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Sputnik, ESA und österreich

Es war so einiges los im Jahr 1957: Die Internationale Atomenergie-Organisation IAEA wurde gegründet, in der Antarktis wurde Australiens südlichste Forschungsstation eingerichtet, die Amerikaner experimentierten mit der Mittelstreckenrakete und nahmen den ersten kommerziellen Atomreaktor in Betrieb und in österreich startete mit etwas Verspätung das Fernsehzeitalter. Doch alle diese mehr oder weniger relevanten Ereignisse wurden von einer kleinen, 80 Kilogramm schweren Kugel mit vier unansehnlichen Antennen locker in den Schatten gestellt. Sputnik, der erste künstliche Satellit öffnete der Sowjetunion am 4. Oktober das Tor zum Weltraum. Was im Osten für Jubelstimmung sorgte, sorgte im Westen für Katzenjammer. Schon bald war westlich des \"eisernen Vorhangs“ nur noch vom \"Sputnik-Schock“ die Rede.
Anstatt sich auf den Lorbeeren auszuruhen, streuten die Sowjets weiter Salz in die Wunden westlicher Wissenschafter. Nur knapp ein Monat nach Sputnik 1 startete Sputnik 2 in die Erdumlaufbahn. An Bord die Hündin Laika, der erste Erdling im Weltall. Der Westen strampelte vorerst vergeblich hinterher, daran konnte auch die Gründung der NASA im Jahr 1958 nichts ändern. 1962 schickten die Russen ihren ersten Kosmonauten ins All. In 108 Minuten umrundete Juri Gagarin die Erde. Für den Westen hatten diese Rückschläge auch etwas Positives. Vor allem in den USA wurden riesige Etats gebilligt, um den technologischen Rückstand aufzuholen. Vor allem in der ersten Hälfte der sechziger Jahre hatte die NASA beinahe unbeschränkte Mittel zu Verfügung. Belohnt wurde der enorme Aufwand am 20. Juli 1969, als Neil Armstrong als erster Mensch den Mond betrat.
Der Sputnik-Schock hat aber auch abseits der Raumfahrt und politischen Auseinandersetzungen im Westen einiges bewirkt. Zu tief saß der Stachel der technologischen überlegenheit der Sowjets. Der Ruf nach Konsequenzen wurde laut. In den USA und Europa wurde das Bildungssystem hinterfragt und neu aufgestellt, zahlreiche Universitäten wurde neu gegründet und Bildungsbarrieren abgebaut.

Europa als Spätzünder
Der Wettlauf ins All war vor allem ein Duell der beiden Supermächte, nur am Rande mischten auch andere Nationen mit. In Europa wurde 1962 die European Space Research Organisation ESRO gegründet, die 1968 ihren ersten Forschungssatelliten ins All schoss. 1975 entstand aus dem Zusammenschluss der ESRO mit der ELDO, der Organisation zur Entwicklung einer europäischen Trägerrakete, die European Space Agency. Im Gegensatz zu den beiden Supermächten, die immer wieder ihre Star Wars-Fantasien ausleben und im Falle von George W. Bush auch immer noch ausleben, hat sich die ESA von Anfang an den friedlichen Zwecken der Raumfahrt verschrieben. Die Aufgaben der ESA sind vielfältig: Allgemein geht es um die Koordination und Förderung der europäischen Raumfahrt. Konkret kümmert man sich um die Erforschung der Erde, ihres unmittelbaren Umfelds, des Sonnensystems und des Universums, um die Entwicklung satellitengestützter Technologien und Dienstleistungen und fördert verschiedene europäische High-Tech-Industrien. Kurzum, man ist sehr umtriebig und tanzt auf vielen Hochzeiten.
An der Gründung der ESA waren zehn Staaten beteiligt: Belgien, Deutschland, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Schweden, Schweiz und Spanien. Heute zählt die ESA 17 Mitglieder, österreich mischt auch mit. Schon seit der Gründung der ESA war man an einzelnen Raumfahrtprojekten beteiligt, 1981 wurde österreich assoziiertes Mitglied. Die Vollmitgliedschaft folgte im Jahr 1987. Unterzeichnet wurde der Vertrag vom heutigen Bundespräsidenten und damaligen Wissenschaftsminister Heinz Fischer. \"Der Beitritt österreichs zur ESA war anfangs nicht unumstritten“, erinnert sich Fischer. Die Mitgliedschaft habe sich aber rasch bewährt, vor allem für die österreichische Wirtschaft und Wissenschaft. Vom jährlichen Budget der ESA in der Höhe von rund drei Milliarden Euro stammen etwa 33 Millionen Euro aus österreich. Von diesem Mitgliedsbeitrag profitieren indirekt die heimischen Unternehmen. Der durch die ESA über Aufträge garantierte Rückfluss liegt derzeit bei 94 Prozent innerhalb von fünf Jahren.
Dass österreich nicht nur aufgrund des finanziellen Beitrags in der Pariser ESA-Zentrale geschätzt wird, versichert ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain bei den Feierlichkeiten zum 20-jährigen Jubiläum von österreich ESA-Mitgliedschaft in der Wiener Hofburg. \"österreich ist mit seinem technologischen Know-how ein wichtiger und verlässlicher Partner für die ESA“, streut Dordain der Alpenrepublik Rosen.

Space Community
Die mittelfristigen wirtschaftlichen Prognosen in der Raumfahrtbranche sind rosig, der Technologietransfer ist enorm. Dennoch ist die österreichische Space-Community überschaubar - und sehr heterogen. Großkonzerne wie Siemens und Magna sind ebenso vertreten wie Kleinunternehmen und Mittelständler. Einige der im Weltraum engagierten KMU haben es sogar bis zum Weltmarktführer geschafft - etwa Frequentis. Das Wiener Unternehmen hat sich im Bereich der Sprachvermittlungssysteme für Flugsicherung einen internationalen Namen gemacht und engagiert sich auch auf dem Gebiet der Mission Control Centers für Satelliten. Frequentis´ Beitrag zum Raumfahrtsprogramm der ESA besteht aus den in der Flugsicherung bereits seit Jahren erfolgreich eingesetzten ausfallssicheren Sprachvermittlungssystemen.
Aber auch andere österreichische Unternehmen profitieren vom Raumfahrtprogramm. Die niederösterreichische Berndorf AG, deren langjährigen Geschäftsführer bezeichnenderweise der erste österreichische Raumfahrer Franz Viehböck war, erstellt den Thermalschutz für Satelliten und hat es bis zum europäischen Marktführer gebracht. Die von Berndorf entwickelten Goldfolien schützen den Satelliten und führen einen künstlichen Temperaturausgleich herbei, den es im Vakuum nicht gibt. Während sich die Sonnenseite eines Satelliten bis zu 120 Grad Celsius aufheizt, kühlt es auf der Schattenseite bis zu 100 Grad ab. Ohne den Folien aus Niederösterreich würden Material und Elektronik bis zur Belastungsgrenze strapaziert werden. Was sich auf den Trips im Weltall bewährt, findet auch terrestrisch in der Medizintechnik Einsatz. Vom Technologietransfer Weltraum - Erde profitiert auch Magna Steyr. Der Automobilzulieferer ist verantwortlich für die Wasserstoff-Treibstofftanks der kleinen Ariane-Raketen. Dieses Know how wird auch von BMW geschätzt, das seine Wasserstoff-Treibstofftanks jetzt ebenfalls in Graz fertigen lässt.
Auch Siemens österreich ist im Weltraum aktiv und federführend bei der Entwicklung vonSoftwareprogrammen und bei der Systementwicklung. Siemens entwickelt unter anderem \"CarrierMonitoring Systeme“, die kontrollieren, ob die kommerziell genutzten Satelliten auch tatsächlichfunktionieren. Dafür entwickelt Siemens terrestrische Geräte, die mit den Geräten im Weltraumkorrespondieren. Nur so können Satelliten wie Eutelsat oder Astra die Qualitätsstandards garantieren, die etwa für die übertragung von TV-Ereignissen gefordert sind.Die Innsbrucker Beratungsagentur GeoVille arbeitet mit GeographischenInformationssystemen (GIS) und Satellitenbildern aus der Weltraumgestützten Erdbeobachtung. Daraus generieren sie für ihre europaweiten Kunden, darunter die Europäische Umweltagentur, Kartierungen von verbauten Flächen und Verkehrsflächen oder beraten Handynetzbetreiber bei der Evaluierung der besten Mastenstandorte. Seit zehn Jahren ist auch Austrian Aerospace in der Raumfahrt aktiv. Die Tochter der schwedischen Saab Space entstand 1997 durch die Fusion der zwei größten Zulieferer für Raumfahrtkomponenten und Ground Support Ausrüstung in österreich, Schrack Aerospace und ORS. Das Vorzeigeprojekt der AAE ist der im Vorjahr gestartete Wettersatellit MetOp. Wie die Zukunft von Austrian Aerospace aussehen wird, hängt in erster Linie vom europäischen Satellitennavigationssystem Galileo ab. \"Die 20 Jahre in der ESA waren für österreich sehr erfolgreich“, sagt Staatssekretärin Christa Kranzl. \"österreich hat eine hochspezialisierte Industrie, die mit weltweit agierenden Raumfahrtagenturen zusammenarbeitet.“ Für die Zukunft möchte Kranzl vor allem den Nutzen der Raumfahrt für die Gesellschaft in den Vordergrund stellen und die technologische und wissenschaftliche Exzellenz auf internationaler Ebene vorantreiben. Zudem soll österreich auch weiterhin eine aktive Rolle in der Umsetzung der europäischen Raumfahrtpolitik spielen.

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