"Die besten Ideen kommen oft durch den Austausch"
- Written by Martin Szelgrad
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Kapsch BusinessCom-Vorstand Jochen Borenich spricht über eine strategische Fokussierung bei dem IT-Dienstleister und vielfältige Möglichkeiten in der Digitalisierung von Produkten und Geschäftsprozessen.
Report: Wie geht es Kapsch BusinessCom wirtschaftlich? Was sind Ihre Schwerpunkte?
Borenich: Wir haben im letzten Geschäftsjahr eine gute Entwicklung hingelegt – sowohl im Umsatz als auch in der Profitabilität und den Kundenprojekten, die wir gewinnen konnten.
Historisch kommen wir aus dem Projektgeschäft und sind auch weiterhin großer Geschäftspartner von Herstellern wie Cisco, HP und Microsoft. Das ist unser Fundament. Weiters sind wir der größte österreichische IT-Outsourcing-Anbieter. Aktuell befindet sich die Branche in der Marktphase der Digitalisierung. Kapsch ist hier Vorreiter, und wir suchen nun – wie viele andere auch – die richtigen Anwendungsfälle, um sie tatsächlich in die Praxis umzusetzen. Wir haben da im Moment viele Bälle in der Luft, in den unterschiedlichsten Branchen.
Report: Wie viele Mitarbeiter haben Sie derzeit?
Borenich: Um die 1.000 Mitarbeiter sind es in Österreich. International befinden wir uns in einer Refokussierung. Wir wollen den Schwerpunkt mehr in die DACH-Region legen und verstärkt Deutschland und die Schweiz angehen.
Report: Ziehen Sie sich aus anderen Regionen in Europa zurück?
Borenich: Wir werden die Kunden weiterhin auch international bedienen – etwa OMV, Allianz und AVL. Das wird sich vom Servicegrad her nicht verändern. Wir werden aber unsere Vertriebsaktivitäten in anderen Ländern eher zurückschrauben. Dies betrifft konkret Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei. Rumänien ist davon nicht betroffen, es ist nach wie vor ein für uns wichtiger Hub in der Region.
Report: Warum dieser Rückzug?
Borenich: Dies ist einfach eine Frage des Potenzials. Wir haben in den Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz viele Kunden, die wir auch international begleiten können. Das Kundenpotenzial, das wir hier abschöpfen können, ist größer. Die Kapsch-Gruppe ist aber in über 40 Ländern präsent. Das wird sich auch durch den Vertriebsschwerpunkt der KBC nicht ändern. So haben wir etwa auch weiterhin unser Entwicklungszentrum in Tschechien, mit dem wir die Kunden bedienen können – beispielsweise mit unserer Energy-Management-Plattform für Energieversorger.
Report: Was wurde aus Kapsch Smart Energy, dessen Aktivitäten in die BusinessCom übergangen sind?
Borenich: Das Unternehmen wurde heuer integriert. Wir sind bei einigen Kunden in Österreich mit unserer Plattform im Einsatz, die wir auch der Energiebranche in Deutschland und der Schweiz anbieten wollen. Die Plattform funktioniert in der Verarbeitung von Massendaten und Transaktionen so gut, dass wir sie erweitern und breit im Industrieumfeld einsetzen werden. So gesehen ist Kapsch Smart Energy sehr gut bei uns eingebettet und wir können die Ideen, die für die Energiewirtschaft entwickelt worden sind, nun in anderen Bereichen multiplizieren. Unsere DNA ist die IP-Welt, die in den vergangenen Jahren auch die historisch proprietären Systeme in den Stromnetzen verändert hat. Kapsch BusinessCom ist ein Netzwerk- und IT-Security-Spezialist – damit passt dieses Thema für uns sehr gut.
Report: Letztlich aber wurden keine großen Projekte in der Energiewirtschaft in Österreich gewonnen. Ist die Smart-Meter-Unternehmung von Kapsch gescheitert?
Borenich: Nein. Wir haben uns ja entschlossen, nicht in das Thema Hardware zu investieren und wir bieten auch keine eigenen Smart Meter. Kapsch tritt als Lösungspartner auf. Wir sind in vielen Projekten Partner mit unserem softwarebasierten erfolgreichen Datenmanagement.
Report: Der Einsatz von IP in kritischen Infrastrukturen – birgt dies aus Sicherheitsgründen nicht auch einen Widerspruch?
Borenich: Ich gebe Ihnen recht, dass dies aus dem Security-Aspekt eine besondere Sorgfalt erfordert, aber es wird nicht aufzuhalten sein. IP wird sich überall durchsetzen, und es ist beherrschbar. Ich bin überzeugt, dass in fünf bis zehn Jahren die proprietären Systeme in allen Branchen abgelöst werden und IP Standard sein wird.
Report: Welche Technologietrends sehen Sie auf die Unternehmen zukommen?
Borenich: Laut Gartner wird es Ende 2017 8,4 Milliarden vernetzte Geräte geben, Ende 2020 werden es 20 Milliarden sein. Man kann das Thema Digitalisierung aus zwei Blickwinkeln betrachten – der technologische Aspekt ist einer davon. Das zweite ist eher eine Sicht auf neue Geschäftsmodelle mit smarten Produkten und smarten Services. Die Technologien zum Internet-of-Things, zu Big Data und auch die nötige Security-Ebene darunter sind heute so reif, dass damit Projekte umgesetzt werden können. Reif bedeutet: Die Sensorik ist da, es gibt unterschiedliche Datenübertragungs- und Netzwerklösungen und wir haben die Methoden, um diese Daten auszuwerten. Kapsch hat dazu einen End-to-end-Ansatz, mit dem wir das komplette Spektrum abdecken können.
Allein 70 Leute in unserer Gruppe beschäftigen sich ausschließlich mit der Entwicklung von Sensorik-Lösungen etwa für Kunden aus der Industrie, um unterschiedlichste Produkte mit Sensoren auszustatten. Die Daniel Düsentriebs in unserem Labor prüfen dann stets: Gibt es dafür bereits etwas am Weltmarkt? Wenn nicht, erfinden und entwickeln wir auch die Hardware und produzieren sie. Eine große Kompetenz dazu hat Kapsch durch die Produktion der Onboard-Units für die elektronische Maut, die letztlich auch Sensoren und Teil einer IoT-Lösung mit Netzwerkkommunikation sind.
Generell kommen für Datenübertragung in IoT-Lösungen die Mobilfunknetze in Betracht, aber auch WLAN-Netze oder Industrial Ethernet etwa in Produktionsbereichen. Dann gibt es als IoT-Netzwerktechnik auch LoRa, wo wir in einem Joint-Venture-Modell mit der ORF-Sendertochter ORS und dem Juniorpartner Microtronics nun beabsichtigen, ein eigenes LoRa-Netzwerk in Österreich aufzubauen. Wir sind dazu bereits in Wien und in Linz in einem Testbetrieb. Der Vorteil hier ist die energieeffiziente Geräteanbindung – man kommt mit einer Knopfbatterie fünf bis zehn Jahre aus – und Übertragung auf einer Wellenlänge, die auch vom Wasserzähler im Keller aus möglich ist. Damit können wir in Lebenszeiten von IoT-Komponenten in der Dauer einer Abschreibung und in Intervallen rechnen, in denen Geräte ohnehin serviciert oder getauscht werden müssen.
Bei den weiteren Säulen in Digitalisierungsprojekten – Sicherheit und Datenanalyse – ist Kapsch ebenfalls sehr gut aufgestellt. Im Security-Umfeld können wir stolz sein, dass wir in puncto Know-how die Nummer eins in Österreich sind und für die Speicherung von Daten mit unserem »earthDATAsafe« den besten und sichersten Platz bieten können. Im Bereich der Interpretation von Daten haben wir uns an dem Unternehmen AIMC beteiligt, das mit Datenwissenschaftlern rein auf Data Analytics fokussiert ist.
Report: Werden Datenanalysen und -verarbeitung mehr und mehr in Rechenzentren wandern – Stichwort IBM Watson und andere Computing-Plattformen? Sehen Sie dazu auch Bedarf für eine österreichische Lösung?
Borenich: Ob dies nun IBM Watson, SAP HANA oder andere Technologien sind – wir können mit unserer Plattform darauf aufsetzen und diese für unsere Unternehmenskunden nutzen. Wir sind hier wirklich allen Technologien und Modellen offen, je nachdem, ob die Daten vor Ort beim Unternehmen oder in einem Rechenzentrum in Österreich oder international gespeichert liegen sollen. All diese Varianten haben je nach Einsatzfall unterschiedliche Stärken.
Report: Was wären gute Beispiele für neuen Effizienzgewinn oder – besser – neue Geschäftsmöglichkeiten mit IoT?
Borenich: Ein Büromöbelhersteller überlegt derzeit – wir sind hier in einem Proof-of-Concept – mithilfe von Sensoren in den Bürosesseln neue Services zu ermöglichen. Mit der Technik lässt sich beispielsweise die Auslastung von Geschäftsräumen feststellen, aber auch jederzeit die Belegung von Büroflächen. Das geht so weit, die Sessel künftig vielleicht auch über ein Servicemodell nach Nutzungsgrad zu verkaufen.
Ein anderes Beispiel, das wir gerade mit Banken umsetzen, ist die Videoidentifikation über den Fernzugang. Im direkten Vergleich mit der Situation, dass jemand persönlich in die Filiale kommt und dies am Schalter macht, schaffen wir 90 % Einsparung der Prozesskosten. Das verändert auch den Kundenservice: Das Eröffnen eines Kontos ist damit von der Couch aus möglich.
Dann ist es auch vorstellbar, dass man Textilien mit Sensoren ausstattet – ob das nun das intelligente Leintuch ist, ein Babystrampler oder Verband. Auch in der Baubranche wird erprobt, intelligente Textilien auf Dächern einzusetzen. Bei Leckagen tritt Feuchtigkeit ins Material ein und der vernetzte Sensor teilt sofort die betroffene Stelle mit.
Assistierenden Systeme über Smart Glasses etwa in Produktionsumfeld, in der Logistik und in der Maschinenwartung decken wir mit unserer Beteiligung an Evolaris ab, das viele Einsatzmöglichkeiten dazu entwickelt.
Technologie lässt sich oft in ganz anderen Branchen einsetzen, als vielleicht ursprünglich gedacht war. Diesen Mehrwert können wir bieten, da wir mit Kunden aus unterschiedlichsten Branchen zusammensitzen. Die besten neuen Ideen kommen oft durch diesen Austausch. Das ist besser, als tatenlos zu warten, dass einem jemand anderer das Geschäft wegnimmt.