»Wissen, was draußen los ist«
- Written by Martin Szelgrad
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Gegründet als eigene GmbH im Rahmen der Unternehmensgruppe, fokussiert Kapsch Smart Energy auf ein neues Geschäftsfeld. »Energie und der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen ist ein Megatrend, auf den wir setzen«, bekräftigt Geschäftsführer Christian Schober im Interview.
Report: Zu wenig mitgespielt in den letzten Jahren hat die Politik beim Ausbau der intelligenten Stromzähler. Seit Jahren erwartet, wurden von der E-Control nun im Oktober die Mindestanforderungen für die Spezifikationen von Smart Metern veröffentlicht. Ist diese Bremse ein rein österreichisches Problem?
Christian Schober: Ich bin überzeugt, dass es in anderen Ländern in den letzten Jahren mehr Drive gegeben hat, um das Thema Smart Meter voranzutreiben. Es gibt andererseits sicherlich auch noch schlechtere Beispiele, wie etwa Deutschland. Ich würde die Verzögerungen allerdings nicht auf den Regulator schieben, mit dem wir sehr gut zusammengearbeitet haben.
Die Energieversorger, die mehrheitlich in Landeseigentum stehen, erfüllen ihren Auftrag. In dieser Phase fehlen aber die Anreizsysteme aus der Politik. Wir haben auch auf politischer Ebene viel gearbeitet, um Druck zu machen, damit Österreich hier nicht den Anschluss verliert. Diese Gefahr sehe ich aber nach wie vor. Österreich hat schon sehr viel verspielt.
Wir wissen, dass aufgrund steigender Energiepreise, Stromknappheit bei der Abschaltung von Atomkraftwerken wie in Deutschland und des Ausbaus erneuerbare Energie das Thema Smart Meter fix kommen wird. Es gibt die Notwendigkeit, in moderne Netze zu investieren – zumal die Transparenz, zu wissen, wie viel Strom gerade verbraucht wird, ein Grundrecht sein sollte. Die flächendeckende Einrichtung von intelligenten Stromzählern mag tausend Vorteile und auch ein paar Nachteile haben – in Summe geht es aber um das Recht der Haushalte, ihren aktuellen Energieverbrauch zu kennen. Die dazu nötigen Komponenten müssen nun von den Energieversorgungsunternehmen effizient zu Verfügung gestellt werden. So wird es auch in Brüssel verstanden.
Report: Das Transparenzthema erinnert an die nach Jahren umgesetzten detaillierten Rechnungen der Mobilfunker an ihre Kunden.
Schober: Auch dort hatte ich als Kunde das Recht, zu erfahren, wie sich meine Rechnung im Detail zusammensetzt. Auch weiß man aus der Motivationsforschung, dass Verhaltensänderungen eher unmittelbar, im Alltag passieren. Wenn ich mir heute einen Kühlschrank der Energieeffizienzklasse A+++ kaufe, will ich die Verbesserung des Stromverbrauchs rasch nachweisen können. Ist das nicht möglich, schiebe ich den Kauf eines solchen Geräts vielleicht ewig hinaus. Um diese Transparenz zu ermöglichen, brauchen wir eine Autobahn durch die Infrastrukturen in der Energieversorgung, eine Machete, um sich durch den heute noch undurchdringlichen Dschungel zu kämpfen. Auf einer solchen Autobahn werden dann unterschiedlichste Dienste von Abschaltmöglichkeiten bis zu Powerlimitierung und Tarifsteuerungen transportiert. Wir lernen dadurch, auf Verbrauchswerte und all die Themen, die sich bereits rund um Smart Grid und auch Smart Cities bilden, stärker zu schauen. Zu wissen, was draußen los ist, ist der erste Schritt, das eigene Verbrauchsverhalten zu verändern.
Wir haben Projekte im öffentlichen Bereich in Ungarn, bei denen Krankenhausbetreiber genau über Energieverbrauch, Raumtemperaturen oder auch Luftfeuchtigkeit Bescheid wissen wollen und wir die Betriebsführung umfassend unterstützen. Dies ist ein spannendes Thema, sehr nahe am Smart Metering.
Report: Wie beurteilen Sie den Anforderungskatalog der E-Control für Smart Meter?
Schober: Der veröffentlichte Funktionalitätenkatalog ist sehr gut und aus meiner Sicht weise verfasst. Alle Dinge, die notwendig sind, sind enthalten – so auch die Möglichkeit zur Abschaltung, das Auslesen und Übertragen von Verbrauchswerten im Viertelstundentakt, und wie die Datenanzeige am Geräte auszusehen hat. Dennoch sind noch Austriazismen enthalten. So stechen hier die Gesetze im Eichwesen mit unfassbaren bürokratischen Hürden hervor. Ein Beispiel dazu: Die Zählersoftware muss per Definition aus der Ferne updatefähig sein – ein vernünftiger Punkt, der eine einfache, zentrale Geräteverwaltung ermöglicht. Doch verbieten Regelungen dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen als Zulassungsbehörde gleichzeitig das Update geeichter Geräte im Feld. Jede Veränderung würde sofort die Gerätezulassung löschen. In dieser Pattstellung müssen wir als Lösungsanbieter zwar, wie von der E-Control gefordert, updatefähige Smart Meter bereitstellen können, hebeln aber mit einem Hardware-Lock in Form einer Plombe die besagte Funktionalität aus. Durch die ursprünglichen Anforderungen sind die gelieferten Zähler etwas teurer. Voll eingesetzt werden sie derzeit aber nicht. So paradox dies klingt, ist dieses Spezifikum für uns sogar ein Vorteil. Viele unserer Mitbewerber können solche Zähler mit Updatemöglichkeit über die Datenleitung gar nicht anbieten. Die Regulierungsbehörde ist aber weitsichtig genug, trotzdem auf diesen Funktionskatalog zu bestehen. Er wird noch für viele Jahre gelten, während sich das Eichgesetz mit Sicherheit verändern wird. Ich schätze, dass in drei bis fünf Jahren auch das Fern-Update erlaubt sein wird.
Ein weiteres Beispiel ist die Notwendigkeit der Eichung von Lastprofilwerten. Selbst wenn die Energieversorger jene 15-Minuten-Werte, die laut Spezifikation übertragen werden, lediglich zur Darstellung, aber nicht zum Billing und einer Tarifierung heranzieht, müssen auch diese geeicht sein. Auch das kostet wieder Geld. Im restlichen Europa gilt diese Regel nicht, dort sieht man die europäische Messgeräterichtlinie MID als völlig ausreichend an. Es geht aber noch weiter: Alle Werte, die theoretisch zu einer Verrechnung herangezogen werden könnten, müssen einer uralten Regelung zufolge am Zähler selbst darstellbar sein. Sie können sich vorstellen, wie sinnvoll eine Funktionalität ist, mit der sich ein Haushaltskunde durch zehntausende historische Messwerte am Smart Meter durchklickt. Das wird in der Praxis niemand machen, und es ist somit totes Gesetz. Dennoch müssen die Netzbetreiber nun Smart-Meter-Hersteller finden, die diese absurde Funktion bereitstellen können. Wir haben jedenfalls bereits die passenden Zähler in unserem Portfolio.
Darüber hinaus gelten Viertelstundenwerte des Stromverbrauchs bereits als personenbezogene Daten. Schließlich wäre daraus herauslesbar, zu welchem Zeitpunkt jemand nach Hause gekommen ist oder die Wohnung wieder verlassen hat. Also muss der Zugang zum Smart-Meter-Display in offen zugänglichen Räumen, wie es in Zinshäusern der Fall ist, versperrt sein. Groteske Lösungen beinhalten Taschenlampen, mit denen ein Zugangscode in das Gerät gemorst wird. Bei unserer Lösung verdunkeln wir das Display. Der Kunde kann dann im Callcenter des Versorgers anrufen, sich ausweisen und die Lastprofilansicht freischalten lassen.
Viele, die aus dem IT-Bereich kommen, stolpern im ersten Moment über diese Regelungen und Gesetze. Wir haben uns jedenfalls lange damit beschäftigt und bewegen uns heute sicher durch diesen Dschungel. Es gibt nur wenige Anbieter, die dies in einer solchen Flexibilität und Schnelligkeit können.
Die Stadtwerke Feldkirch haben uns vor Kurzem den Auftrag für den vollständigen Smart-Metering-Rollout gegeben. Im umfangreichen Endausbau geht es um ca. 20.000 Haushalte und Industrieunternehmen. Dort realisieren wir gemeinsam mit unserem Partner Eaton das erste Smart-Metering-System Österreichs, das alle E-Control und BEV-Anforderungen vollständig erfüllt.
Report: Wie schnell wird sich der Smart-Meter-Markt entwickeln?
Schober: In diesem extrem politischen Umfeld gibt es vier Verordnungen, die für einen großflächigen Rollout notwendig sind. Das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz ElWOG ist bereits durch. Die zweite ist nun die Mindestanforderung der E-Control, die aus unserer Sicht hervorragend gelungen ist. Dann braucht es eine Verordnung der E-Control zum Aussehen der für die Endverbraucher bereitgestellten Daten. Und schließlich wartet die Branche noch auf eine Verordnung des Wirtschaftsministers zu einem Rollout-Plan und angepeilten Zielen in Österreich. Die EU hat den Ausbau von 80 Prozent Smart-Meter-Anteil in den Haushalten bis 2020 festgelegt. Der Wirtschaftsminister kann dieses Ziel verändern, in dem er etwa einen Zeitraum bis 2018 und einen höheren Prozentsatz vorgibt – 95 Prozent, wie aktuell in einem Verordnungsentwurf vorgeschlagen wird. Entsprechend heiß umkämpft wird der Markt in den nächsten Jahren in Österreich sein.
Report: Hat Kapsch dazu selbst Smart Meter entwickelt?
Schober: Nein, im Zählerbereich macht es wenig Sinn, Hardware zu entwickeln. Wir bieten End-to-end-Lösungen, die drei große Bereiche abdecken. Das ist einmal der Haushalt mit dem Zähler und der nachgelagerten Hausautomatisierung, beispielsweise um Geräte effizient und kostengünstig zu verwalten. Dies realisieren wir mit unserem Partner, Eaton. Im zweiten Bereich, der Kommunikation im Netz, setzen wir mit dem Hersteller Echelon auf Powerline-Communication bis zum Datenkonzentrator. Kapsch hat teilweise selbst Module entwickelt, die sehr hohe Sicherheitsanforderungen – und damit das, was wir uns von solchen Lösung erwarten – erfüllen. Doch auch für einen Dienstleister mit langjährigem IT-Hintergrund ist diese Netzkommunikation alles andere als trivial. Zwar werden keine großen Bandbreiten benötigt – maximal ein Megabyte Datenübertragung pro Monat –, doch müssen die österreichischen Regelungen beachtet, proprietäre Kommunikationsprotokolle unterstützt, sicherheitsrelevante Anforderungen erfüllt und letztlich Kosteneffizienz erreicht werden. Echelon hat hier sehr fortschrittliche Lösungen entwickelt, indem beispielsweise die Konzentratoren und Informationshübe auf den Leitungen in einem vermaschten Netzwerk eigenständig als Repeater arbeiten. Sollte einmal ein Netzknoten ausfallen, werden die Daten über unterschiedliche Wege automatisch umgeleitet. Im dritten Segment, der Zentrale, steht unser Herzstück: das Meter-Data-Management-System als verbindende Intelligenz. Integriert sind hier Analysen, Reporting, Alarmmanagement, Security, Informationsmanagement, das komplette Gerätemanagement und die Netzsteuerung.
Report: Ein Wort zum brennenden Thema Security: Wie lässt sich Schadcode in solch intelligenten Netzen jemals vermeiden?
Schober: Wir haben in unseren Lösungen selbst mit der Updatefähigkeit der Zähler aus der Ferne eine immens hohe Systemsicherheit. Warum, ist einfach erklärt: Die Komponenten verfügen zwar im Inneren über eine hohe Komplexität, bieten nach außen aber kaum Angriffspunkte. Ein Smart Meter ist eine Appliance, die einem einzigen Zweck dient: das Messen des Stromverbrauchs. Solch ein Gerät kann schon von der Netzarchitektur her nicht auf eigene Faust Daten verschicken – es lässt sich folglich auch nicht hacken. Auch ist jeder einzelne Kommunikationsschritt zwischen den Komponenten dynamisch 128-bit-verschlüsselt. Das heißt: Die Verschlüsselung ändert sich ständig, ist niemals gleich. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Wir sind hier auf Telebanking-Standard. Und schließlich sind einzelne Komponenten und Netzpunkte in ihrer Funktionalität sehr beschränkt. Niemals würde ein Saboteur tausende Zähler auf einmal lahmlegen können. Dazu müsste schon in die Netzzentrale selbst eingebrochen werden – das hat aber mit dem Wandel zu intelligenten Netzen wenig zu tun. Diese Sabotagegefahr bestünde ja theoretisch auch in heutigen Netzen. Deshalb fordern wir auch höchste Sicherheitsvorkehrungen in der Meter-Data-Management-Zentrale und bieten als Kapsch auch eigene Security Checks für Netzbetreiber an. In diesem Bereich darf es keine Kompromisse geben.