Spannendes 2011
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2011 wird ein spannendes Jahr für die Bauindustrie.
2010 war das erwartet schwierige Jahr für die heimische Bauindustrie. Die Konjunkturpakete waren aufgebraucht oder wurden wieder zurückgenommen. Allein das BMVIT muss mehr als 500 Millionen Euro einsparen. Euphemistisch heißt das dann, die Maßnahmen werden neu evaluiert. Fakt ist: Durch die verschobene Budgetdebatte sind die Aufträge der öffentlichen Hand fast ein halbes Jahr lang zum Erliegen gekommen. »Es wurde nur darüber nachgedacht, welche Projekte man machen will und welche nicht. Passiert ist aber nur wenig«, erklärt Michael Steibl, Geschäftsführer der Vereinigung Industrieller Bauunternehmungen Österreichs. Fast noch mehr schmerzen aber die Budgetnöte und daher die Kürzungen bei den Gemeindebudgets. Das Flächengeschäft macht den größten Umsatzanteil aus, und das ist ebenfalls weitgehend zum Erliegen gekommen. Da hilft auch die Verlängerung der Schwellenwerte-Verordnung nur wenig. »Es ist natürlich aus Sicht der Gemeinden wünschenswert, dass diese außerhalb des Vergabegesetzes Aufträge vergeben können, um die lokale Wirtschaft zu stärken. Aber auch dieses Geld muss zuerst einmal da sein«, sagt Steibl.
Dass die öffentliche Hand als Investor 2010 deutlich nachgelassen hat, belegen auch die neuesten Zahlen der Statistik Austria. Demnach liegt der Produktionswert der Bautätigkeit für den öffentlichen Sektor in der Berichtsperiode Jänner bis August 2010 mit 3,3 Milliarden Euro immerhin um 5,3 Prozent unter jenem des Vorjahresvergleichszeitraums. Insgesamt ist der Bauproduktionswert um 3,2 Prozent auf 8,8 Milliarden Euro zurückgegangen. Dabei mussten sowohl der Hochbau als auch der Tiefbau teils sehr deutliche Produktionsrückgänge hinnehmen. Bis Ende des Jahres rechnet Steibl mit einem herben Umsatzverlust für die heimische Bauindustrie. Was 2011 bringen wird, steht noch in den Sternen. Noch vor einem Jahr haben die Big Player der Branche den Himmel über 2011 zappenduster gesehen. Vor ziemlich genau einem Jahr prognostizierte Hans-Peter Haselsteiner einen »deutlichen Abschwung ab 2011«. In der Zwischenzeit zeigt sich der Strabag-Chef deutlich optimistischer und rechnet – zumindest für sein Unternehmen – im nächsten Jahr mit einem Umsatzwachstum von fünf Prozent.
Die große Unbekannte für die Bauindustrie ist der private Sektor. »Die Investitionsrückgänge der öffentlichen Hand sind zwar unerfreulich, aber zumindest planbar«, sagt Steibl. Ganz anders verhält es sich mit den privaten Investitionen. Selbst die Wirtschaftsforscher trauen sich kaum, Vorhersagen zu treffen, inwieweit das zarte Pflänzchen Konjunktur schon wieder zu Investitionen animiert. »Wer weiß, wie sich der private Sektor in 2011/12 verhält, der weiß, wie es der Bauwirtschaft gehen wird«, sagt Haselsteiner, ohne freilich die Antwort zu kennen. »Investitionskürzungen der öffentlichen Hand haben wir erwartet; die Frage ist aber, ob die Nachfrage aus dem privaten Bereich die fehlende Nachfrage aus dem öffentlichen Sektor kompensieren wird.« Breit aufgestellte Unternehmen wie die Strabag werden es leichter haben, mit den unsicheren Rahmenbedingungen zu jonglieren. »Wir können unsere Kapazitäten einfacher von einem Sektor in den anderen, von einem geografischen Markt in den anderen verschieben, als das ein kleineres, wenig diversifiziertes Unternehmen kann«, ist Haselsteiner überzeugt.
In Polen droht Ungemach
Bei der Alpine geht man davon aus, dass die fehlenden Investitionen der öffentlichen Hand die heimische Bauindustrie verstärkt ins Ausland treibt. Allerdings ist der internationale Wettbewerb enorm. Und natürlich wurden auch im Ausland Bauprojekte verschoben oder gar gestrichen. Länder wie Rumänien und Bulgarien verzeichneten einen De-facto-Baustopp und kommen erst ganz langsam wieder in die Gänge. Einziger Fels in der Brandung der letzten Jahre war Polen, das einen ungebremsten Bauboom verzeichnete. Aber auch dort droht jetzt Ungemach. Gebaut wird immer noch an allen Ecken und Enden, allerdings nicht mehr nur von europäischen Unternehmen. Mit absoluten Dumpingpreisen drängen chinesische Staatsbaukonzerne in den Markt. Nachdem sich chinesische Unternehmungen mit massiver politischer und finanzieller Unterstützung des Staates innerhalb der letzten Dekade eine marktbeherrschende Stellung in Afrika erobert haben, wollen sie jetzt in Europa Fuß fassen. Im September 2009 hat erstmals ein chinesisches Konsortium aus Staatsbaukonzernen zwei öffentliche Aufträge im Rahmen einer EU-finanzierten Ausschreibung gewonnen. Aktuell werden in Polen zwei große Straßenbauprojekte unter chinesischer Regie realisiert. Dabei lagen die chinesischen Angebotspreise bei allen Projekten um mehr als die Hälfte unterhalb der Kostenschätzung der Ausschreibungsbehörde und um jeweils ein Drittel unterhalb des Angebotspreises des zweitniedrigsten Bieters. »Innerhalb von Europa würde man das nicht zulassen, denn ein europäisches Staatsunternehmen würde unter das Beihilfenrecht fallen«, erklärt Steibl, der den internationalen Wettbewerb nicht scheut, aber Waffengleichheit fordert. Denn: »Wenn europäisches Geld investiert wird, müssen auch europäische Regeln gelten.« Ansonsten droht ein ruinöser Preiskampf, der, so ein aktuelles Positionspapier der deutschen Bauindustrie, die »bislang erreichten Umwelt- und Sozialstandards in Europa gefährden und in letzter Konsequenz auf dem Rücken der europäischen Beschäftigten im Bausektor ausgetragen würde«.
Dazu kommt, dass sich der chinesische Markt selbst weitgehend gegen ausländische Konkurrenz abschottet. Seit dem WTO-Beitritt Chinas im Jahr 2001 wurden die Aktivitäten ausländischer Baufirmen zunehmend unterbunden. Stattdessen wurde ein sogenanntes Qualifizierungssystem eingeführt, das ausländisch beherrschte Bauunternehmen de facto vom chinesischen Baumarkt verdrängt. »Eine Marktöffnung durch den Beitritt Chinas zum WTO-Beschaffungsübereinkommen lässt weiterhin auf sich warten«, heißt es im Positionspapier.
>> Rückblick und Ausblick: Die Top 3
> Strabag: Die größte heimische Bauunternehmung musste in den ersten neun Monaten einen Leistungsrückgang um drei Prozent auf 9,1 Milliarden Euro in Kauf nehmen. Für das Gesamtjahr rechnet Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner mit einem geringfügigen Rückgang von 13 Milliarden auf 12,9 Milliarden. Das EBIT liegt nach den ersten drei Quartalen um zehn Prozent über dem Vorjahr, sollte sich laut den Erwartungen von Haselsteiner am Ende aber auf dem Vorjahresniveau von rund 280 Millionen einpendeln. Positiv auf das Geschäft der Strabag hat sich vor allem der Bauboom in Polen ausgewirkt, der besonders im Segment Verkehrswegebau den Ausgleich für die nachteiligen Witterungsverhältnisse zu Beginn des Jahres in Europa brachte. Auffällige Leistungsrückgänge traten dagegen im deutschen und im ungarischen Verkehrswegebau auf. Auch im Hoch- und Ingenieurbau in Deutschland lag die Leistung merklich unter jener der ersten neun Monate des Vorjahres. Der Auftragsbestand entwickelt sich laut Strabag zufriedenstellend und liegt mit 14,8 Milliarden Euro knapp zwei Prozent über dem Vorjahr.
Einen überraschenden Wandel gibt es in der Einschätzung für 2011. Während Haselsteiner im Dezember 2009 noch mit einem »deutlichen Abschwung ab 2011« rechnete, geht er jetzt sogar von einer satten Leistungssteigerung von fünf Prozent auf 13,5 Milliarden Euro aus. Außerdem rechnet Haselsteiner mit einer stabilen EBIT-Marge von 2,2 Prozent. Die Highlights im abgelaufenen Geschäftsjahr der Strabag waren der Zuschlag für den Bau des Koralmtunnels, dem größten Bauauftrag Österreichs, sowie der Wiedereinstieg von Oleg Deripaska. Aktuell hält Deripaska 17 Prozent des Konzerns, bis 2015 sollen es wieder die ursprünglichen 25 Prozent sein.
> Porr: Auch die Porr-Gruppe entwickelt sich stabil. In den ersten neun Monaten wurde eine Produktionsleistung von 2,04 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das ist ein leichtes Minus von 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Auftragssituation entwickelt sich weiter analog zum verschobenen Konjunkturzyklus in der Bauwirtschaft. Der Auftragsbestand, derzeit 2,4 Milliarden Euro, ist zwar etwas geringer als im Vorjahr, aber immer noch stabil. Außerdem gibt es für die kommenden Monate Anlass für positive Erwartungen. Denn einige volumenstarke Projekte, insbesondere auch in der MENA-Region, befinden sich derzeit in der Pipeline und könnten kurzfristig wirksam werden.
Die wichtigste Neuerung bei der Porr im Jahr 2010 betraf den Vorstandsvorsitzenden. Auf Wolfgang Hesoun folgte Karl-Heinz Strauss, der auch gleich die Strauss & Immobilien GmbH mit in den Konzern brachte. Sein Fokus liegt in einer Vertiefung der Wertschöpfung im Unternehmen. »Einerseits durch eigene Projektentwicklungen, wo Porr mit ihren Tochtergesellschaften Porr Solutions, UBM und künftig auch Strauss & Partner gut aufgestellt ist. Andererseits bauen wir das Angebot in den Bereichen Facilitiy Management und Property Management weiter aus«, erklärt Strauss die Zukunftsstrategie der Porr.
> Alpine: Bei der Alpine hat sich das erste Halbjahr 2010 zufriedenstellend entwickelt. Die Bauleistung betrug 1,39 Milliarden Euro und lag damit knapp unter dem Vorjahreswert. Dafür verantwortlich ist vor allem das Ausbleiben öffentlicher Aufträge durch die Budgetverzögerung. Eine positive Entwicklung im zweiten Halbjahr sollte Österreichs zweitgrößtem Bauunternehmen ein Jahresergebnis auf dem Vorjahresniveau bescheren. Erfreulich entwickelt sich der Auftragsstand, der aktuell bei rund vier Milliarden Euro liegt.
Sorgen bereitet der Alpine das rückläufige Flächengeschäft. Deshalb versucht man, mit Tochterunternehmen wie der Alpine Energie Zukunftsmärkte wie erneuerbare Energie, E-Mobilität, Facility Management und Telekommunikation zu erobern.
Zu den Highlights in 2010 zählt sicher der erfolgreiche Durchstich beim längsten Bahntunnel der Welt, dem Gotthard-Tunnel, wo Alpine seine Tunnelkompetenz eindrucksvoll unter Beweis stellen konnte. Gleiches gilt für den viel beachteten Durchstich beim Pinglu-Tunnel in China. Dazu kommen Stadionprojekte in Polen sowie U-Bahn-Projekte in Indien und Singapur. Sehr prestigeträchtig war auch die Eröffnung des futuristischen Österreich-Pavillons im Rahmen der Weltausstellung in Shanghai.