zur finalen Zahlung und Auslieferung automatisiert. Keine zeitaufwendige manuelle Rechnungsstellung ist mehr nötig, alle Prozesse laufen elektronisch und zeitnah ab.
Der Baumaschinenhersteller Caterpillar setzt für seine Logistikprozesse auf die weitreichende Transparenz der Plattform, um Nachschub- und Ersatzteilversorgung sicherzustellen. Damit kann er sein Kundenversprechen halten, jedes Ersatzteil innerhalb von 48 Stunden selbst an den entlegendsten Stellen der Welt zur Verfügung zu stellen. Ganz genau nachzuvollziehen, welcher Teil wo gebaut wird oder sich gerade auf der Transportroute befindet, ermöglicht es Caterpillar, bei Bedarf sofort zu reagieren und Ware an die vorgesehene Destination zu leiten. Dabei konnte Caterpillar 150 Millionen US-Dollar an Betriebsmitteln sparen, sprich Teilen, die gerade irgendwo in der Lieferkette festsitzen. Vor allem aber gelingt es Caterpillar auf Nachfrageänderungen oder plötzlich auftretende Störungen extrem flexibel zu reagieren. So konnte das Unternehmen beispielsweise während des Tsunamis in Japan besonders schnell reagieren, auf alternative Transportrouten und Kapazitäten ausweichen und seine Ersatzteilversorgung trotzdem aufrecht erhalten. Darüber hinaus schafft die Plattform für Caterpillar auch zusätzlich Transparenz bei der Rohstoffbeschaffung und der sehr komplexen Distribution von Bauteilen und Fertigprodukten. Gerade wenn Teile für ein Fahrzeug aus zwei Fabriken in den USA und aus Mexico wegen zolltechnischer Gründe in einer Ladung nach Südamerika verschifft werden müssen.
Report: Welche Kunden haben Sie in Österreich bislang gewinnen können?
Wagensonner: Alle zentralen Logistikdienstleister wie beispielsweise DB Schenker, DHL oder Kühne + Nagel wickeln tagtäglich Waren über die Plattform ab. Darüber hinaus bedienen globale Kunden wie Nestlé, adidas, Levi Strauss, Pfizer, Lenovo oder Procter & Gamble über GT Nexus den österreichischen Markt.