Warten auf Godot
- Written by Redaktion_Report
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Die Geschichte um den »Wildschweintunnel«, wie der Volksmund das Bauvorhaben Lainzer Tunnel getauft hat, zieht sich wie ein Strudelteig. Irgendwie wird man den Eindruck nicht los, dass es sich bei dem umstrittenen Milliardenprojekt um eine heiße Kartoffel handelt, die niemand so recht angreifen möchte. Lange Zeit zeigte sich die Ministerialbürokratie im Nichtstun erfinderisch. Der ehemalige Sektionschef Arnold Schiefer verschob die Aktenberge so lange von Zimmer zu Zimmer und von Sachbearbeiter zu Sachbearbeiter, bis Verkehrsminister Hubert Gorbach - eher ungewöhnlich - den Baubescheid schließlich selbst unterzeichnen musste. Was ihm prompt eine Strafanzeige einbrachte, die von der Staatsanwaltschaft jedoch schnell zu den Akten gelegt wurde. Schiefer hat zwischenzeitlich seinen Ministerialjob an den Nagel gehängt und ist zur öBB gewechselt. Seine jetzige Position bezeichnen Insider als »Parkplatz«. Der BZö-nahe ehemalige Spitzenbeamte wird bahnintern bereits als potenzieller Vorstand der Infrastruktur Betriebs AG gehandelt, wo er Alfred Zimmermann nachfolgen soll. Um klare Entscheidungen zum Wildschweintunnel drückt sich auch der Verwaltungsgerichtshof (VwGH), wo gleich mehrere Beschwerden gegen das umstrittene Bauprojekt anhängig sind. Die älteste ist schon so etwas wie ein Methusalem und datiert noch vom August 2002. Dass die diversen Beschwerden keine aufschiebende Wirkung auf den Baufortschritt haben, bringt Franz Schodl in Rage: »Das ist eine Aushöhlung des Rechtsstaates. In der Zwischenzeit werden die Fakten in Beton gegossen«, so der Sprecher der lokalen Bürgerinitiative, die sich beharrlich gegen den Wildschweintunnel stemmt. Grünes Licht kommt von VwGH-Sprecher Heinz Kail, der kurz vor Redaktionsschluss bestätigt, dass mit einer Entscheidung definitiv noch diesen Frühling zu rechnen ist. Das eher gemächliche Vorgehen der Höchstrichter begründet Kail mit überlastung. Gesagt muss freilich auch werden, dass es sich beim Lainzer Tunnel um kein Alltagsverfahren handelt, das zwischen Tür und Angel erledigt werden kann. Alleine zum Transport der Akten ist bald ein Güterzug notwendig und die komplexen Verästelungen des monsterhaften Projektes durchblicken nur mehr Insider.Auffallend ruhig verhält sich auch Rechnungshofpräsident Josef Moser, der erst kürzlich die Tunnelprojekte Koralm und Semmering in einem RH-Bericht zerpflückt hat. österreichs oberster Kontrollor war als ehemaliger HL-AG-Boss eine Zeit lang für das Projekt Wildschweintunnel verantwortlich. Dass ein pikanter Interessenskonflikt bestehen könnte, weist RH-Sprecherin Irene Spreizer jedoch entschieden zurück. »Wir üben keine begleitende Kontrolle aus. Solange Verfahren offen sind, sind dem Rechnungshof schon rein formal die Hände gebunden«, so Spreizer. Bürgersprecher Schodl mag das nicht ganz glauben und verweist darauf, dass Moser-Vorgänger Franz Fiedler »über fast ein Jahrzehnt lang immer wieder eine Variantenüberprüfung eingefordert hat«. Tatsächlich findet sich aus dem Jahr 2000 noch ein Nachtrag zu einem Tätigkeitsbericht, der an Klarheit wenig zu wünschen übrig lässt. Fiedler geißelte damals beispielsweise, dass das BMVIT auf eine lückenlose Aktendokumentation verzichtet habe, weil die Nachvollziehbarkeit durch den »politischen Hintergrund« als ausreichend angesehen wurde. Ebenso vermisste Fiedler damals eine qualifizierte Verkehrsprognose, die inhaltliche Begründungen eines angeblichen öffentlichen Interesses oder ein damit zusammenhängendes Gesamtverkehrskonzept für den Großraum Wien. Allesamt ökonomische Begründungen, die teilweise bis heute fehlen. Ein Detail am Rande: Der VwGH erklärte die Verweigerung einer aufschiebenden Wirkung mit einem Bescheid aus dem Jahre 2003 mit einem begründeten öffentlichen Interesse. Genau dieses vermisste RH-Altpräsident Fiedler in seinen Berichten.