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»Keine goldenen, sondern normale Zeiten«

(Foto: Foto Wilke) Thomas Arnoldner ist neuer Generaldirektor bei Alcatel-Lucent in Österreich. (Foto: Foto Wilke) Thomas Arnoldner ist neuer Generaldirektor bei Alcatel-Lucent in Österreich.

Thomas Arnoldner, 35, ist mit Anfang des Jahres zum Vorstandsvorsitzenden bei Alcatel-Lucent Austria bestellt worden. Mit dem Report sprach er über eine veränderte Branche, Erwartungen zum künftigen ­Datenwachstum und die nötige Marktkonsolidierung in Europa.

 

(+) plus: Herr Arnoldner, der Markt ist im Wandel – ebenso wie das Geschäft von Netzausrüstern wie Alcatel-Lucent. Welche Zeiten brechen für Sie in Österreich an?

Thomas Arnoldner: Es sind grundsätzlich spannende Zeiten, in der spannendsten Branche, die man sich vorstellen kann. Alcatel-Lucent hat mit überdurchschnittlich hohen Marktanteilen seit jeher eine starke Position in Österreich, das nach wie vor eines der erfolgreichsten Länder im Konzern bildet. Meine Aufgabe in unserem Unternehmen ist aber auch aus technologischer Sicht sehr spannend. Aus dem Umfeld der Bell Labs, unserer Forschungs- und Entwicklungsperle, sind allein sieben Nobelpreisträger hervorgegangen. Viele Innovationen wurden dort begründet: der Transistor, der Laser, der CCD-Sensor, der sich heute in jeder Digitalkamera findet, und aktuelle Technologien, wie zum Beispiel Vectoring, das zur Steigerung der Bandbreiten über Kupferleitungen gegenwärtig in aller Munde ist. Wir haben VDSL2 Vectoring weltweit als Erste kommerziell angeboten und bereits auch gemeinsam mit dem Netzbetreiber A1 in der Praxis umgesetzt.

Wir sehen aber auch, dass die Größenordnungen im Markt Veränderungen unterworfen sind. Die Umsätze unserer Kunden gehen zurück. Der Markt wird kleiner, und wir müssen uns an diese Marktrealitäten anpassen.

(+) plus: Sie sprechen Umsatzrückgänge besonders im Mobilfunkmarkt an. Ist dies ein österreichisches Phänomen – oder ein europäisches?

Arnoldner: Dies ist ein europäisches Phänomen, wenn auch der heimische Wettbewerb auch international verglichen überdurchschnittlich hoch ist. Generell ist die gesamte europäische Branche einem besonderen Druck ausgesetzt – im Unterschied zu den stark wachsenden Märkten in Asien und dem konsolidierten US-Markt. In Österreich haben wir ja eine besondere Konstellation, da zuletzt die Zahl der Mobilfunknetzbetreiber von vier auf drei zurückgegangen ist. Dieser Prozess hat lange gedauert und es ist gut, dass diese Konsolidierung abgeschlossen ist. Es gibt damit wieder mehr Planungssicherheit im Markt.

(+) plus: Nicht nur die Unternehmensführung, sondern auch andere Vorstandsposten sind bei Alcatel-Lucent neu besetzt worden. Synergien in der Konzernstruktur sind ebenfalls Thema. Was bedeutet dies für Ihre Aufstellung in Österreich?

Arnoldner: Es gibt einen neuen Vorstand gemeinsam mit Karoline Schütz für den Bereich Finanzen und Robert König für rechtliche Belange. Der Vorstandsposten für Technik wurde abgeschafft, da in den Vertriebsbereichen Presales, Postsales und Execution unterschiedliche technische Verantwortlichkeiten nötig sind.

Ein großes Thema ist natürlich, dass wir in einer globalisierten Branche nicht ohne Konzernressourcen auskommen - und dies auch nicht wollen. Letztendlich wollen davon auch unsere Kunden profitieren, auf unsere internationalen Expertisen zugreifen, und gleichzeitig einen starken lokalen Partner haben. Für uns ist es daher wichtig, nicht in einem Land isoliert, sondern abgestimmt mit der neuen Unternehmensorganisation zu sein. Dies wird in Zukunft sicherlich verstärkt der Fall sein.

(+) plus: Welche Auswirkung hat das auf den Mitarbeiterstand in Österreich? Wie viele Mitarbeiter haben Sie derzeit?

Arnoldner: Wir müssen uns den Marktrealitäten anpassen. Es ist unsere Aufgabe, das Unternehmen in diesem Jahr richtig zu dimensionieren. Die Investitionsvolumina unserer Kunden gehen zurück und wir haben die Entscheidung getroffen, uns auf unsere Kernkompetenzen zu konzentrieren. Das heißt: Profitabilität erhöhen, nicht blind nur Umsatzwachstum zu verfolgen und auch eine Anpassung der Mitarbeiteranzahl vorzunehmen. Genaue Zahlen kann ich Ihnen noch nicht nennen. Wir werden uns aber so aufstellen, dass unsere Kunden bestmöglich serviciert werden können. Mit Jahresende 2012 hatten wir rund 460 Mitarbeiter, inklusive Leiharbeitskräfte.

(+) plus: Asiatische Telekommunikationsausrüster sind mittlerweile erfolgreich in den europäischen Markt getreten. Was ist der Unterschied zwischen dem Portfolio und den Services von Alcatel-Lucent gegenüber den Produktpaletten aus Fernost?

Arnoldner: Ich wundere mich immer ein bisschen über die Frage des Eintritts von chinesischen Marktbegleitern in den europäischen Markt. Warum wird nicht öfter die Frage gestellt, wie erfolgreich europäische Anbieter im wesentlich geschützteren chinesischen Markt agieren?

Zu den Unterschieden: Unsere Kunden schätzen vor allem unsere große Fähigkeit zu Innovation. So wurde Alcatel-Lucent zuletzt in der MIT Technology Review unter die 50 global innovativsten Unternehmen gewählt – als einziges Unternehmen in unserem Segment. Wir haben aus eigener Entwicklung einen 400 Gbit/s-fähigen Prozessor auf den Markt gebracht und damit einen großen Technologievorsprung erzielen können. Dieser Tage wurde mit der Belgacom der leistungsfähigste Corerouter der Welt gelauncht. Bei der optischen WDM-Technologie hat Alcatel mit 100-Gbit/s-Produkten den höchsten Marktanteil in diesem Segment. Mit einer solchen Kapazität können 70.000 High-Definition-Streams parallel übertragen werden.

All diese Innovationen unterscheiden uns von unseren Marktbegleitern, ebenso wie unsere Nähe zum Kunden und das Verständnis für die Herausforderungen in den Unternehmen. Das macht in den komplexen Projekten, die wir mit unseren Kunden umsetzen, den entscheidenden Unterschied: eine gemeinsame Sprache und gemeinsames Mindset.

(+) plus: Wie erfolgreich sind europäische Technologieunternehmen in China?

Arnoldner: Sie sind in einem massiven Ausmaß erfolgreich. Gemeinsam mit Tochterunternehmen vor Ort können europäische Anbieter in China reüssieren. Auch dort wird Technologieführerschaft geschätzt. Insgesamt sieht man, dass wir uns auch in Asien nicht zu verstecken brauchen.

(+) plus: Der Bedarf an Breitbandtechnologien steigt bei den Netzbetreibern weltweit. Welche Anwendungen benötigen große Bandbreiten? Was sind denn Ihre Erwartungen zum künftigen Datenverkehr?

Arnoldner: Prognosen sind ja immer dann besonders schwierig, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen. Sicherlich wird Video einer der ganz starken Treiber bleiben. HD-Video wird immer mehr zum Standard, und wir reden dabei häufig bereits von Streams, die parallel übertragen werden. Dann wurde heuer bereits die Nachfolgetechnologie Ultra HD präsentiert, die den Bandbreitenbedarf noch einmal massiv ansteigen lassen wird. Auch bei Cloud Computing geht es um erhebliche Datenmengen, die transportiert werden müssen. Wir glauben, dass die Netzbetreiber in Zukunft einen wesentlich größeren Anteil an den Wertschöpfungsketten im Datenverkehr haben werden, als dies heute der Fall ist. Dazu werden künftig Netzressourcen viel dynamischer genutzt, um die passenden Transportkapazitäten am jeweils richtigen Ort zu haben.

(+) plus: Wird es jemals wieder die goldenen Zeiten der Mobilfunkbranche geben, die wir in den 90ern hatten? Damals wurde kräftig in den Markt investiert.

Arnoldner: Ich wünsche mir keine goldenen, ich wünsche mir normale Zeiten. In Europa ist die Branche einem starken Druck ausgesetzt – auch aufgrund von externen Faktoren. Die IKT-Branche durchschreitet gerade eine Talsohle. Wie breit dieses Tal ist, ist freilich schwer  vorauszusagen. Ich denke aber, dass es zu einer Normalisierung kommen wird. Auf dem heterogenen Betreibermarkt ist eine weitere Welle der Konsolidierung unausweichlich – besonders wenn man die zerklüftete Szene mit anderen großen Märkten wie den USA vergleicht. Die europäische Öffentlichkeit und Politik wird nicht umhinkommen, das zu erkennen und entsprechend auch ihre Regulierungsstrategien umzudenken. Andernfalls läuft Europa Gefahr, im weltweiten makroökonomischen Umfeld hinterherzuhinken.

Von speziell einer Mobilfunkbranche zu sprechen, ist heute aber überholt. Die Grenzen zwischen Festnetz und Mobilfunk verschwimmen. Im Mobilfunk geht es darum, den Datenverkehr möglichst effizient ins Festnetz abzuführen. Auch gibt es heutzutage kaum einen Festnetzanschluss, der nicht auch einen WiFi-Router für die Anbindung von mobilen Endgeräten versorgt. Das dynamische Management dieser beiden Zugangstechnologien gewinnt immer mehr an Bedeutung. Durch die Entwicklung von billigeren, leistungsfähigeren Chipsets werden wir auch in Kürze Smartphones sehen, die deutlich unter 150 Dollar kosten. Das ist die Basis für einen weiteren Boom des mobilen Datenverkehrs im Massenmarkt.

(+) plus: Was ist an Investitionen zur nächsten Mobilfunkgeneration LTE in Österreich zu erwarten?

Arnoldner: Die Investitionsvolumina müssen Sie bei den Netzbetreibern erfragen, aber es wird sich wohl um dreistellige Millionenbeträge für jeden Marktteilnehmer handeln. Das Ausrollen eines österreichweiten LTE-Netzes verschlingt sehr große Summen für bauliche Aktivitäten, für die Mobilfunkausrüstung und den Netztransportbereich. Wir hoffen nun, dass kurzfristige Begehrlichkeiten der Politik nach Erlösen der Frequenzauktionen einer langfristigen Innovationsförderung weichen.

Ich kenne persönlich keine andere Industrie, in der so große private Investitionen getätigt werden. Nach wie vor muss aber der Öffentlichkeit der Wachstumstreiber Informations- und Kommunikationstechnologie ins Bewusstsein gerufen werden. Studien zufolge ziehen 10 % zusätzliche Breitbanddurchdringung 1,2 % BIP-Wachstum nach sich. Seit Beginn des IKT-Wachstums in Österreich kämpft die Branche um eine angemessene politische Berücksichtigung, etwa mit Investitionszuschüssen, Förderungen oder auch nur Steuererleichterungen. Politisch ist dazu bemerkenswert wenig passiert.

Last modified onDienstag, 09 April 2013 21:12
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