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Die dämliche Decke

»Frauen sind ganz einfach zu dämlich, um Karriere zu machen« - nur gut, dass das eine Frau behauptet. Und jetzt ist der Bestseller auch als Taschenbuch zu haben, also sollte sich ihn auch jede unterbezahlte Frau leisten können. Im übrigen stimmt das mit der Unterbezahlung schon noch großteils, Barbara Bierach meint aber, dass daran die Frauen selber schuld sind.Dreiundfünfzig Prozent der Weltbevölkerung bestehen aus Frauen. Trotzdem stehen sie unter Artenschutz« - ziemlich provokant also, diese Barbara Bierach, Wirtschaftsjournalistin mit derzeitigem Wohnsitz New York, die es immerhin zur Ressortleitung der Wirtschaftswoche in Düsseldorf gebracht hat. Und sie weiß, wovon sie schreibt, hat sie doch Hunderte Managerinnen und Manager kennen gelernt.

Datenfrage
Um Missverständnissen vorzubeugen: Wir zitieren hier bloß die Texte von Frau Bierach - ob der Verfasser mit allen Bierachschen Passagen einverstanden ist, sei dahingestellt.
Als erstes stellt sich also die Frage, wo Barbara Bierach die Weisheiten her hat, mit denen sie (sehr gekonnt) herumwirft: Die Quellenangaben sind am Ende des Buches sehr sorgfältig angegeben, Hunderte von Studien und andere Herkunftshinweise aufgelistet.

Pampers-Dreieck
Im Bermudadreieck sind vor einiger Zeit angeblich dauernd Schiffe und Flugzeuge verschwunden. Auf dem Weg vom Gymnasium über die Unis Richtung Chefetage verschwinden ganz offensichtlich viele Frauen - denn in den Gymnasien und an den Universitäten stimmt die Geschlechterverteilung noch.
Sehr viele davon verschwinden im »Pampers-Dreieck«, Bierach nennt es auch »Heldennotausgang Kinderkriegen«. Bierachs Diagnose: Das Kinderkriegen ist sozusagen eine willkommene Ausrede, weil viele Frauen sich den Stress des Karrieremachens gar nicht antun wollen.

Muttermythos
Daher wird am Mythos, Kinder würden unbedingt ihre Mutter brauchen, gar nicht erst gerüttelt. Der ist nämlich wissenschaftlich nicht haltbar. »Kinder brauchen zwar Liebe und Bezugspersonen, aber nicht unbedingt zehn Jahre lang die eigene Mutter.« Völlig unverständlich erscheint Bierach, dass es auch an den Universitäten Frauenmangel gibt: »Das wäre ein breites Betätigungsfeld, denn fünf Monate im Jahr sind diese Tempel geschlossen«, auch unterm Jahr herrscht nicht gerade unerträgliche Hektik. Ein ideales Umfeld, sich neben dem Job ausreichend um die Aufzucht des Nachwuchses zu kümmern.

Mythos Biologie
In der Debatte, wohin die vielen weiblichen Führungspersonalressourcen verschwinden - der Bildungsgrad von Frau ist nachweislich mindestens so hoch wie der von Mann -, wird gerne auch die Biologie in die Schlacht geworfen. Auch das mit den Genen hält nicht: »Außer, dass Männer nicht schwanger werden können (und stillen), dafür aber mehr Schnellkraft besitzen, sind die Gene von Mann und Frau identisch.« Nicht nur Mann und Frau. überhaupt: »Zwar gleicht kein Mensch dem anderen, aber blöderweise gerade die Gene sind zu 99,9 Prozent ident.« Also auch jene von Veronika F. und Albert E.
In der Tat ist jeder Mann des Kochens und Bügelns und Staubsaugens mächtig, wenn er nur will (Bierach: »Mit dem Trauschein lassen sie das heiße Eisen fallen.«). Und umgekehrt kann jede Frau genauso gut eine Excell-Datei lesen oder eine Tabellenkalkulation interpretieren.

Quotenquatsch
Was die Quoten in der Politik angeht, ist Bierachs »Theorie« ziemlich genial: »Wenn alle Frauen Frauen wählen würden, gäbs in den Parlamenten mindestens zur Hälfte Frauen.« Weil ja auch die Hälfte der Wahlberechtigten Frauen sind. Ergo: Wenn Frauen Männer wählen, dürfen sie sich nicht beschweren, wenn in den Parlamenten, Landtagen und Gemeinderäten vor allem Männer sitzen. Dass im Wirtschaftsleben Quoten sowieso sinnlos sind, zeigt die Praxis: Was nützt es, wenn für ein Direktorium zwei Männer und zwei Frauen vorgesehen sind, sich um die Posten aber bloß Männer reißen?

Strandit Coasts
Personalentwickler kommen zunehmend ins Stöhnen: Bei allen möglichen Personalentwicklungsmaßnahmen sind Frauen eher überrepräsentiert. Die langfristige Wirkung wiederum ist eher desaströs: Ein Gutteil der weiblichen Fortgebildeten verschwindet spätestens mit 35 in einer Vorstadtvilla. Zur Kinderaufzucht und um sich »für ihren schwer arbeitenden Mann zu schmücken«. Aus dieser Baby- und Körperpflegepause kehren nur mehr die wenigsten in das Berufsleben zurück, die meisten sowieso nur in Teilzeit. Wertvolle Ressourcen werden solcherart vergeudet.

Leseprobe
Immer wieder werden Umfragen gemacht (bei manchen ist der Sinn zwar nicht klar erkennbar), sie werfen aber oft kein gutes Licht auf Frau. Nach ihren Interessen gefragt - zitiert Bierach eine solche »Datenerhebung« -, geben Frauen im Schnitt diese Reihenfolge an: Kochen, Körperpflege, gesunde Ernährung, Gastlichkeit zu Hause, Urlaub, Wohnen und Haarpflege. Erst an achter Stelle kommen Bücher, »was also schon ein bisserl auf Fortkommenwollen und Karrieremachen schließen lässt«. Männer nennen zwar auch CDs und Urlaub, im gleichen Atemzug aber Versicherungen (!) und berufliches Fortkommen. Die liebsten Fernsehsender von Frau wiederum sind Super RTL und RTL.

Berufswahl
Immer noch erlernt ein Drittel der Frauen einen der fünf häufigsten Frauenberufe: Bürokauffrau, Einzelhandelskauffrau, Arzthelferin, Friseurin und Zahnarzthelferin. »Warum wird Frau Krankenschwester und Mann Oberarzt?«, fragt sich Bierach. Selbst in der nach wie vor zukunftsträchtigen IT- und KT-Sparte sind Frauen unterrepräsentiert. In Deutschland waren es zuletzt nur 14 weibliche Prozent.
Wenn sich Frauen auf Ingenieursberufe einlassen, dann eben auch schon wieder auf die falschen: Innenarchitektur, Architektur und umweltschutzbezogene Fächer.

Fliegende Hausfrauen
Die Spitze des Eisbergs der falschen Berufswahl ist laut Bierach der Job der Flugbegleiterin, in österreich auch »Stewardess« und bei unseren Nachbarn »fliegende Hausfrau« genannt.
Bierach: »Dieser Job ist eigentlich rein gar nichts für Frauen: Weltweiter Einsatz, unterbezahlt, familienunfreundlich. Es ist mir unverständlich, dass fremdsprachenkundliche Abiturentinnen nicht gleich Pilotinnen werden wollen.« Also Instrumentenflug statt bei jedem Start erklären zu müssen, dass »die Ausgänge mit dem Wort Exit beschriftet sind«.
Die Lufthansa zum Beispiel verwehrt keiner Frau den Zutritt zu einer Pilotenausbildung - der weibliche Anteil stangiert dennoch bei fünf Prozent. Fazit: »Das mit der gläsernen Decke ist völliger Quatsch, statt um Quoten sollten wir einfach um Macht kämpfen.«

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